Die Schweizerische Volkspartei (SVP) triumphiert, Europas extreme Rechte applaudiert. Und trotzdem sind die organisierten Neonazis weiter am Grübeln: Sie können aus dem generellen Rechtsruck in der Schweiz kaum Kapital schlagen.
Ein streng hierarchisch aufgebauter, leaderorientierter und eingespielter Parteiapparat, eine prall gefüllte Parteikasse, eine für Schweizer Verhältnisse ungewohnt aggressive und aufdringliche Politwerbung und – nicht zuletzt – die Fähigkeit, die Mittel der direkten Demokratie geschickt als Druckpotenzial und Mobilisierungsmoment zu nutzen: Dies sind die Erfolgsbausteine der nationalkonservativen und rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP), die sich 2010 in blendender Verfassung zeigte und mit einem klugen Agenda-Setting sowie einem unverblümt fremdenfeindlichen und nationalistischen Campaigning eines ihrer liebsten Agitationsfelder, die Asyl- und Ausländerpolitik, klar dominierte. Mit durchschlagendem Effekt: 52,9 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer haben am 28. November der völkerrechtswidrigen SVP-Initiative «für die Ausschaffung krimineller Ausländer» zugestimmt. Während sich Christoph Blochers SVP in ihrem Erfolg sonnen und sich ein Jahr vor den National- und Ständeratswahlen als attraktive Sieger-Partei feiern lassen konnte, blieben der Linken und dem bürgerlichen Lager nur das gemeinsame Wundenlecken und der schmerzhafte Aufarbeitungsprozess.
Lob aus zweifelhafter Ecke
Längst verfolgt die extreme Rechte in Europa die Erfolgsgeschichte der SVP mit Bewunderung und versucht, deren Polit-Rezepte zu kopieren. Gross waren die Begeisterungsstürme aus den Parteizentralen des französischen Front National (FN), der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) auch nach dem 28. November. Die FN-Chefin Marine Le Pen sah in der Annahme der Ausschaffungsinitiative «einen Sieg des Volkes über die Eliten». Die NPD warb auf Flugblättern und Postkarten umgehend mit dem «Vorbild Schweiz» und dem Wahlspruch «Mit kriminellen Ausländern kurzen Prozess machen». Und der EU-Delegationsleiter der FPÖ, Andreas Mölzer, lobte: «Den Schweizern ist zu ihrem Vorstoss im Fremdenrecht zu gratulieren.»
Auch das einheimische Politspektrum rechts der SVP jubelte. Oder klopfte sich wie die Schweizer Demokraten (SD) ganz unbescheiden gleich selber auf die Schulter: «Ohne unsere Unterstützung (die Schweizer Demokraten haben im Abstimmungskampf weit über 200‘000 Sonderzeitungen zugunsten der Ausschaffungsinitiative unter die Leute gebracht!) wäre das Endergebnis wohl kaum so herausgekommen. Auch wenn die SVP-Direktion diese Tatsache vermutlich nicht wahrhaben will – ist dies die ungeschminkte Wahrheit!» Die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) freute sich über das «solide Ja» und sah sich in ihren Positionen gestärkt: «Die Annahme der Initiative ist ein deutliches Zeichen für ein Umdenken in der Ausländerpolitik, das sicher auch der Partei zugutekommt.» Die Gruppierung Jeunes Identitaires Genevois liess sich, beflügelt vom Abstimmungsresultat, gar zur folgenden Hetztirade hinreissen: «Die aussereuropäischen Migrationsströme sind zu stoppen. Die Schweiz muss die Bevölkerungsgruppen, die in der Schweiz niemals ihren Platz finden werden, wieder in ihren Herkunftsländern ansiedeln.»
Übermächtige Volkspartei
Faktisch ist die Luft für Schweizer Demokraten, Autopartei, PNOS & Co. aber dünn geworden. Einzige Ausnahmen: die rechte Protestpartei Lega dei Ticinesi, die im Tessin seit 1991 mehr oder weniger erfolgreich politisiert, und das Mouvement Citoyens Genevois (MCG), das linke Sozialpolitik mit rechter Ausländerpolitik kombiniert und seine Fühler von Genf aus nun auch in andere Kantone der Romandie ausstreckt. Die rechtsextremen und nationalistischen Kleinparteien und Splittergruppen haben angesichts der übermächtigen, mitglieder- und finanzstarken SVP wenig zu lachen und stemmen sich gegen den Absturz in die politische Bedeutungslosigkeit. Die rechtspopulistische Partei übertrifft die extreme Rechte nicht selten an Radikalität und Tonalität, kennt nur leichte Berührungsängste und saugt ungeniert auf, was am rechten Rand zu holen ist. Bereits im Jahr 2000 gab Christoph Blocher in der «Neuen Zürcher Zeitung» diesbezüglich den Takt vor: «Wenn die bürgerlichen Parteien richtig politisieren, darf es rechts von ihnen keine Partei geben.»
Auch machen sich verschiedene SVP-Exponenten kaum mehr die Mühe, sich öffentlich von Neonazis und Naziskins abzugrenzen – oder legen bei Auftritten im Ausland gar jede Scheu ab. Einige Beispiele: In einer im Februar lancierten und auch von Bundesrat Ueli Maurer unterzeichneten Petition zum Erhalt der traditionellen Schlachtfeier in Sempach etwa betitelte die Luzerner SVP die jeweils am Umzug mitmarschierenden Neonazis grob verharmlosend als «friedliche und anständige junge Patrioten». In der Debatte im Luzerner Kantonsrat Ende Januar hatte der SVP-Vertreter Guido Luternauer sogar von «guten Eidgenossen» gesprochen. Anfang März protestierte die Junge SVP Kanton Waadt in Lausanne mit einer Kundgebung «zum Schutz unserer Lehren» gegen die Ankündigung der Lausanner Stadtregierung, jugendlichen Sans-Papiers Lehrstellen in der Verwaltung zu ermöglichen. Dem Aufruf folgten rund 20 Personen, die Hälfte davon waren Naziskins und Mitglieder der Jeunes Identitaires Genevois.
Der Präsident der Jungen SVP Kanton Luzern, Anian Liebrand, bedient sich regelmässig krudester Neonazi-Rhetorik, so auch 2010: An der Delegiertenversammlung der Jungen SVP Schweiz am 8. Mai in Luzern polterte er in seiner Eröffnungsrede gegen «Drogenabhängige, Roma-Bettler und weitere Fremdvölker», die das Luzerner Stadtbild prägten. «Mit patriotischen Grüssen» versandte er am 18. August das neue Positionspapier seiner Sektion. Eine unappetitliche Kostprobe des fremdenfeindlichen Elaborats: «Die unkontrollierte Zuwanderung kulturfremder Ausländer, insbesondere Muslime, führt zu Parallelgesellschaften und Ghettobildungen und beschert unserem Land ein immer grösseres Schlamassel.»
Mit einer Sprengfallen-Drohung und der Aussetzung einer Belohnung von 500 Schweizer Franken hatte der Vorsitzende der PNOS-Sektion Willisau, Michael Vonäsch, auf den Farbanschlag gegen das Winkelried-Denkmal in Sempach Ende Juni und den Klau eines dort niedergelegten Gedenkkranzes Anfang Juli reagiert. Sukkurs erhielt Vonäsch umgehend von der SVP: In der von Liebrand redaktionell betreuten Parteizeitung «SVP Kurier» war Simon Ineichen – ebenfalls aus Willisau – des Lobes voll für die PNOS, «welche der Luzerner Justiz unter die Arme greift», «das Denkmal zu würdigen weiss und Ordnung und Sitte wieder hergestellt sehen will».
Der Walliser Messias
Der grösste Medienrummel war 2010 zweifellos dem Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger gewiss, der mit seiner Anti-Islam-Haltung gerne auf Europatournee geht und sich dabei von seiner rechtsextremen Zuhörerschaft wie ein Popstar empfangen und beklatschen lässt. Am 9. Oktober hielt Freysinger im belgischen Parlament in Brüssel ein Referat mit dem Titel «Der Islam – eine Bedrohung?». Als Türöffner amtete Filip Dewinter, Präsident der rechtsextremen Partei Vlaams Belang. Am 18. Dezember war Freysinger Stargast am Pariser «Kongress gegen die Islamisierung unserer Völker», zu dem der französische neofaschistische Bloc Identitaire geladen hatte. Er präsentierte sich dem Publikum als «helvetischer Asterix» und warnte, dass die «imperialistische Ideologie des Islam» in Europa auf «eine geistige und spirituelle Wüste» stosse und deshalb ein leichtes Spiel habe.
Und der SVP-Lehrer Freysinger hat fleissige Schüler in seinem Heimatkanton: Die beiden CO-Präsidenten der Jungen SVP Unterwallis, Grégory Logean und Patrice Thomas, nahmen am 2. November einen Anschlag auf eine Kirche in Bagdad zum Anlass, in einer Medienmitteilung ein «Monitorium für die Einwanderung von Muslimen, die aus Ländern kommen, in denen solche barbarische Akte verübt werden», zu fordern.
PNOS: Zehnjährige Kontinuität
Die extreme Rechte im engeren Sinne – PNOS, Naziskin-Subkultur und der Kreis der Holocaustleugner – schwächelte auch 2010 und bestätigte den bereits im Vorjahr diagnostizierten Trend zur Stagnation. Die im Jahr 2000 gegründete PNOS kann für sich zwar reklamieren, seit zehn Jahren ununterbrochen im Polit-Geschäft zu sein – eine Kontinuität mit höchstem Seltenheitswert innerhalb der Neonazi-Szene. Dennoch machte die rechtsextreme Partei, deren harter Kern aus einer Handvoll Aktivistinnen und Aktivisten besteht, im Jubiläumsjahr keine besonders gute Figur. Das sah ihr Vorstandspräsident Dominic Lüthard freilich zu Jahresbeginn anders. Der Gratiszeitung «20 Minuten» erklärte er vollmundig: «So stark wie jetzt waren wir noch nie.» Und: «Wir sind jetzt deutlich mehr Aktivisten, vor allem junge Leute interessieren sich für uns.»
Von diesem frischen Wind war spätestens bei den Grossratswahlen Ende März nichts mehr zu spüren: Die Partei war mit zwei Kandidaten (Dominic Lüthard, Raphael Würgler) und einer Kandidatin (Denise Friederich), alle drei wegen Delikten wie Landfriedensbruch oder Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm vorbestraft, in die Wahlen gestiegen, um sich für eine «konsequente Rückführung krimineller Ausländer» stark zu machen. Offensichtlich rechnete sich das PNOS-Trio gewisse Chancen aus, wie die Januar-Ausgabe des Parteiblatts «Zeitgeist» verrät: «Es steht ausser Frage, dass es kein Ding der Unmöglichkeit ist, einen der 160 Sitze (…) zu erringen.» Der Wahlsonntag, 28. März, brachte ein böses Erwachen: Die PNOS fuhr eine fette Wahlschlappe ein. Bloss 1,8 Prozent (Wahlkreis Oberaargau) bzw. 0,6 Prozent (Wahlkreis Emmental) der WählerInnen hatten ein Herz für den «eidgenössischen Sozialismus».
Anfang März – wenige Wochen vor den Wahlen – machte Lüthard nicht gerade Werbung in eigener Sache: Als Sänger der Band «Indiziert» hätte er, der sich im Wahlkampf auffällig brav und bieder gab, am rechtsextremen «No surrender»-Konzert im Osten Deutschlands auftreten sollen. Die Polizei machte «Indiziert» einen dicken Strich durch die Rechnung und löste den vom internationalen Neonazi-Netzwerk «Blood & Honour» organisierten Anlass kurzerhand auf.
Neues Führungsmodell – unkonventionelles Directmarketing
Am 17. April hat die PNOS in der Alten Mühle in Langenthal ihre erste Generalversammlung abgehalten und sich als Verein konstituiert. Die rund 30 Anwesenden verabschiedeten die neuen Statuten, wählten Dominic Lüthard zum neuen Parteipräsidenten und Denise Friederich zu seiner Stellvertreterin. Bislang hatte ein Bundesvorstand mit drei bis fünf Mitgliedern die Geschicke der Partei geleitet – ein offenbar wenig erfolgreiches Modell. Denn: Durch die Umstrukturierung erhofft sich die PNOS, «einen einschlägigen Kurs zu finden und diesen dann auch geradlinig zu fahren.»
Im Frühling betrieb die PNOS zudem unkonventionelles, wenn auch sehr zielgruppenspezifisches Mitgliedermarketing: Rund 1000 Schweizer Adressen hat ein Antifa-Hack gegen den Online-Versand des deutschen Nazi-Modeherstellers Thor Steinar an die Öffentlichkeit gezerrt. 600 von ihnen erhielten Werbepost von Dominic Lüthard, inklusive PNOS-Gadgets und Einzahlungsschein. Lüthard suhlte sich danach in Selbstgefälligkeit: «Die Rückmeldungen waren enorm. Unser Mediensprecher hatte Anfrage um Anfrage zu beantworten – fast ausschliesslich positive.»
Die PNOS instrumentalisiert den Tag der Arbeit gerne für ihre Zwecke, im Berichtsjahr jedoch mit bescheidenem Erfolg: Ein kleines Häufchen von PNOS-Aktivisten machte sich am 1. Mai in Thun daran, anlässlich der offiziellen Gewerkschaftsdemonstration Flugblätter zu verteilen. Die «verhaftungswütige Thuner Polizei» (Originalton PNOS Berner-Oberland) stoppte die Provokation unverzüglich und hielt die Rechtsextremisten, die ihre Aktion zuvor auf «Facebook» vollmundig angekündigt hatten, mehrere Stunden fest. Besser in Szene setzen konnte sich der Basler PNOS-Sektionspräsident Philippe Eglin, der am 1. Mai als Redner an einer NPD-Kundgebung im bayerischen Schweinfurt auftrat. Dabei soll er, so der Eintrag in einem Neonazi-Forum, «für die Einigkeit zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz» eingestanden sein.
Bildung für Naziskins
Ihren hohen Anspruch, als ernsthafte politische Partei aufzutreten und die zuweilen bierselige wie gewalttätige Naziskin-Subkultur zu politisieren, versucht die PNOS, unter anderem mit Bildungsveranstaltungen einzulösen. So auch am 6. Juni: Gemeinsam mit ihrer Jugendorganisation, der «Helvetischen Jugend» (HJ), führte die PNOS-Sektion Berner Oberland einen «Schulungsnachmittag zu den Aufgaben und Pflichten eines nationaldenkenken (sic!) Menschen» durch. Der langjährige Berner Neonazi-Aktivist und Kopf der völkisch-heidnischen Avalon-Gemeinschaft, Adrian Segessenmann, hielt den rund 30 Zuhörerinnen und Zuhörern eine eigentliche Standpauke. Ein Auszug: «National denken, handeln und fühlen umfasst mehr als ein abenteuerreiches Wochenende, der Konsum von ‚Rechtsrock’ oder das Tragen szenetypischer Kleidung.» Dasselbe Referat hielt Segessenmann am 24. Oktober auch an einem Schulungsnachmittag der PNOS-Sektion Schwyz in Goldau.
Seit dem 6. Juni verfügt die PNOS über ein Infoportal für den Kanton Zürich, das «die Politik der PNOS in den bevölkerungsstärksten Kanton tragen» soll. Verantwortlich zeichnet Jürg Vollenweider, der, so die PNOS, «weltanschaulich voll auf der Linie der Partei politisiert». Mit demselben Modell – der Vorstufe zur Sektionsgründung – ist die PNOS seit November 2009 auch im Kanton Aargau präsent.
Sempach: Aufmarsch ohne Publikum
Die PNOS nutzt offizielle Schlacht- und Gedenkfeiern gerne als Plattform für medienwirksame Auftritte. Der Kanton Luzern beschränkte seine Festivitäten deshalb am 26. Juni in Sempach auf einen schlichten Gottesdienst. «Dieses Trauerspiel» wollte die PNOS «nicht auch noch durch ihre Anwesenheit unterstützen» und rief zu einer «Ersatzveranstaltung» auf. Rund 200 Neonazis marschierten am 3. Juli – in totaler Isolation und bei widrigen Wetterbedingungen – zum Winkelried-Denkmal, das wenige Tage zuvor mit roter Farbe versprayt worden war. Adrian Segessenmann hielt eine Ansprache, die Anwesenden sangen die alte Landeshymne und legten einen Gedenkkranz nieder – den linke Aktivistinnen und Aktivisten noch am selben Tag entfernten.
Die PNOS antwortete mit einer erneuten Kranzniederlegung, sekundiert von der «Kameradschaft Innerschweiz», die ihrerseits in Sempach eine Flugblattverteilaktion startete. O-Ton: «So nicht. Duldet keine linken Schandtaten.» Und: Der Vorsitzende der PNOS Willisau, Michael Vonäsch, liess sich in einer Medienmitteilung vom 7. Juli zu einer üblen Drohung hinreissen (siehe auch oben): «Wir überlegen uns im nächsten Jahr eine Sprengfalle an der gestohlenen Sache anzubringen.» Auch kündigte er an: «Weiter werden Linksaktivisten in den nächsten Monaten im Kanton Luzern nichts zu lachen haben. Sie werden Sippenhaft übernehmen müssen.» Die Luzerner Strafuntersuchungsbehörden leiteten daraufhin eine Voruntersuchung gegen die PNOS Willisau ein. Tage später stellte das Amtsstatthalteramt das Verfahren ein. Begründung: Der Tatbestand «Schrecken der Bevölkerung» sei nicht erfüllt.
«Keine gute Prognose» für Eglin
Gerichtstermine waren auch 2010 fester Bestandteil des PNOS-Jahreskalenders. Am 22. Juli verurteilte das Strafgericht Basel Philippe Eglin wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm zu 90 Tagessätzen à 120 Schweizer Franken. Eglin hatte im Juni 2009 das Tagebuch der Anne Frank als «geschichtliche Lüge» bezeichnet, die zur «Holocaust-Indoktrination» von Kindern diene. Ein knapper Monat vor dem viel beachteten Prozess war Eglin als Präsident der PNOS-Sektion Basel zurückgetreten und hatte dem bisherigen Kassier Michael Herrmann Platz gemacht. Ein für die PNOS typisches Verhaltensmuster: Ihre Exponenten rücken oft in die zweite Reihe, sobald sie in ein Strafverfahren verwickelt sind und damit dem Parteiimage schaden. Eglin zeigte sich nach der Gerichtsverhandlung völlig uneinsichtig. Es sei «traurig für die Schweizer Eidgenossenschaft, dass man die freie Meinung unterdrücken» lasse.
Weitere «bad news» für Philippe Eglin: Am 25. August schloss ihn der Jugendrat in Liestal von den Sitzungen des Baselbieter Jugendparlaments aus. Begründung: Eglins Verhalten ausserhalb des Parlaments sei nicht mit dessen Kodex vereinbar. Dieser besagt, dass rassistische und beleidigende Statements in krassen Fällen auch ausserhalb der Sitzungen einen Ausschluss rechtfertigen.
«Rufst du mein Vaterland»
In gewohnten Bahnen verlief das zweite fixe Aufmarschdatum der PNOS. Gegen 150 Rechtsextreme – weniger als auch schon – spulten am 8. August auf dem Rütli ihre Version der Nationalfeier ab und missachteten einmal mehr die Hausordnung der Rütlikommission. Die Ingredienzien der PNOS-Party, zu welcher dieses Jahr auch der Waldstätterbund geladen hatte: Patriotische Reden, patriotisches Liedgut und die Erneuerung des Rütlischwurs. Als Rednerinnen und Redner traten Dani Herger, Vorsitzender der PNOS Schwyz und Exponent des «Waldstätterbund», Roland Renggli, ehemaliges Mitglied des PNOS-Bundesvorstandes, Jürg Vollenweider, der Betreuer des PNOS-Infoportals Zürich (siehe oben), sowie die PNOS-Vizepräsidentin Denise Friederich auf.
Kein Aufwand gescheut: Ihr 10-Jahre-Jubiläum beging die PNOS ganz offiziell mit einem reich befrachteten Parteitag am 4. September in Biel. Die unter anderem vom JSVP-Mann Arian Liebrand betreute Internetzeitung «info8.ch» jedenfalls war in ihrem «Exklusivbericht» hell begeistert: «Das abwechslungsreiche Programm liess die gegen 250 anwesenden nationalen Herzen (aus dem In- und Ausland, d.A.) höher schlagen.» Der Reihe nach traten der PNOS-Präsident Dominic Lüthard, Pascal Trost, einst Mitglied der Freiheitspartei und der SVP und heute Verantwortlicher des PNOS-Infoportals Aargau, sowie Robert Faller, Bundesgeneralsekretär der österreichischen Nationalen Volkspartei (NVP) ans Rednerpult. Für musikalische Unterhaltung sorgten die süddeutsche Balladensängerin Tanja und Frank Rennicke, der bekannteste rechtsextreme Liedermacher aus Deutschland und Mitglied der NPD.
Am 1. Oktober sah sich die jubilierende PNOS bereits wieder in ein schiefes Licht gerückt: Das Urner Obergericht bestätigte ein erstinstanzliches Urteil gegen Markus Martig, einstiger Exponent der PNOS Emmental und Hammerskin, und überband ihm die Verfahrenskosten von 4900 Schweizer Franken. Martig hatte in seiner Ansprache an der PNOS-Feier am 5. August 2007 auf dem Rütli zuerst seinen Vorredner, den Westschweizer Holocaust-Leugner Philippe Brennenstuhl, gelobt und später behauptet, die Rassismus-Strafnorm sei installiert worden, «um eine geschichtliche Lüge zu stützen». Das Landgericht Uri hatte ihn deswegen am 16. September 2009 zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse verurteilt – ein Entscheid, den Martig nun vor Obergericht vergeblich anfocht.
Mässig erfolgreiche Trittbrettfahrt
Am 9. Oktober machte ein «breit abgestütztes, überparteiliches Komitee» (Eigenwerbung) aus PNOS, Autopartei und Schweizer Demokraten gegen den geplanten Bau eines Minaretts in Langenthal mobil – und versuchte so, aus der aufgeheizten Stimmung im Oberaargau Profit zu schlagen: Der Kanton Bern hatte zuvor grünes Licht für den Bau des Minaretts gegeben, da die Baubewilligung noch vor dem Minarettverbot erteilt worden war. Die Akteure am rechten Rand blieben weitgehend unter sich. Rund 150 Personen, hauptsächlich Neonazis und Naziskins, folgten dem Aufruf zur Kundgebung. Neben PNOS-Chef Dominic Lüthard wandten sich Markus Borner, Präsident der Schweizer Demokraten des Kantons Basel-Stadt, Autopartei-Exponent Willi Frommenwiler sowie Pierre Singer, ehemaliges Mitglied der Freiheitspartei, per Megafon ans Publikum. Am Schluss der Kundgebung fegte Lüthard mit einem Besen unter Applaus fünf Papierminarette von einem roten Tablett mit Schweizerkreuz.
Eine Aktion mit juristischem Nachspiel: Eine Privatperson hat Lüthard wegen Verstosses gegen die Rassismus-Strafnorm angezeigt. Die Begründung: Dessen Handlung stelle ein Plakat der Nationalen Front aus den 1930er-Jahren nach, auf dem ein grosser Besen unter dem Motto «Wir säubern» Juden, Freimaurer und Linke aus dem Land wischt. Im Jahr 2003 war bereits die damalige PNOS Aargau mit einer Adaption dieses Plakats in den Wahlkampf gestiegen.
Zweite Wahlpleite
Auch Dominic Lüthards zweiter Versuch 2010, ein politisches Amt zu ergattern, war chancenlos: Der angepeilte Sitz in der Roggwiler Bildungskommission blieb ihm verwehrt. Der PNOS-Präsident hatte sich vor den Wahlen am 31. Oktober – ganz unverfänglich – als Familienmensch, Musiker und engagiertes Vereinsmitglied präsentiert. Die Biedermann-Masche zog nur mässig: 68 von 2664 Stimmberechtigten warfen eine unveränderte PNOS-Liste ein, von anderen Listen erhielt Lüthard 147 Zusatzstimmen.
Gegen 100 Rechtsextremistinnen und -extremisten beteiligten sich am 13. November an der Schlachtfeier in Morgarten. Zum Heldengedenken aufgerufen hatten PNOS und «Waldstätterbund». Im Schein der Fackeln ergriffen Daniel Herger, Philippe Eglin sowie «zwei Kameraden aus der Urschweiz» das Wort. Der PNOS-Berichterstatter war nach vollendeter Eidgenossen-Huldigung ganz entflammt: «Nicht nur unsere Fackeln brannten in einer sternklaren Nacht, sondern auch unsere Herzen nahmen das Feuer auf, das Feuer für eine bessere Zukunft!» Das angekündigte «musikalische Abendprogramm» in Goldau bestritt die Rechtsrock-Band «Indiziert» um Sänger Dominic Lüthard.
Gedenken, schulen, singen
Still geworden ist es – zumindest in der Schweiz – um die beiden traditionellen Naziskin-Organisationen «Hammerskins» und «Blood & Honour». Markant mehr Aktivitäten entfalteten hingegen zwei Gruppierungen aus dem direkten Umfeld der PNOS: die «Helvetische Jugend» (HJ) und der «Waldstätterbund». Die HJ lud am 13. Mai zum «Plauschhornussen» ins Emmental – 30 Neonazis frönten dem «urschweizerischen Mannschaftsspiel» – und am 6. Juni zum «Schulungsnachmittag» ins Berner Oberland (siehe oben). Am 5. September gedachten ein Dutzend HJ-Aktivisten im Berner Oberland den «gefallenen Berner Oberländer Soldaten des Ersten Weltkrieges».
Der «Waldstätterbund» wartete in der zweiten Jahreshälfte mit einem bunten Mix aus Gedenkanlässen, Vorträgen und geselligen Events auf. Am 3. Oktober führte er bereits zum dritten Mal in Stans eine «Gedenkfeier zum Franzosenüberfall von 1798» durch. Am 11. Dezember veranstaltete er – ebenfalls im Kanton Nidwalden – einen Vortrag zum Thema «Europas Bedrohungen – einst und heute», am 17. Dezember einen «Lieder- und Kameradschaftsabend» in einer Waldhütte bei Küssnacht am Rigi. Am 30. Dezember unternahmen Aktivisten des «Waldstätterbund» einen fünfstündigen «Nachtmarsch» von Küssnacht am Rigi nach Sempach – mit Zwischenstation beim Schlachtfeld von 1386.
Das Epizentrum der Westschweizer Neonazis lag auch 2010 in Genf: Hier waren es vor allem die «Jeunes Identitaires Genevois», die sich immer wieder in Szene zu setzen wussten. Am 23. Oktober trat ihr Sprecher, Jean-David Cattin, als Redner an einer rechtsextremen Kundgebung in Paris auf. Cattins Auftritt an der Seine kommt nicht von ungefähr: Die Gruppierung unterhält enge Beziehungen zu französischen Gesinnungsgenossen. Am 16. November – im Vorfeld der SVP-Ausschaffungsinitiative – befestigten Mitglieder der «Jeunes Identitaires Genevois» in der Nähe des Genfer Justizgebäudes ein Transparent mit der Aufschrift « Assez de juges laxistes! Oui aux renvois!».
Erstmals in Erscheinung trat 2010 mit diversen kleinen Aktionen die national-revolutionäre Gruppierung «Genève Non Conforme». Zwei Beispiele: Am 20. Oktober wollte die rund zwölf Mitglieder zählende Clique in einer Genfer Altstadtbar eine «Rock ’n’ Roll Party» veranstalten. Nach Medienberichten und Aufrufen zu Gegenprotesten wich sie in ein bislang unbekanntes Lokal aus. Am 4. Dezember rief die Gruppe zu einer Kundgebung gegen den «Rassismus der Linken. Gemeinsam für die Befreiung der Völker» in Genf auf. Die rund zehn Teilnehmenden wurden von linken Gegendemonstrantinnen und -demonstranten erwartet – und vertrieben.
Rare Rechts-Rock-Konzerte
Nazi-Rockers spielten 2010 – hier bestätigt sich ein weiterer Trend vom Vorjahr – nur selten in hiesigen Festsälen und Mehrzweckhallen auf. Zumindest die bekannt gewordenen Konzerte lassen sich an einer Hand abzählen. Am 16. Januar trat die Neonazi-Band «Vargr i Veum», die sich der altgermanischen Musik verschrieben hat, in ihrem Proberaum in Kradolf an einer von 70 Personen besuchten Geburtstagsparty (siehe unten). Die Berner Rechts-Rock-Combo «Indiziert», derzeit mehr mit Familienleben beschäftigt, brachte es auf zwei Auftritte: im März in Wangen an der Aare und am 13. November in Goldau (siehe oben).
Unter «Ausgewählten Ereignissen» listet der Nachrichtendienst des Bundes in seinem Jahresbericht 2010 zudem ein Neonazi-Konzert am 13./14. März in Amriswil auf. Rund 120 bis 150 Personen aus dem In- und Ausland besuchten den Anlass. Die Naziskins hatten den Partyraum unter dem Vorwand gemietet, ein Geburtstagsfest zu feiern. Die rechtsextreme Gruppe «Noie Werte» schliesslich, die zu den ältesten und erfolgreichsten Nazi-Rock-Bands Deutschlands zählt und sich 2010 aufgelöst hat, führt auf ihrer Website auf, am 23. April in der Schweiz aufgetreten zu sein.
Ein Lebenszeichen von sich gaben 2010 die Zürcher Rechts-Rocker von «Amok»: Sie veröffentlichten im Herbst ihren Zweitling «Kraft aus dem Herzen». Produziert wurde das Album, das mit «Für Blut und Boden» auch eine Ehrung für das Naziskin-Netzwerk «Blood & Honour» enthält, von HRD Records aus Roggwil. Das Lied «Rücken für Rücken» spielte «Amok» gemeinsam mit «Indiziert» ein. Zuvor, am 2. Juni, hatte das Amtsstatthalteramt Luzern die vier 22- bis 29-jährigen Band-Mitglieder wegen Drohung, öffentlicher Aufforderung zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit und Rassendiskriminierung mit hohen Geldbussen verurteilt. Grund: Auf ihrem 2007 erschienenen Album «Verbotene Wahrheit» hatten sie den Rechtsextremismus-Experten Hans Stutz beschimpft und bedroht und auch den Holocaust geleugnet.
Erfolgreich etabliert hat sich der im Berner Oberland beheimatete Online-Musikversand «Holy War Records», der laut Eigenwerbung «Musik gegen den Zeitgeist» feilbietet. Das breite Angebot – von Rechts-Rock (Rock against Communism, RAC) über Hard-Core bis zu National Socialist Black Metal (NSBM) – stösst offensichtlich auf eine hohe Nachfrage. Viele der angebotenen CD-Titel sind ausverkauft. Wenig aufschlussreich ist der Blick ins Impressum des Versandes: Dort sind ein – bislang unbekannter – «Verein Meinungs- und Redefreiheit in Kunst und Medien» und der PNOS-Aktivist Marcel Gafner – bloss als Strohmann? – aufgeführt, als Kontaktadresse fungiert ein Postfach in Brienz. «Holy War Records» ist fester Bestandteil der Oberländer Neonazistrukturen. So trug der Musikversand die Kosten des PNOS-Schulungsnachmittags am 6. Juni (siehe oben). Auch vertreibt er die deutsche Nazi-Rap-Aktions-CD «Sprechgesang zum Untergang», die PNOS- und HJ-Aktivisten seit letztem Herbst unter die Leute bringen.
Licht aus bei Nazi-Treffs
Treffpunkte und Versammlungslokale spielen eine eminent wichtige Rolle bei der Bildung und Entwicklung von Nazi-Subkulturen. Im Jahr 2010 mussten gleich drei Neonazi-Projekte dichtmachen – zum Teil auch dank antifaschistischer Kampagnenarbeit. Ende Februar schlossen die Langenthaler Behörden den Neonazi-Treff «RAC-Café» auf dem Areal der ehemaligen Porzellanfabrik. Das von der PNOS und Umfeld betriebene Lokal hatte monatelang viel rechtsextremes Party-Publikum angezogen und war auch zum Politikum mutiert – die Nachbarn hatten sich wiederholt über den nächtlichen Lärm beklagt. Bis Ende März musste die Thurgauer Band «Vargr i Veum» ihren Probe- und Clubraum in einer ehemaligen Teigwarenfabrik in Kradolf verlassen. Die rechtsextremen Musiker hatten das Lokal seit über sieben Jahren gemietet. Mehrere grössere Partys mit Gästen aus dem In- und Ausland brachten das Fass nun zum Überlaufen. Dazu der Vermieter im «St. Galler Tagblatt»: «Nach den Treffen hatten wir die Gemeindebehörde am Hals. Zudem sind solche Mieter und die Schlagzeilen in den Medien eine negative Publicity für unsere Gewerbe- und Wohnliegenschaft.»
Eine Premiere: Mit der «Royal Aces Tattoo-Bar» öffnete Mitte Mai in Burgdorf der erste öffentliche Treffpunkt für Neonazis in der Schweiz. Die Fangemeinde der Bar auf «Facebook» sprach Bände: Neben Adrian Segessenmann, Cédric Rohrbach, Schlagzeuger bei «Indiziert», oder Michael Herrmann, Präsident der PNOS-Sektion Basel, zählte auch das PNOS-Führungsduo Dominic Lüthard und Denise Friederich zum Freundeskreis. Sophie Güntensperger, die damalige Freundin des langjährigen Burgdorfer Naziskins Reto Siegenthaler führte das Lokal, dem auch ein Tattoo-Studio – betrieben vom Rechtsextremisten Christian Riegel – angeschlossen war. Zwei Monaten nach der Eröffnung war der Spuk bereits wieder vorbei: Nach einer hartnäckigen antifaschistischen Gegenkampagne und zwei direkten Aktionen schlossen die Behörden das Lokal aus Sicherheitsgründen. Am 19. Oktober wurde gegen Sophie Güntensperger der Konkurs eröffnet.
Seit Anfang September lockt in Kleinbasel der auf Streetwear und Kampfsportartikel spezialisierte Shop «Power Zone» rechtsextreme Kundschaft an: Mit «Thor Steinar» und «Pro Violence» hat er gleich zwei Nazi-Kleidermarken im Sortiment. Trotz teils militanter Gegenproteste halten die beiden Shop-Inhaber Benjamin Winzeler und Lorenzo Zanolari weiterhin an ihrem Angebot fest.
«Bist du ein Nazifeind?»
Auch 2010 zog die rechtsextreme Szene mit Übergriffen, Spray-Aktionen und Wehrsportübungen die Blicke auf sich. Allerdings zählte der Nachrichtendienst des Bundes im Berichtsjahr nur 13 Fälle rechtsextremistisch motivierter Gewalt – ein langjähriger Tiefststand. Zwei Angriffe von erschreckender Brutalität trugen sich gleich zu Jahresbeginn zu: Am 23. Januar schlugen drei rechtsextreme Hooligans in einem Berner Pub zwei andere Gäste zusammen – diese mussten in Spitalpflege gebracht werden. Bei zwei Beteiligten nahm die Polizei Hausdurchsuchungen vor und stellte Waffen und Munition sicher. Mehrere vermummte Nazi-Skins verprügelten am 30. Januar am «Lismerball» in Schwanden GL einen 20-Jährigen, sie hatten ihn zuvor mit «Bist du ein Nazifeind?» angesprochen. Das Opfer musste mit Gesichtsverletzungen und einer Riss-Quetschwunde am Augen-Oberlid ins Universitätsspital Zürich eingeliefert werden. Auf «YouTube» feierte sich der rechtsextreme Klüngel selbstbewusst als «Division Glarnerland – Combat 18» – «Combat 18» war in den 1990er-Jahren als bewaffneter Arm des Neonazi-Netzwerks «Blood & Honour» bekannt geworden. Das Filmchen – der Urheber hat es mittlerweile wieder von der Plattform entfernt – enthielt reichlich Nazi-Symbolik und war mit einem Song der deutschen Nazi-Rock-Band «Landser» untermalt.
Am 1. März kam es in Basel zu einem Übergriff an einem dunkelhäutigen Ausländer. Das Opfer der Aggression wurde erheblich verletzt und musste hospitalisiert werden. Mindestens einer der beiden Angreifer ist ein polizeilich bekannter Rechtsextremist. Mitte Oktober schlugen Nazi-Skins in der St. Galler Metzgergasse mit Fäusten grundlos auf mehrere Schwarze ein, die in der Bar neben ihrem Stammlokal verkehrten. Die Schlägerei, bei der auch die Eingangstüre der Bar zertrümmert wurde, war der traurige Höhepunkt eines wochenlang schwelenden Konflikts. Am 2. November griffen mehrere Neonazis in Genf drei Personen an, die am Rande eines Streitgesprächs zwischen Flavio Pelli und Christoph Blocher gegen die SVP-Ausschaffungsinitiative demonstrierten. Die Polizei nahm zwei Angreifer fest.
Relativ hoch war 2010 die Anzahl der publik gewordenen Sprayereien. Anfang Mai verübten Neonazis einen Spray-Anschlag auf die neue mazedonisch-orthodoxe Kirche in Triengen. Sie brachten Hakenkreuze und einschlägige Zahlencodes an, einmal die Zahl «88» (steht für «Heil Hitler»), einmal «848» («Heil Dir Helvetia»). Auch demolierte die Täterschaft das automatische Fensteröffnungssystem der Kirche. Am 16. Oktober sprühten Unbekannte an diversen Orten in der Briger Innenstadt «Nigger» und «Sieg Heil». Mitte Dezember hinterliessen Gesinnungsgenossen in Moosleerau ihre Spuren: Sie verschmierten eine Bushaltestelle und deren Umgebung mit Zeichen und Parolen, darunter auch mit Hakenkreuzen. Über die Festtage schliesslich drangen rechtsextreme Jugendliche in eine Liegenschaft in Meisterschwanden ein: Sie beschädigten Fensterschieben und hinterliessen Sprayereien: die Inschrift «NSDAP», ein Hakenkreuz und die Waffen-SS-Runen.
Die Affinität der Neonazis zu Waffen und Kampfsport manifestiert sich immer wieder auch in Wehrsportübungen und Kampftrainings. Am 25. April beispielsweise spielten in einem Kieswerk im Kanton St. Gallen neun Rechtsextreme Softair. Dabei kämpften mit Druckluftwaffen ausgerüstete Teams nach militärischen Szenarien gegeneinander.
Fleissige Editoren
In die Jahre gekommen: Dem kleinen Kreis der Schweizer Holocaust-Leugner ist es zuletzt kaum gelungen, sich zu erneuern. Einige der zentralen Figuren dürften bald das Zeitliche segnen – der Lausanner Publizist Gaston-Armand Amaudruz etwa feierte 2010 seinen 90. Geburtstag – und damit ihre kruden Theorien mit ins Grab nehmen. Weiterhin gibt die Szene emsig und regelmässig Periodica und Schriften heraus: den «Courrier du Contintent» (Gaston-Armand Amaudruz) beispielsweise, «Le pamphlet» (Claude und Mariette Paschoud) oder auch «Recht + Freiheit» (Ernst Indlekofer). Es ist ein Wirken im Stillen – die Publikationen erreichen nur ein eng begrenztes Publikum.
Wider den «american way of life»: Ein neues Betätigungsfeld schuf sich im Berichtsjahr Bernhard Schaub als Mitbegründer der «Europäischen Aktion». Die «Bewegung für ein freies Europa» mit Zentralsekretariat in Regensdorf und «Stützpunkten» in diversen Ländern will «die US-hörige EU durch eine Europäische Eidgenossenschaft ersetzen, die Europa wieder zum handelnden Subjekt statt zum Spielball der Weltpolitik machen wird». Reichlich Ärger hatte Schaub 2010 privat: Die Freie Waldorfschule Schopfheim schloss im November seine beiden Kinder Sigurd und Solveig fristlos vom Unterricht aus. In einem offenen Brief verlor Schaub die Contenance, er betitelte die anthroposophischen Schulleiter unter anderem als «linksalternatives kryptomarxistisches Pack».
Problematischer Gast: Ende Juni hielt sich der britische Bischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson im Unterwallis auf. Er nahm im Weiler Ecône an Priesterweihen der erzkonservativen Pius-Bruderschaft teil. Gegenüber einem schwedischen Fernsehsender hatte Williamson 2008 den Massenmord an den Jüdinnen und Juden während der NS-Diktatur stark relativiert: «Ich glaube, es gab keine Gaskammern.» Das deutsche Amtsgericht Regensburg hatte ihn deswegen zu einer Busse von 10’000 Euro verurteilt.