rudimentären Mitteln hergestellten Blatt, dem „Courrier du Continent“. Dort

heute

sind auch die zwei Artikel erschienen, die ihm nun eine Strafe wegenRassendiskriminierung eingebracht haben.

„Es lebe der Revisionismus“
Im März 1995 nannte er die Tötung von sechs Millionen Juden im ZweitenWeltkrieg eine „mythische Tatsache“. Im Juli 1995 betitelte er einen Artikel“Ich glaube nicht an die Gaskammer“. Und auf den Prozess hin hat er eigensfür seine Richter den Aufsatz „Es lebe der Revisionismus!“ verfasst. Erbedauert darin, dass der 1995 in Kraft gesetzte Artikel 261bis desStrafgesetzes „zum Genozid der weissen Rasse durch Rassenvermischung“ führe,woran nicht zuletzt die „Eselei des höchsten Gerichtes“ schuld sei, die nun“alle Schweizer Richter dazu verpflichte, im Chor zu wiehern“.

Kaum erstaunlich, dass der gebrechlich wirkende weisshaarige Mann imdreitägigen Prozess nicht die geringste Einsicht zeigte und auch dieAussagen von Überlebenden eines Konzentrationslagers starrköpfig in Fragestellte: „Die Zeugen können erzählen, was sie wollen.“ Das Fehlen jeglicherReue hat das Gericht zum Anlass genommen, gegen Amaudruz eine unbedingteGefängnisstrafe von 12 Monaten auszusprechen. Es hat zudem angeordnet, dassseine Schriften beschlagnahmt und zerstört werden und er den vierPrivatklägern, dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, derinternationalen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus (Licra), derVerbindung der Söhne und Töchter deportierter Juden in Frankreich sowieeinem Überlebenden eines Konzentrationslagers je 1000 Franken für Unkostenund moralisches Unrecht bezahlen muss.

Amaudruz hat auf das Urteil gefasst reagiert.


„Zeigen, wohin der Hass führt“

Der berühmte Nazi-Jäger Serge Klarsfeld ist am Prozess gegen den 79-jährigenNeonazi Amaudruz als Privatkläger aufgetreten.

Autor: Mit Serge Klarsfeld sprach Christine D’Anna-Huber

Sie haben im Namen der französischen „Verbindung der Söhne und Töchterdeportierter Juden“ am Prozess Amaudruz teilgenommen. Warum?
Die Schweiz ist das Land, dank dem viele Juden vor der Gaskammer gerettetwurden – und andere, die hätten gerettet werden können, doch in derGaskammer gelandet sind. Was in diesem Land geschieht, kann uns nichtgleichgültig sein. 1994 hat die Schweiz die Rassismus-Strafnorm eingeführt.Dennoch hat Amaudruz seine revisionistischen Ideen unbeirrt weiterverbreitet – und zwar in französischer Sprache. Das wollen wir nicht einfachhinnehmen. Deshalb haben wir uns als Kläger auf die Seite derinternationalen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus (Licra) und desSchweizerischen Israelitischen Gemeindebunds gestellt.

Sie haben sich als Rechtsanwalt mit dem Fall der Nazi-Helfer Papon undBarbie beschäftigt. Ist Amaudruz im Vergleich nicht ein kleiner Fisch?
Amaudruz lässt sich mit Papon und Barbie nicht vergleichen: Sie haben sichals Komplizen der Verbrechen gegen die Menschheit schuldig gemacht. Aberauch der Fall Amaudruz ist ein Schlachtfeld, auf dem zu kämpfen sich lohnt.Das Schweizer Anti-Rassismus-Gesetz hätte keinen Sinn, würde es nichtkonsequent gegen die Verbreitung von revisionistischem Gedankengutangewandt. Nur so kann es eine abschreckende und vorbeugende Rolle spielen.

Was sagen Sie zum Urteil?
Es ist anzunehmen, dass Amaudruz nun Rekurs gegen das Urteil einlegen undseine Strafe aus Gründen des Alters und der Gesundheit nicht wird absitzenmüssen. Aber die Strafe zeigt den jungen Leuten, die mit seinem Gedankengutliebäugeln, ganz klar, was sie damit riskieren.

Die Strafnorm wird gelegentlich im Namen der Meinungsfreiheit in Fragegestellt.
Die meisten Leute stellen die Meinungsfreiheit dann in Frage, wenn sie wüstbeschimpft werden. Für mich ist es schlimmer, als Lügner bezeichnet zuwerden, weil ich historisch unwiderlegbare Tatsachen wiederhole.

Amaudruz hat sich im Prozess uneinsichtig gezeigt, hat vor seinen jungenNazi-Skin-Bewunderern aufgeschnitten und wiederholt erklärt, eineVerurteilung zu begrüssen, weil sie „den terroristischen Charakter desMaulkorbgesetzes“ beweisen würde. Wurde ihm da nicht eine wunderbare Tribünegeboten?
Ich hatte während des Prozesses nicht den Eindruck, dass Amaudruz sichwirklich so sehr darüber freute, auf der Anklagebank zu sitzen. Der Prozesshat ihm zwar Gelegenheit gegeben, seine Ansichten zu wiederholen, zu zeigen,dass er keiner Einsicht fähig ist. Er war aber gleichzeitig auch eineTribüne für seine Opfer. Überlebende eines Konzentrationslagers konnten ihreLeidenserfahrungen in aller Öffentlichkeit darstellen, was das Publikumsichtlich erschüttert hat.

Ist die Rassismus-Strafnorm nicht reine Symptombekämpfung? Amaudruz hat seinLeben lang in prekären Verhältnissen gelebt. Müsste nicht vorher eingesetztwerden, damit Leute wie er aus Verbitterung nicht in den Extremismusabrutschen?
Der französische Revisionist Robert Faurisson ist ein intelligenter Mann,aber ein gescheiterter Schriftsteller. Amaudruz ein überzeugter Pronazi, einRassist, der bedauert, am nationalsozialistischen „Heldenepos“ nichtbeteiligt gewesen zu sein. Diese Männer haben versucht, ihrem kleinen Lebeneine andere Dimension zu geben. Mag sein, dass ihre Revolte ursprünglichgegen soziale Ungerechtigkeit gewendet war. Sie haben sich aber damitbegnügt, diese einzig den Juden anzulasten. Ihre Verleugnung derhistorischen Tatsachen ist nicht Ignoranz, sondern bewusste politischeAbsicht, die schwärzeste Seite des Nationalsozialismus zu verharmlosen, umihn als Gesellschaftsordnung wieder salonfähig zu machen.

Nochmals: Glauben Sie, dass es sinnvoll und notwendig ist, revisionistischeIdeen gesetzlich zu verfolgen?
In der Schweiz konnte, vor Einführung der Rassismus-Strafnorm, ein Amaudruzjahrzehntelang revisionistisches Gedankengut verbreiten. In Frankreich istein Faurisson verstummt, sobald er eine Gefängnisstrafe riskierte. Und erhat auch relativ wenig Nachahmer gefunden, die es wagen, offen zu ihrenrechtsextremen Ideen zu stehen. Alles in allem scheint mir die Bilanz derRevisionisten in Europa sehr negativ. Ihnen haben wir es zu verdanken, dassdie Überlebenden der Shoah ihre Energien gesammelt und gezielt auf dieAngriffe reagiert haben. In Berlin, Washington, Jerusalem sindDokumentationszentren zum Holocaust entstanden. An zahlreichen Universitätenwerden wissenschaftliche Studien durchgeführt. Wer heute nochrevisionistische Lügen verbreitet, findet sich sogleich der schwerenArtillerie des Wissens gegenüber. Es wird dabei helfen, den kommendenGenerationen zu zeigen, wohin der Hass auf das Andersartige, das Fremde,führen kann.