Marcel M. war der Kopf und Chefideologe des rechtsextremen «Ordens der arischen Ritter». Renato S. und Michael S. machten aus Loyalität zu ihm mit. Und aus Angst vor dem dominanten Haupttäter.
Stefan Geissbühler
«Keiner hatte den Mut, Nein zu sagen, keiner wollte das Gesicht verlieren, wir waren selbstverliebt, und keiner von uns war ein richtiger Mann»: Der 24-jährige Michael S. versucht zu erklären, warum er bei der grausamen Tötung seines ehemaligen Kollegen Marcel von Allmen mitgewirkt hat. Der ebenfalls 24-jährige Renato S. pflichtet ihm bei: «Unser Schweigen war das Einverständnis für die Tat. »
Die Erklärungsversuche von Michael S. nd Renato S. wirken um einiges emotionaler als die Aussagen, welche der Haupttäter Marcel M. am ersten Prozesstag gemacht hatte (siehe Ausgabe von gestern). Sie suchen nach Worten, um die unfassbare Tat fassbar zu machen, beschönigen ihre Tatbeiträge kaum und wirken glaubwürdiger als Marcel M. , der den 19-jährigen Marcel von Allmen mit bis zu dreissig Schlägen mit einem Chromstahlrohr auf den Kopf getötet hatte.
«Ich war eingeklemmt»
«Ich hatte persönlich gar nichts gegen Marcel von Allmen», gibt Renato S. zu Protokoll. Und trotzdem habe er bei der Tötung mitgemacht. Grund: «Ich war eingeklemmt, weil ich schon bei den früheren zwei Tötungsversuchen und bei Einbrüchen mitgemacht habe», sagt der 24-Jährige.
Zur Erinnerung: Die drei Angeschuldigten stehen nicht nur wegen Mordes, sondern auch wegen versuchten Mordes vor Gericht. Sie hatten geplant, einen 18-jährigen Jugoslawen zu erschlagen und zu vergraben. Weil dieser auf dem «Bödeli» Schweizer angepöbelt habe. Und einen 19-jährigen Schweizer wollten sie ebenfalls erschlagen oder aber mit Drogen betäuben und anschliessend in einer Badewanne ertränken. Weil er wusste, dass Marcel M. , Renato S. , Michael S. nd Marcel von Allmen dem «Orden der arischen Ritter» angehörten.
«Auch Angst vor Marcel M. spielte eine Rolle, dass ich mitmachte», sagt Renato S. weiter. «Denn Marcel M. war der Wortführer des Ordens», stellt er fest. Der Versuch, Marcel M. vom Entschluss, Marcel von Allmen zu töten, abzubringen, sei gescheitert: «Marcel von Allmen ist ein Unterseener, und Unterseener halten zusammen, habe ich gesagt – doch meine Meinung wurde prompt vom Tisch gefegt», sagt Renato S. kleinlaut.
«Es war eine Schlacht»
Und: «Meine Aufgabe war es, Marcel von Allmen in der Ruine Weissenau Handschellen anzulegen. » Dazu habe er sich maskiert, «denn ich wollte nicht, dass Marcel von Allmen mich erkennt. » Alexis T. – vom Jugendgericht bereits wegen Mordes verurteilt – habe dem Opfer darauf den Mund mit Klebeband zugeklebt. Und Marcel M. habe «20 bis 30 Male» mit einem Chromstahlrohr auf Marcel von Allmens Kopf geschlagen – nachdem Marcel M. vom Opfer Natel und Portemonnaie verlangt hatte. «Ich konnte nicht hinschauen, wie ein hilfloser Mensch so brutal getötet wurde», sagt Renato S. nd fügt an: «Es war eine Schlacht, anders kann man es nicht sagen. »
«Wollte Familie gründen»
«Für mich ist es schwer nachvollziehbar, warum ich bei der Tat mitgewirkt habe», gibt Michael S. zu Protokoll und überlegt laut: «Treibende Kraft war bei mir die Loyalität zur Gruppe und zum Führer Marcel M. » Bei der eigentlichen Tötung in der Ruine Weissenau am Thunersee sei er nicht dabei gewesen. Denn er habe Marcel M. kurz vor der Tat mitgeteilt, dass er mit seiner Freundin eine Familie gründen und aus dem «Orden der arischen Ritter» aussteigen wolle.
Trotzdem habe er für die Tötung «Material beschafft» und sein Auto für die Bluttat zur Verfügung gestellt. «Damit wollte ich mich vom Orden freikaufen», sagt Michael S. , der den «Orden der arischen Ritter» 1999 zusammen mit Marcel M. gegründet hatte.