St. Galler Tagblatt: Bei der zwischen St. Galler und Berner Fussballfans vereinbarten Schlägerei vom Samstagabend wurden keine Waffen eingesetzt – die Devise lautete: Mann gegen Mann. Für einen Experten kommt der Vorfall nicht überraschend.
FLUMS. Einige trugen Zahnschutz, andere hatten sich mit Hauben vermummt: Am späten Samstagabend ging es beim Industriegebiet von Flums – nicht Mels, wie die Polizei zunächst berichtete – zur Sache. Chaoten aus der Fanszene des FC St. Gallen hatten mit Anhängern der Young Boys eine Schlägerei vereinbart (Ausgabe von gestern). Laut Hanspeter Krüsi, Chef Kommunikation der Kantonspolizei, wurden drei der zehn Personen, welche die Polizei vorübergehend in Gewahrsam nahm, leicht verletzt. «Stichworte: blaues Auge sowie Schürfungen an Ohr, Wange und Handrücken», sagte er gestern auf Anfrage. Die Fans stritten allerdings ab, dass sie sich bei der Prügelei verletzt hätten, und erklärten die Blessuren anderweitig.
«Meute löste sich rasch auf»
Nach dem 1:1 von YB beim FC Vaduz hatten YB-Fans auf der Rückfahrt bei Flums die Notbremse ihres Extrazuges gezogen. Passanten meldeten die folgende Schlägerei zwischen den rund 40 St. Galler und Berner Chaoten der Polizei, erste Patrouillen waren schnell vor Ort. «Dem ist es zu verdanken, dass sich die Meute rasch auflöste», sagt Hanspeter Krüsi. Die YB-Fans verzogen sich in den Extrazug, der bald wieder weiterfuhr.
Wann und über welchen Kanal die Schlägerei vereinbart worden war, weiss die Polizei bisher nicht. Aufgrund der Aussage eines Beteiligten geht sie aber davon aus, dass die Chaoten ohne Waffen aufeinander losgingen. Es konnten auch keine Waffen sichergestellt werden.
In Wäldern und auf Raststätten
«Verabredungen zu solchen Schlägereien gab es im Kanton St. Gallen auch schon», sagt Hanspeter Krüsi. Meist gehen die Auseinandersetzungen fernab von Fussballspielen über die Bühne – auf Wiesen oder in Wäldern. Eine Beobachtung, die Thomas Busset, Sozialwissenschafter an der Universität Neuenburg und Experte für Fanszenen, teilt: «Solche Vorfälle kommen ab und zu vor», sagt auch er. Oftmals erfahre die Öffentlichkeit nichts, weil die Fans mit Privatautos unterwegs seien und ihre Fehden beispielsweise an Raststätten austrügen.
Slowenische Fans aus Maribor
Auf St. Galler Seite mischten vier Anhänger eines slowenischen Fussballclubs mit. «Sie stammen aus dem Raum Maribor und sind Fans des NK Maribor», sagt Hanspeter Krüsi. Es sei bekannt, dass einige St. Galler Fans eine Freundschaft mit Anhängern aus Maribor pflegten. Wie bei anderen osteuropäischen Clubs gibt es in der Maribor-Fanszene rechtsextreme Tendenzen – das Erscheinungsbild der Fans lässt laut Krüsi aber nicht auf einen rechtsextremen Hintergrund schliessen.
«. . . dann gibt es keine Regeln»
Laut Experte Thomas Busset entspricht es einem Muster, dass die St. Galler Fans auf Unterstützung von Anhängern eines anderen Clubs zählen konnten. «Viele Fangruppierungen unterhalten Freundschaften mit Anhängern ausländischer Clubs. Wenn man sich besucht, will man etwas erleben.» Wie Busset weiter festhält, machen gewaltbereite Anhänger nicht nur Ort und Zeitpunkt von Kämpfen genau ab. Es wird auch festgelegt, wie viele Personen mit von der Partie sind. «In solchen Fällen wird oft Mann gegen Mann gekämpft – Schlagstöcke oder Ähnliches kommen dann kaum vor», sagt Busset, der von einer Art Kodex spricht. Solche Fehden gehen deshalb oftmals ohne schwerer Verletzte aus, Anzeigen erfolgen nicht. «Viel gefährlicher scheint es mir zu sein, wenn sich Gruppierungen spontan zu Gewaltaktionen gegen andere Fans entschliessen oder sich solche Gruppen zufällig bei der An- oder Rückreise treffen. Bei solchen Auseinandersetzungen hat oftmals eine Gruppierung das Übergewicht, und dann gibt es meist keine Regeln mehr», so Busset.
Prügel im Gründenmoos
Ein Fall einer Auseinandersetzung zwischen Fangruppen ist in der Ostschweiz speziell in Erinnerung geblieben. Im Frühling 2009 kam es im St. Galler Gründenmoos zu einer Schlägerei zwischen Anhängern des FC St. Gallen und Fans der Grasshoppers. Dies anlässlich des U21-Spiels FCSG gegen GC. Zum Einsatz kamen laut Augenzeugen Eisenstangen, Tränengas und Knallpetarden. Das Spiel wurde daraufhin abgesagt. Der Vorfall war ein Höhepunkt in einer Reihe von unrühmlichen Auseinandersetzungen, die sich zu jener Zeit zwischen FCSG- und GC-Chaoten abspielten. Einige Monate später griffen GC-Anhänger am St. Galler Stadtfest FCSG-Fans an. (dwa)