Hitlerwitze mit Folgen

Luzerner Zeitung.

Der Fall Benjamin hat juristische Folgen. Zwei heutige Unteroffiziere werden wegen Memes mit Hitlerwitzen und Nazisprüchen in Whatsapp-Gruppenchats bestraft.

Benjamin sah es mit 19 Jahren als seine patriotische Pflicht an, die Rekrutenschule zu absolvieren. Als er sein Zimmer in der Kaserne bezog, wurde er dort von seinen Kameraden in einen Whatsapp-Gruppenchat mit 14 Teilnehmern aufgenommen. Auf dem Smartphone blinkten nun verstörende Meldungen auf.

Ein Meme (Fotomontage) zeigt Adolf Hitler in einer Schule. Er schreibt auf eine Wandtafel: «Ich vergesse – ich vergass – ich vergaste».

Ein Meme zeigt Hitler vor einem Konzentrationslager. Dazu steht: «Du kannst Juden nicht hassen, wenn es keine Juden gibt – Adolf 1942».

Ein Meme zeigt Hitler mit dem Text: «DAS LEBEN IST WIE BELGIEN – MANCHMAL MUSST DU EINFACH DURCHMARSCHIEREN».

Benjamin erschrak. Er ist Jude, doch er traute sich nicht, etwas zu sagen. Nazisprüche waren allgegenwärtig und niemand widersprach.

Er versuchte, Hilfe zu holen. Zuerst wandte er sich an die Seelsorge der Armee, doch diese war abwesend. Dann meldete er sich beim psychologischen Dienst, der den Fall dem zuständigen Kommandanten weiterleitete. Dieser hatte jedoch kein Verständnis für Benjamins Sorgen und schimpfte mit ihm.

Nach zwei Monaten brach Benjamin die RS ab und meldete sich für den Zivildienst an. Er wusste nicht, wie er mit dem Erlebten umgehen sollte, und fragte den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund um Rat. Dort kannte ein Mitglied einen Schulkommandanten und erzählte ihm vom Fall. Dieser schaltete die Militärjustiz ein.

Dann passierte lange Zeit nichts. Als die Ermittler nach mehr als einem Jahr noch kein Resultat vorweisen konnten, meldete sich Benjamin beim «Tages-Anzeiger», der die Geschichte publik machte – auf drei Zeitungsseiten.

Nun sah sich die Armee zum Handeln gezwungen. Sie schuf ein Pilotprojekt zur Sensibilisierung und eine unabhängige Anlaufstelle bei Problemen.

Wann sind Nazisprüche auf Whatsapp strafbar?

Mittlerweile hat die Militärjustiz ihre Verfahren abgeschlossen. Sie verurteilt zwei ehemalige Rekruten wegen Rassendiskriminierung. Diese sogenannten Strafmandate sind rechtskräftig und liegen CH Media vor.

Die Strafverfahren gehören zu den ersten in der Schweiz, welche die Frage klären, wann Rassendiskriminierung in Gruppenchats strafbar ist. Im normalen Strafgesetz gelten diesbezüglich die gleichen Grundsätze wie im Militärgesetz. Dazu ist zu wissen: Rassismus ist in der Schweiz nicht strafbar, sondern nur Rassendiskriminierung.

Ein Beispiel: Das Tragen einer Armbinde mit einem Hakenkreuz ist nicht verboten. Dies gilt als Bekenntnis, das durch die Meinungsfreiheit geschützt ist. Der Bundesrat hat eine Verschärfung kürzlich abgelehnt. Verboten ist aber etwa, ein Hakenkreuz an eine Wand zu malen. Dies gilt als Verbreiten der Ideologie und somit als Rassendiskriminierung. Bei Gruppenchats ist entscheidend, ob sie als öffentlich oder privat eingestuft werden. Massgeblich ist dabei nicht die Teilnehmerzahl, sondern die Beziehung der Mitglieder untereinander.

Ist die Gruppe privat, kann davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer die Inhalte nicht weiterverbreiten. Das würde zum Beispiel für einen Familienchat gelten. Dort dürfen Hakenkreuze und Hitler-Memes ohne strafrechtliche Folgen geteilt werden. Keine Privatheit besteht hingegen, wenn die Mitglieder der Gruppe nur in losem Kontakt zueinander stehen. Das würde zum Beispiel für einen Klassenchat gelten – oder für den Chat einer Militäreinheit, wie die Strafmandate zeigen.

Die Täter müssen nur kleine Bussen zahlen

Beide Rekruten stritten zuerst alles ab. Erst als die Militärjustiz ihnen die gesicherten Dateien vorlegte – im einen Fall waren es 23, im anderen vier –, gaben sie alles zu. Der eine sagte, er habe sich nichts überlegt und solchen «Scheiss» einfach geschickt. Er wollte die Kollegen damit beeindrucken. Der andere behauptete, es handle sich um «subtilen schwarzen Humor».

Die Memes können gemäss der Militärjustiz aber nicht als «Spass» oder «Entgleisung» abgetan werden, da damit öffentlich eine systematisch herabsetzende Ideologie verbreitet werde. Sie verhängt deshalb bedingte Geldstrafen. Werden die Täter nicht rückfällig, müssen sie nur Bussen von 180 und 50 Franken bezahlen und Gerichtsgebühren von je 450 Franken. Beide dürfen ausserdemweiterhin in der Armee bleiben. Sie machten inzwischen sogar Karriere und sind heute Wachtmeister und Fourier (höherer Unteroffizier).

Benjamin interessiert sich nicht für die Strafen. Damit werde das Problem nicht gelöst. Die grösste Enttäuschung war für ihn ohnehin nicht das Verhalten der Rekruten, sondern des Kommandanten, der das Problem nicht ernst genommen hat. Benjamin sagt: «Ich hoffe, dass in der Armee ein Umdenken stattfindet.»