Das Konzert hatte die rechtsextreme Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) schon vor zwei Wochen auf ihrer Website angekündigt. Unter anderen sollten die italienische Band Bronson und der deutsche Rapper Makss Damage auftreten. Beide sind für ihre rassistischen Lieder bekannt. Als Veranstaltungsort des Konzerts wurde «Schweiz» angegeben. Interessierte könnten die genaue Örtlichkeit am Veranstaltungstag per SMS erfahren, stand unterhalb eines mit Stacheldraht verzierten Plakats.
Tatsächlich entwickelte sich ab Samstagnachmittag zwischen der Pnos und der Polizei schweizweit ein Katz- und – Maus-Spiel. Im Oberwallis verstärkten die Ordnungshüter die Patrouillen. Aus der Bevölkerung waren Hinweise eingegangen, Makss Damage sei beim Betreten einer rechtsradikalen Beiz gesehen worden. Die Walliser wollten eine Wiederholung der Ereignisse im Toggenburg vom vergangenen Herbst vermeiden. Damals versammelten sich 5000 Neonazis in der kleinen Gemeinde Unterwasser SG. Die meisten von ihnen waren aus Deutschland angereist.
Wenig später startete die Aargauer Kantonspolizei einen noch grösseren Einsatz. Eine Mannschaft rückte nach Sins aus, um dort ein Lokal zu kontrollieren. Eine zweite errichtete bei Rothrist eine Strassensperre und begann, Autofahrer zu kontrollieren. Kurz nach 16 Uhr fingen sie 60 rechtsradikale Konzertbesucher ab. So viele, dass per Helikopter aus nahegelegenen Posten Verstärkung eingeflogen werden musste.
Geburtstagsfeier angemeldet
Die Pnos reagierte. Um 18.30 Uhr buchte sie in Willisau im Kanton Luzern einen neuen Veranstaltungsraum: das Sportrock Café. Und kurz nach 20 Uhr verschickten die Konzertorganisatoren folgende SMS: «Polizeikontrollen in Rothrist, neuer Treffpunkt Willisau». Diese Mitteilung löste den nächsten Grosseinsatz aus. Die Luzerner Polizei postierte mehrere Beamte vor dem Willisauer Lokal. Als sie italienische Songtexte zu hören glaubten, betraten sie das Lokal. «Die Konzertorganisatoren kooperierten», sagt der Luzerner Polizeisprecher Kurt Graf, «wir sahen keinen Grund, das Konzert mit 100 bis 150 Besuchern abzubrechen.» Einzig der Organisator wurde angezeigt. Er hatte angegeben, es handle sich bei der Party um eine Geburtstagsfeier und nicht um ein Konzert, bei dem Getränke und Tickets verkauft würden. Vor dem Konzert hielt die Luzerner Polizei zudem einen Deutschen an, gegen den eine Einreisesperre bestand. Der Mann wurde unter Polizeiaufsicht zur Ausreise an die Grenze begleitet.
Kurz: Die Polizeien in den Kantonen Wallis, Aargau und Luzern veranstalteten einen sehr grossen Aufwand mit wenig Ertrag. Allein der Helikoptereinsatz im Aargau kostete mehrere Zehntausend Franken.
Das wirft die Frage nach Alternativen im Umgang mit solchen Veranstaltungen auf. Die St. Galler Polizei hatte schon unter der Woche reagiert und ein Konzert im ganzen Kanton verboten. Sie bezog sich dabei nicht auf die Rassismusstrafnorm, sondern brachte Sicherheitsbedenken vor. Es gebe Hinweise, dass politische Gegner versuchen würden, das Konzert zu stören. Doch hier könnte es zu einem Nachspiel kommen. Die Pnos hat angekündigt, gegen den Kanton zu klagen. Auch Reto Müller, Professor für öffentliches Recht an der Universität Basel, zweifelte im «St. Galler Tagblatt» die Argumentation der Polizei an. «Ich frage mich, ob diese Massnahme verhältnismässig ist, weil sie sämtliche Versammlungen der Pnos im ganzen Kanton für diese Zeit betrifft.» Statt der Polizei hätte die Kantonsregierung diesen Entscheid treffen müssen.
Motion im Nationalrat hängig
Benjamin Schindler, Professor an der Uni St. Gallen, sieht Verbote generell kritisch: «Sie sind schwere Eingriffe in die Versammlungsfreiheit, welche in Artikel 22 der Bundesverfassung garantiert ist.» Derzeit gebe es für die Polizei wenig rechtlichen Spielraum, auf privatem Grund Verbote auszusprechen. In anderen Worten: Die Polizei muss das Katzund-Maus-Spiel der Pnos mitspielen.
Einen möglichen Ausweg sieht Schindler trotzdem, zumindest im Umgang mit ausländischen Rassisten. Bis 1998 galt für Redner aus dem Ausland eine Bewilligungspflicht – auch bei Anlässen auf privatem Grund. Ein solches Gesetz hätte gereicht, um einen Auftritt von Makss Damage schweizweit zu verbieten. Und es ist denkbar, dass ein solches Gesetz bald wieder angewendet wird: Eine entsprechende Motion, unterschrieben von mehreren bürgerlichen Politikern, ist seit letztem Oktober im Nationalrat hängig.