Reichsbürger drohte Bündner Konkursamt mit Militär und Waffengewalt

Der Bund. Ein Deutscher pochte auf seinen Diplomatenstatus, rammte ein Polizeiauto und setzte sich ins Ausland ab, bis ihn ein ungarisches Spezialkommando verhaftete. Der Fall eines Reichsbürgers.

Franz Mauser (Name von der Redaktion geändert) behauptet, dass der Staat eine Firma sei. Er spricht davon, dass die Polizei an eine private Sicherheitsfirma verkauft worden sei. Und der 62-Jährige gab sich in der Vergangenheit als Mitglied des russischen Militärstabs und Geheimdienstes aus. Er bezeichnete sich als deutscher Missionsleiter der Vereinten Nationen (UNO) und schien felsenfest an seine «diplomatische Immunität» zu glauben. 

Franz Mauser ist ein Reichsbürger.

Der Deutsche lebte nahe dem Bodensee und arbeitete von 2014 bis 2018 in der Schweiz. Sein Fall zeigt, zu welchen Taten es führen kann, wenn reichsbürgerliche Querulanten mit dem Gesetz in Kontakt kommen. Es endet meist nicht gut.

Er drohte mit Waffengewalt

Alles begann 2018. Damals eröffnete ein Bündner Konkursamt ein Insolvenzverfahren gegen den damaligen Unternehmer Mauser, der mit technischen Lizenzen handelte. Weil man aber keine Vermögenswerte fand, sollte sein Dienstwagen mit Schweizer Kennzeichen gepfändet werden.

Doch Mauser dachte nicht daran, sein Fahrzeug freiwillig aufzugeben. In mehreren Schreiben an das Konkursamt, in denen er das UNO-Emblem verwendete, verwies er auf seinen «internationalen Diplomatenstatus». Wie aus einer «Erklärung unter Eid», die dieser Zeitung vorliegt, hervorgeht, hat der Reichsbürger dem Konkursamt ein wohl selbst gebasteltes «Wertpapier» zugesandt, mit der er seine «Steuerschulden», wie er es ausdrückte, begleichen wollte.

Nachdem das Konkursamt das «Wertpapier» nicht akzeptierte und angeblich nicht zurücksandte, soll er von der Behörde «den Betrag, den dieses Papier» laut seiner Vorstellung wert sei, gefordert haben: über 600’000 Franken. «Da ich in diesem Bereich tätig bin, weiss (ich, Anm.), was ich tue», schrieb Mauser in seiner Erklärung zur Höhe des Betrags. Vor Gericht wird später von 840’000 Franken die Rede sein, mit denen der Reichsbürger versucht haben soll, das Schweizer Konkursamt regelrecht zu erpressen.

Denn seiner Forderung verlieh der Mann mit mehrfachen Drohungen Nachdruck, wonach er im Fall einer Nichtzahlung Militär aufbieten und seine Interessen mit Waffengewalt durchsetzen würde. Als er während eines Telefongesprächs der stellvertretenden Leiterin des Konkursamts drohte, bekam sie es mit der Angst zu tun und erstattete Strafanzeige. 

Die Vorfälle nehmen zu

Franz Mauser ist kein Einzelfall. Auseinandersetzungen mit reichsbürgerähnlichen Querulanten nehmen nicht nur in Deutschland zu, sondern auch in der Schweiz, wie eine Recherche dieser Zeitung offenlegte. «Mit Militär zu drohen, ist genau der Stil, den wir auch kennen», sagt Yves De Mestral, Präsident der Konferenz der Stadtammänner und Stadtamtsfrauen in Zürich sowie Chef des Stadtammannamts und Betreibungsamts Zürich 3.

«Es ist kein Massenphänomen, aber sehr mühsam für unsere Mitarbeitenden.»

Yves De Mestral, Präsident der Zürcher Konferenz der Stadtammänner

Seit Corona hätten diese Vorfälle zugenommen. Wenn Staatsleugner und Querulanten Besuch von Beamten bekommen, filmen sie diese mit ihren Smartphones und laden alles sofort ins Internet. «Es ist kein Massenphänomen, aber sehr mühsam für unsere Mitarbeitenden», sagt De Mestral. 

Im Fall Mauser ersuchten die Bündner Strafverfolgungsbehörden ihre baden-württembergischen Kollegen um internationale Rechtshilfe und Beschlagnahmung des Dienstwagens, für den seit einem halben Jahr kein Versicherungsschutz mehr bestand.

Aus taktischen Gründen entschied sich die Polizei im Mai 2019 für eine gezielte Verkehrskontrolle im Landkreis Sigmaringen. Doch der Reichsbürger soll dabei jegliche Zuständigkeit der Polizei abgelehnt und sich auf seinen «Diplomatenstatus» berufen haben, der ihn vor Strafverfolgung schütze, wie die Polizei mitteilte.

Als ein Polizeibeamter versuchte, den Zündschlüssel abzuziehen, soll der damals 59-Jährige aufs Gas gedrückt haben. «Der Polizist konnte sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen», teilte später die Polizei mit. Bei der darauffolgenden Verfolgungsjagd umfuhr Mauser eine Polizeisperre, indem er mit seinem Auto auf einen Gehweg auswich. Kurz darauf gelang es einem Streifenwagen, auf gleiche Höhe aufzuschliessen. Dabei lenkte der Reichsbürger ruckartig nach links und rammte den Streifenwagen. Am Ende konnte die Polizei den Mann trotz Widerstand festnehmen.

Noch am Tag der Verfolgungsjagd durchsuchten deutsche Spezialkräfte auf richterliche Anweisung das Anwesen von Mauser und seine Geschäftsräume nahe dem Bodensee nach Waffen, Sprengstoff und anderen gefährlichen Stoffen. Sie wurden aber nicht fündig.

Die Flucht nach Ungarn

Trotz seiner staatsfeindlichen Überzeugungen, der Drohungen mit Waffengewalt und der Erpressungsversuche wurde Mauser noch am selben Tag freigelassen. Laut seiner eigenen Darstellung auf Telegram, weil das Office of International Treasury Control (OITC) aus Fernost bei der Polizei angerufen und seinen internationalen Diplomatenstatus bestätigt habe. Das OITC behauptet wahrheitswidrig, mit den Vereinten Nationen und der US-amerikanischen Zentralbank verbunden zu sein.

Dennoch erhob die Staatsanwaltschaft Ravensburg Anklage gegen Mauser wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, gefährlichen Eingriffs in den Strassenverkehr, versuchter Erpressung sowie Missbrauchs von Titeln. Seine Freiheit nutzte Mauser, um nach Ungarn zu fliehen. Er fürchtete, von den Behörden in eine psychiatrische Klinik und ins Gefängnis gesteckt zu werden. 

In Budapest schrieb Mauser mehrere wirre «Erklärungen unter Eid», eine angeblich auf Wunsch der russischen Militärstaatsanwaltschaft. Diese habe laut seiner Darstellung beim Gericht, vor dem er sich verantworten hätte sollen, für ihn interveniert, weshalb das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt worden sei. «Deshalb habe ich mich nicht mehr um das Verfahren gekümmert», schrieb Mauser.

Zwei Jahre lang geht sein Plan auf, sich der Verantwortung für die begangenen Straftaten zu entziehen – auch dank der sich in die Länge ziehenden Untersuchungen der Justiz. Doch nach einem europäischen Haftbefehl wird er von einem ungarischen Spezialeinsatzkommando verhaftet.

Zwei Monate sass der Reichsbürger in ungarischen Gefängnissen, was er später als schlimmste Zeit seines Lebens beschrieb. Die Bettwäsche und Matratze seien siffig und dreckig gewesen. Ungeziefer habe ihn so zerstochen, dass er Schwellungen davongetragen habe. «69 Tage musste ich in derselben Kleidung verbringen», sagte Mauser in einem Onlinemonolog auf Telegram. Eine Gesprächsanfrage liess er unbeantwortet.

Seine Auslieferung im Februar 2022 nach Deutschland in ein Frankfurter Gefängnis erlebte er als grosse Erleichterung: «Das war fast ein Kulturschock, endlich mal was Sauberes zu haben.» Die letzten Tage vor dem Prozess habe er das Essen im Gefängnis nicht mehr zu sich genommen – aus Angst, es sei mit Psychopharmaka versetzt.

Plötzlich entschuldigt er sich

Bei der Verhandlung im Mai 2022 gab sich der 62-Jährige reumütig und entschuldigte sich bei der Behördenleiterin des Bündner Konkursamts, die er mit Militär und Waffengewalt bedroht und erpresst hatte. Am Ende erhielt er wegen versuchter Erpressung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Missbrauchs von Amtstiteln, wegen gefährlichen vorsätzlichen Eingriffs in den Strassenverkehr, Sachbeschädigung und fahrlässiger Körperverletzung eine inzwischen rechtskräftige bedingte Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten – ausgesetzt für drei Jahre zur Bewährung.

Schon kurz nach seiner Verurteilung erklärt Mauser in mehreren langen Audiomonologen auf Telegram mit zum Teil mehr als 40’000 Zugriffen, wie er den Prozess erlebte: «Ich wusste genau, wenn ich anfange zu diskutieren und mit meinem Kommerz-Zeug (gemeint ist wohl seine Reichsbürger-Gesinnung, Anm.) anfange, dann bin ich verloren.»

Nebenbei erwähnte er, dass es manchmal besser sei, sich taktisch klug zu verhalten, anstatt den Sturkopf zu spielen. Die Verlesung der Anklageschrift vor Gericht mit den detaillierten Vorwürfen bezeichnete er in seinem Onlinemonolog als «Blödsinn», die Zeugenaussagen der Polizisten als «Lügengebilde».

Ausserdem verstieg sich Mauser zu der für Reichsbürger typischen Behauptung, der Prozess sei nicht rechtmässig geführt worden. Nach seiner Verurteilung kündigte Mauser an, er wolle mit seiner Verlobten wieder in jenes Land zügeln, in dessen Gefängnissen er laut eigenen Angaben die schlimmste Zeit seines Lebens erlebt hatte: nach Ungarn.


Die Reichsbürger

Sie widersetzen sich gezielt Gesetzen und Behörden, manchmal auch mit Drohungen und roher Gewalt. Rund 20’000 Reichsbürger und sogenannte Selbstverwalter gibt es laut Bundesamt für Verfassungsschutz in Deutschland. Wie viele Staatsleugner es in der Schweiz sind, will der Nachrichtendienst des Bundes nicht nennen. Reichsbürger und Staatsleugner hängen laut deutschem Verfassungsschutz Verschwörungstheorien an, betrachten die demokratisch gewählten Politiker als illegitim und definieren sich ausserhalb der Rechtsordnung stehend. (rla)