Am 19. Januar feierten einige Neonazis in Huttwil BE den Geburtstag ihres Kameraden Thomas Reichen. Während der ausgelassenen Feier in einer Bar wurde ein Tamile zum willkürlichen Opfer: Vier der Neonazis, unter ihnen Christoph Malang und Michi Kurz, griffen den Mann an, verfolgten ihn Parolen skandierend weiter in den nahe gelegenen Kebab-Laden und demolierten darauf das Mobiliar des Ladens. Die Polizei verhaftete schliesslich vier Täter, welche später zu teilweise bedingten Geldstrafen in folgenden Punkten verurteilt wurden: Angriff, Drohung, Sachbeschädigung und Rassendiskriminierung.
Ebenfalls im Januar gab die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) bekannt, dass sie in der Zentralschweiz wieder aktiv sei. Die zuvor aufgelöste Sektion Schwyz und die Ortsgruppe Willisau wurden durch das neue Infoportal Zentralschweiz ersetzt – wobei sich dessen Aktivitäten auf die Publikation von Mitteilungen aus dem Umfeld der PNOS beschränken. Wie bei den meisten Infoportalen besteht denn auch kein Vorstand und als Kontaktadresse wird lediglich das Postfach der Mutterpartei in Langenthal angegeben.
Die Wölfe machen von sich reden
Im Februar kündigte eine Gruppe aus dem Umfeld der «Legion Werwolf Schweiz» einen Fackelmarsch durch die Stadt Bern an. Der Marsch sollte am 16. Februar im Gedenken an die Bombardierung Dresdens stattfinden. Nicht bedacht wurde wohl, dass an diesem Wochenende in der Hauptstadt die Fasnachtsfeierlichkeiten mit einem Fest in den Gassen über die Bühne gehen sollten. Nach antifaschistischer Öffentlichkeitsarbeit sagte der Organisator Jonas Schneeberger den Fackelmarsch ab.
Ebenfalls im Februar erschien eine Broschüre über die in Deutschland aktive und als gewalttätig bekannte Gruppierung «Weisse Wölfe Terrorcrew» (WWTC). Dabei wurde aufgedeckt, dass neben diversen deutschen Neonazis unter den Gründungsmitgliedern auch Personen aus der Schweiz zu finden sind: Jonas Schneeberger und Sebastien Nussbaumer. Nussbaumer bewegte sich bereits seit einiger Zeit im Umfeld der WWTC und überführte beispielsweise 2008 eine Schrotflinte mit Munition nach Deutschland, welche bei einer Hausdurchsuchung bei einem weiteren Mitglied der WWTC gefunden wurde. Nussbaumer selber sitzt zur Zeit in der Schweiz in Haft, da er im Mai 2012 im Zürcher Niederdorf auf einen ehemaligen Mitstreiter von Blood & Honour geschossen hat. Bei einer gross angelegten Durchsuchungsaktion in Norddeutschland, der Schweiz und den Niederlanden im Sommer 2013 wurde auch die Zelle von Nussbaumer nicht ausgelassen: Die Ermittlungsbehörden wollten damit gegen die mutmassliche Gründung eines rechtsterroristischen «Werwolf-Kommandos» vorgehen.
Bei den Weissen Wölfen handelt es sich um eine gut organisierte und innerhalb der Neonaziszene etablierte Organisation, die vor Waffengewalt nicht zurückschreckt und deren Mitglieder allesamt bereits durch äusserst aggressives und gewalttätiges Auftreten aufgefallen sind. Immer häufiger treten sie auch durch Redebeiträge oder Teilnahme an verschiedensten neonazistischen Anlässen in die rechtsextreme Öffentlichkeit. So bekannte sich die WWTC unter anderem zur Organisation einer Demonstration der «Unsterblichen» im Dezember 2011 in Hamburg.
Dem rechten Terror den Prozess machen
Eigentlich hätte am 15. April der Prozess gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in München beginnen sollen. Der Prozess-Auftakt wurde jedoch auf Anfang Mai verschoben, da die Presseakkreditierungen nicht ausgewogen verteilt worden waren.
Am 6. Mai, dem ersten Prozesstag, nahmen auch bekannte Neonazis in den Besucherrängen des Gerichtssaales Platz. Im Laufe der Verhandlung wurde klar, dass eine aktualisierte Namensliste von Personen existiert, welche dem Unterstützungsfeld der NSU zugerechnet werden. Ein Antrag, diesen Personen den Zugang zum Gerichtssaal zu verwehren, wurde jedoch abgelehnt.
Nach vielen zähen Prozessmonaten wurde am 47. Verhandlungstag der Schweizer Waffenhändler vernommen, der die Tatwaffe – eine Ceska – am 11. April 1996 an Anton Germann, damals wohnhaft in Steffisburg, geliefert hatte. Auch von einer zweiten Lieferung an Germann ist die Rede. Vom Händler über Germann gelang die Waffe schliesslich über weitere Stationen an die Mitglieder des NSU. Der Prozess dauert nach wie vor an, mit einem baldigen Urteil kann nicht gerechnet werden. Auf www.nsu-watch.info finden sich die ausführlichen Protokolle der einzelnen Verhandlungstage.
Schlagzeilen auf der rechtspopulistischen Ebene
Oskar Freysinger sorgte im Frühling für Aufsehen, als in einem Bericht des Schweizer Fernsehens im Büro des SVP-Mannes eine Reichskriegsflagge zu sehen war. In der Folge entbrannte eine kontroverse Diskussion, zum einen über die Flagge und deren heutige Verwendung, zum anderen auch über die Gesinnung Freysingers und dessen Nähe zum neonazistischen Umfeld. Freysinger selbst belächelte die ganze Angelegenheit und wies jegliche Vorwürfe einer Verbandelung mit Rechtsextremen von sich – obwohl er regelmässig an internationalen Treffen von rechtsextremen Parteien als islamkritischer Redner auftritt. Freysinger, seines Zeichens Bildungsdirektor des Kantons Wallis, behauptete gar, nichts von der Verwendung der Flagge durch rechtsextreme Kräfte gewusst zu haben, er habe diese aus rein ästhetischen Gründen gekauft. Als sich die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus einschaltete und von ihm verlangte, die Fahne zu entfernen, antwortete Freysinger lapidar, es sei wohl seine Angelegenheit, was er in seinem Haus aufhänge.
Schweizer Neonazis und ihre Verbindungen ins nahe Ausland
Im Anschluss an die diesjährige Generalversammlung der PNOS am 26. April referierte der Gastredner Olaf Rose, seines Zeichens Mitglied der NPD.
Philippe Eglin nutzte das Jahr 2013, um seine Kontakte ins nahe Ausland zu pflegen und zu vertiefen. Am 1. Mai hielt er eine Rede anlässlich einer Demonstration im deutschen Würzburg. Und eigentlich hätte er auch im August eine Rede halten sollen. Diesmal während des Nazi-Festivals «Europa erwacht», welches am Wochenende des 10. August in Roden (DE) hätte stattfinden sollen. Eglin hätte neben fünf anderen Neonazis auftreten sollen, daneben hätten Konzerte von sechs Rechtsrockbands, darunter Lunikoff Verschwörung (DE), stattfinden sollen. Die Veranstaltung wurde bei der Gemeinde Roden angemeldet – die Behörden machten den Veranstaltern jedoch einen Strich durch die Rechnung und verboten das Festival.
Keinen Hehl aus seiner Gesinnung machte Eglin auch während einer Rede am 12. Oktober in Göppingen nahe Stuttgart. Rund 150 Neonazis gedachten zuvor in einer Schweigeminute dem wenige Tage zuvor in Italien verstorbenen NS-Kriegsverbrecher Erich Priebke. Im November schliesslich referierte Eglin anlässlich eines Kameradschaftstreffens in Regensburg (DE).
Menschenverachtendes Gedankengut auf Twitter
Nachdem er mehrere Monate über die Internetplattform Twitter sein antisemitisches und rassistisches Gedankengut verbreitet hatte, wurde der Glarner Marc B. im Juli von der Polizei verhaftet. Der 39-Jährige wird sich wohl vor Gericht für seine öffentlichen Äusserungen verantworten müssen.
Und immer wieder Schlachtfeiern
Am 8. Juni marschierten in Laupen BE rund 30 Rechtsextreme auf, um der in der Schlacht von 1339 auf der Berner Seite Gefallenen zu gedenken. Diese Schlachtfeier wurde offenbar von der Heimatbewegung organisiert. Die PNOS teilte mit, dass die Schlacht von Laupen in Vergessenheit zu geraten drohe, obwohl sie ein wichtiges Schlüsselereignis für die Entwicklung der Eidgenossenschaft darstelle. Je ein Vertreter der Heimatbewegung und von Blood & Honour traten als Redner auf. Die Behörden liessen auf Anfrage der Medien im Nachhinein verlauten, dass der Gedenkmarsch ohne Zwischenfälle über die Bühne gegangen sei und man keinen Plan für allfällige Gegenaktionen in petto gehabt hätte. Allgemein wolle man sich nicht mit solch einem Szenario auseinandersetzen, solange die Gedenkmärsche friedlich über die Bühne gingen. Die PNOS kündigte in ihrem Bericht zum Gedenkmarsch an, dass die Heimatbewegung auch im nächsten Jahr eine Schlachtfeier in Laupen zu veranstalten gedenke.
Weniger rosig sah die Präsenz der Rechtsextremen an der diesjährigen Schlachtfeier in Sempach aus. Während in den letzten Jahren immer mit einer relativ hohen Anzahl teilnehmender Neonazis gerechnet werden konnte – ob an der offiziellen Feier oder später bei einer Kranzniederlegung im «kleinen Rahmen» – so waren dieses Jahr kaum welche anwesend. Dieser Umstand ist wohl nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Luzerner Kantonsregierung jegliche Veranstaltungen auf dem Schlachtgelände unter Bewilligungspflicht stellte. Bei Demonstrationen ohne Bewilligung drohen den veranstaltenden Personen Bussen. Nachdem sich das Komitee der Schlachtfeier jahrelang – wenn überhaupt – nur halbherzig von der Teilnahme der Rechtsextremen am offiziellen Umzug distanzierte, existiert somit eine rechtliche Grundlage, die Umzüge im kleinen Rahmen zu verbieten.
Die Rechtsextremen haben sich am Wochenende der Sempacher Schlachtfeierlichkeiten dennoch getroffen. Belegt ist, dass der deutsche Liedermacher Fylgien, Sebastian Döhring, ein nach eigenen Angaben gut besuchtes Konzert in der Schweiz gab.
Die schwindenden Teilnehmerzahlen und die zunehmenden Schwierigkeiten, öffentliche Aufmärsche durchzuführen, brachten die PNOS dazu, am diesjährigen 1. August bewusst eine Veranstaltung im kleinen Kreise, fernab von Presse und Polizei, durchzuführen: Einige wenige Mitglieder der Partei und deren Partnerinnen und Partner trafen sich zu einem klassischen 1.-August-Brunch in einer Waldhütte in Huttwil BE.
«Internes» Gedenkkonzert
Am 21. September trafen sich 250 bis 300 Neonazis in Ebnat-Kappel nahe St. Gallen, um des 20. Todestags von Ian Stuart Donaldson, Gründer des Neonazi-Netzwerkes Blood & Honour, zu gedenken. Organisiert wurde das Konzert denn auch von der Zürcher Blood-&-Honour-Sektion. Obwohl der erste Veranstaltungsort in Gossau gekündet wurde, konnten die Neonazis in der Berghütte Girlen schliesslich ungestört feiern. Sechs Bands aus verschiedenen europäischen Ländern, unter ihnen auch «Heiliger Krieg», gaben ihr rechtsextremes Liedgut zum Besten.
Öffentlichkeitsscheue Hammerskins
Auch das andere bedeutende internationale Neonazi-Netzwerk, die Hammerskins, machten im 2013 von sich reden – allerdings nicht ganz aus freiem Willen. So gelang es antifaschistischen Gruppen in Deutschland, verschiedene interne Treffen der sonst ausserordentlich klandestin organisierten Gruppe zu veröffentlichen und dadurch zu verhindern. Über das Schweizer «Chapter» wurden im Dezember von der «Advent Antifa» vier Berichte veröffentlicht, in welchen ausführliche Informationen über dessen Mitglieder und Aktivitäten geliefert wurden.
Demonstration von und für Rechtspopulisten
Im Oktober machte Brigitte Hagen Schlagzeilen. Es wurde bekannt, dass die ältere Dame in Bern zu einer Demonstration unter dem Motto «An unsere Regierung: Der Souverän sind wir» aufrufen will. Offenbar soll die Kundgebung im ersten Quartal 2014 stattfinden. Pikant an der Angelegenheit: Hagen ist nicht so unschuldig, wie sie sich gibt. Sie war Mitbegründerin der Direktdemokratischen Partei Schweiz (DPS), deren Parteipräsident Ignaz Bearth war. Bearth hatte zunächst der PNOS angehört und regelmässig Homevideos von rechtsextremen Veranstaltungen produziert, bevor er sich als Mitglied der SVP versuchte. Als diese ihn rausschmiss, gründete er im Juli 2012 die DPS. Er war nicht das einzige bekanntere Gesicht der DPS. Christian Leutwiler, Vorsteher der Sektion Graubünden, war bereits mehrere Male als Teilnehmer an rechtsextremen Aufmärschen, insbesondere an der Schlachtfeier in Sempach, aufgefallen. 2009 hatte er gemeinsam mit Matthias Sigg, Mitglied der Kameradschaft Morgenstern, gar die Funktion des Kranzträgers inne. Zudem nahm er im September 2009 auch am «Fest der Völker», einem der grössten Rechtsrock-Festivals Deutschlands, teil.
Folgen hatten die Medienberichte zur geplanten Kundgebung in Bern für Jonas Schneeberger: Der langjährige Neonazi verlor seine Stelle bei der Stadt Biel. Schneeberger wurde in einem Artikel als angemeldeter Teilnehmer genannt, ausserdem wurde auf das Foto verwiesen, das Schneeberger in einer KZ-Gedenkstätte zeigt, den Arm zum Hitler-Gruss erhoben.
Die PNOS feiert sich selbst – wer sollte es sonst tun?
Am diesjährigen PNOS-Parteitag, welcher am 27. Oktober in Muttenz BL stattfand, referierten gleich drei Redner. Zu Beginn richtete sich Roland Nägeli, Präsident der Sektion Basel, an die Zuhörerschaft. Darauf folgte eine Rede des Waadtländer Holocaustleugners Philippe Brennenstuhl. Den Abschluss machte der diesjährige Gastredner aus Österreich, Dr. Walter Marinovic, welcher als Autor bei mehreren Nazizeitschriften fungiert und bereits mehrfach durch antisemitische und rassendiskriminierende Aussagen in den Fokus der Öffentlichkeit gelangte. Unter den Anwesenden war auch eine Delegation der Ende September in Yverdon VD neugegründeten Westschweizer Sektion Parti Nationaliste Suisse (PNS), die von Brennenstuhl präsidiert wird.
Der Nazianwalt und die Demokratie
Zu einer Veranstaltung der besonderen Art lud SVP-Stadtratskandidat Josef Lisibach: Am 23. November hielt ausgerechnet Valentin Landmann in Winterthur einen Vortrag zum Thema «Freiheit und Sicherheit – Gefahren für die direkte Demokratie». Landmann vertrat Mitglieder der Schweizer Neonaziband Amok nach ihrem Auffliegen vor Gericht und fungiert des öfteren als Anwalt der Rockergruppe Hells Angels. Unterstützt wurde Landmann bei seinem Vortrag durch ein Grusswort der Nationalrätin Natalie Rickli.
Freiräume für Nationalisten
Bereits Anfang Jahr gelangte die PNOS mit einem Flugblatt an die Bevölkerung von Langenthal. In diesem verlangte die Partei Freiräume für Eidgenossen. Mehrfach seien nationalistisch eingestellte Personen in ihrer Freiheit eingeschränkt worden, indem Behörden Bewilligungen für Treffen entzogen oder gar nicht erst erteilt hätten. Am 28. Oktober wollte die Partei mit einer Kundgebung während der Langenthaler Stadtratssitzung auf ihre Anliegen aufmerksam machen. Dieser erste Anlauf scheiterte, weil der Stadtrat die Sitzung aufgrund einer zu kleinen Traktandenliste absagte. An der nächsten Sitzung vom 18. November verteilten Antifas aus der Region Anti-Nazi-Kits an die eintrudelnden Ratsmitglieder, um gegen die absurden Anliegen der Rechtsextremen zu demonstrieren. Die PNOS hingegen marschierte am darauf folgenden Freitag mit Fackeln durch Langenthal und warb auf ihrem «nationalistischen Abendspaziergang» mit einem Transparent und Flugblättern erneut für ihr Anliegen. Dieser Geschichte werden wohl noch einige Kapitel folgen, welche nicht minder Kreativität und Aufmerksamkeit von antifaschistischer Seite fordern werden.