Ostschweiz am Sonntag.
Reichsbürger Zwischen Verschwörung, Esoterik und Rechtsextremismus: „Reichsbürger“ und „Freemen“, ursprünglich aus Deutschland, gründen auch in der Schweiz Ableger. Gestern haben sie sich in Buchs SG getroffen.
Im Industriegebiet der Stadt Buchs im Kanton St. Gallen ist es ruhig. Doch der Parkplatz vor der Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) ist voll. Die Autonummern tragen Kennzeichen aus der ganzen Schweiz sowie aus Süddeutschland und Vorarlberg. Nicht ganz überraschend. Hier sollte am Samstag ein Treffen des «Global Common Law Court» (GCLC) stattfinden. Dieser «Gerichtshof auf Grundlage des Naturrechts» wurde in Deutschland 2016 gegründet und steht den «Reichsbürgern» nahe, die den Staat nicht anerkennen. Seit letztem Jahr gibt es auch in der Schweiz Ableger der Szene.
Im Obergeschoss des Gewerbehauses brennt Licht, jemand tritt aus der Tür und zündet sich eine Zigarette an. Weder Heino Fankhauser noch Bruno Moser seien hier, sagt er auf die Frage nach zwei Schweizer Exponenten der «Freemen», wie sich die Staatsverweigerer oft nennen. Reichsbürger sei er nicht. «Wir sind neokonservativ.»
Gegen die Weltverschwörung
Sechs Sektionen des GCLC gebe es in der Schweiz, schrieb der «Bund» Ende letzten Jahres: in Bern, Basel, Zürich, Aargau, Biel und Solothurn. Ein St. Galler Ableger solle bald gegründet werden, hiess es damals.
Die Versammlung in Buchs sei wohl die erste Veranstaltung dieser Ostschweizer Sektion gewesen, meint Rechtsextremismusexperte Raimond Lüppken. Die Staatsverweigerer anerkennen die heutigen Staaten nicht, aber sie folgen keiner einheitlichen Ideologie. In ihren Kreisen kursieren verschiedene Verschwörungstheorien, die sie über verschiedene alternative Medien auch in der Schweiz verbreiten. Es gibt Berührungspunkte zu Alternativmedizin und Esoterik – und zum Rechtsextremismus. Das werde zwar gewöhnlich bestritten. «Aber bei fast allen Theorien geht es um eine amerikanisch-jüdische Weltverschwörung», sagt Lüppken. In der Schweiz würden die Staatsverweigerer noch unterschätzt. Zwar seien sie hierzulande nicht gewalttätig geworden, sagt Lüppken. «Aber das kann schnell gehen. In Deutschland ist bereits ein Polizist zu Tode gekommen.»
Die Kantonspolizei St. Gallen hat die Versammlung gestern nach dem Hinweis dieser Zeitung kontrolliert. 30 bis 40 Personen aus der Schweiz und aus Deutschland seien anwesend gewesen und hätten sich als «Reichsbürger» zu erkennen gegeben, sagt Mediensprecher Hanspeter Krüsi. Sonst habe man nichts unternommen – es herrsche Rede- und Versammlungsfreiheit. «Es ist keine verbotene Organisation.» Als die Patrouille den Saal verliess, habe sie einen weiteren Mann angetroffen und ihn kontrollieren wollen. «Er weigerte sich, sich auszuweisen», sagt Krüsi. «Wir nahmen ihn mit auf den Posten.» Als seine Identität geklärt war, liess die Polizei ihn laufen.
Die «Reichsbürger» sind der Polizei bekannt. «Wir kennen einzelne Mitglieder der Organisation», sagt Krüsi. Oft habe man diese auf Anzeigen aus Deutschland oder Österreich hin überprüft. Hinweise auf Gewalt oder Kontakte zu Rechtsextremen seien aber nicht bekannt, sagt Krüsi. Es handle sich dabei um eine Handvoll Leute. Von einer Bewegung könne nicht die Rede sein.