SWI swissinfo.ch: Im beschaulichen Dorf Unterwasser im St. Gallischen Toggenburg haben sich am Samstagabend 5000 Männer und Frauen aus ganz Europa an einem rechtsextremen Konzert getroffen. Sechs Bands traten an dem bewilligten Anlass auf. Nach Angaben der Aktion gegen Faschismus, handelte es sich um einen der grössten Neonazi-Anlässe in der Schweiz.
Rechtsextremismus in der Schweiz
Gemäss dem Sicherheitsbericht 2016 des Schweizer Nachrichtendienstes (NDB) ist die Lage mit Blick auf den Rechtsextremismus „derzeit weitgehend entspannt“.
Die besondere, angespannte Lage im Bereich Asyl sowie dschihadistisch motivierte Anschläge in Europa könnten aber zu mehr Rechtsextremismus führen. In der Schweiz gebe es noch keine konkreten Hinweise auf eine solche Entwicklung, in anderen Ländern Europas aber schon.
Grundsätzlich meide die rechtsextreme Szene die Öffentlichkeit. Sie bleibe auf sich selbst zurückgeworfen und finde kein Gehör in der Schweizer Gesellschaft.
2015 zählte der NDB 28 „Ereignisse im Bereich des gewalttätigen Rechtsextremismus“, was einer Zunahme von 47% im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Jahresschwankungen seien jedoch kaum aussagekräftig, hält der Bericht fest.
Unter den Namen „Rocktoberfest“ traten rechtsgerichtete Musikgruppen auf. Der Anlass war von der Gemeinde bewilligt, und die Veranstalter hielten sich an alle Auflagen, sagte ein Sprecher der Kantonspolizei St. Gallen, gegenüber dem Schweizer Fernsehen SRF. Ausser einigen Verkehrsbehinderungen durch den grossen Besucherstrom habe es keine Vorkommnisse gegeben. Die Polizei sei vor Ort, aber nicht in der Halle gewesen.
Bis am Sonntagmittag sei nichts über mögliche Verstösse gegen die Rassismus-Strafnorm gemeldet worden, so der Sprecher weiter. Die Kantonspolizei spricht nicht von Rechtsextremen oder Neonazis.
Über die Veranstaltung hatte die Organisation Antifa (Antifaschistische Aktion) auf Twitter berichtet. Demnach sollen die Organisatoren aus dem Umfeld der internationalen Neonazi-Organisation „Blood & Honour“ stammen. Gemäss Antifa war das „Rocktoberfest“ die bislang grösste Neonazi-Veranstaltung in der Schweiz.
„Wir wurden hinters Licht geführt“
Unterwasser gehört zur Gemeinde Wildhaus-Alt St. Johann. Deren Gemeindepräsident Rolf Züllig sagte auf Anfrage von SRF, Einwohner hätten ihn über viele Rechtsextreme im Dorf informiert. Daraufhin habe er die Kantonspolizei in Kenntnis gesetzt. Die Teilnehmer seien mit Bussen aus Deutschland und den Niederlanden angereist. Er selber sei die ganze Nacht vor Ort gewesen.
Züllig bestätigte gegenüber SRF, dass „es das war, was man unter einem Neonazi-Konzert versteht“. Die Besucher seien in einem „eindeutigen Erscheinungsbild“ erkennbar gewesen. „Ich widerspreche aber heftigst, dass die Gemeinde das Konzert bewilligt hat.“ Vielmehr habe die Gemeinde vor ein paar Wochen eine Veranstaltung „mit einem Gastwirtschaftspatent für Alkoholausschank für die Eventhalle in Unterwasser bewilligt“.
Der Veranstalter habe angegeben, ein Konzert mit fünf, sechs jungen Schweizer Bands und rund 600 Zuschauern zu organisieren. „Wir wurden komplett hinters Licht geführt“, so der Gemeindepräsident. „Wir haben sofort reagiert und die Polizei informiert. Vielleicht kann man uns Naivität vorwerfen, aber in der Halle finden immer wieder Anlässe statt.“
Auftritt von Rechtsrock-Bands
Die Organisation Antifa berichtete von Auftritten der Rechtsrock-Bands „Stahlgewitter“, „Frontalkraft“, „Confident of Victory“, „Exzess“ und „Makss Damage“ aus Deutschland sowie „Amok“ aus der Schweiz. Die Bands gelten in der rechten Szene als Grössen. Die Konzerte wurden offenbar seit längerem in den sozialen Medien angekündigt und hätten ursprünglich in Süddeutschland stattfinden sollen.
„Wenn wir gewusst hätten, dass die Veranstaltung nur den Hauch von Rechtsradikalismus hat, hätten wir nie ein Patent erteilt“, sagte Gemeindepräsident Züllig. Man prüfe unter anderem jetzt rechtliche Schritte gegenüber der Person, die sich das Patent für diese Veranstaltung erschlichen habe. Basis sei aber nur das Gastwirtschaftsgesetz, mit beschränkten Sanktionen.
SRF-Regionaljournal Ostschweiz vom 16. Oktober 2016