Politik und Musik gegen Rechtsextremismus
Eine nationale Grosskundgebung in Bern ist geplantBern/St. Gallen/Luzern – Politiker und Künstler in der ganzen Schweiz reagieren aufdie die jüngsten Zwischenfälle mit rechtsextremen Skinheads. So soll am 16.September auf dem Bundesplatz in Bern eine nationale Grosskundgebung gegenRassismus und Rechtsextremismus stattfinden. Für einen Auftritt angefragt werdenunter anderem die Rockmusiker Tina Turner und Phil Collins, die beide in derSchweiz wohnen. Daneben sollen weitere Bands und Redner auftreten. Auch einBundesrat soll sprechen.Organisiert wird der Anlass von Sidney Weill von der Vereinigung Open Hearts, dieschon die Festivals «Rock gegen Hass» oder die Auftritte von DJ Bobo auf demBalkan durchgeführt hat. Weill bot seine Mithilfe an, nachdem er von entsprechendenPlänen der Grünen Partei gehört hatte. Der Anlass, so der unabhängige Nationalratund Open-Hearts-Präsident Roland Wiederkehr, soll ein «Zeichen für Toleranz»setzen. Unterstützt wird die Kundgebung von Bundespräsident Adolf Ogi. DieBewilligung liegt bereits vor. Allerdings prüfen die Organisatoren eine Verschiebungum einen Tag, weil am 16. September auch in Luzern eine Demo gegenRechtsextremismus stattfindet. Knackpunkt: Am 17. September ist EidgenössischerBuss- und Bettag.Auch auf politischer Ebene haben die Aufmärsche der Skins zahlreiche Reaktionenausgelöst. Der Ausschuss der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus(EKR) hat ein Paket verabschiedet, das kommende Woche dem Plenum vorgelegtwird. Darin wird zum Beispiel die Einrichtung einer Ombudsstelle fürRassismusopfer und die Schaffung mobiler Kriseninterventionsteamsvorgeschlagen. Die EKR erhofft sich zudem vom Bundesrat rund 800 000 Franken füreine nationale Präventionskampagne gegen den Rechtsextremismus.Rechtsextreme Tendenzen sollen nicht verharmlost werdenMehrere Vorstösse, um die Mittel der EKR (150 000 Franken jährlich) zu erhöhen,wurden in der Vergangenheit abgelehnt. Doch jetzt ist EKR-Vizepräsidentin CécileBühlmann optimistisch. «Wir müssen die Gunst der Stunde nutzen.» Bühlmannglaubt, dass die Auftritte der Neonazis in der Bevölkerung einen Stimmungswandelbewirkt haben. «Erstmals nach einer «Arena» zu einem solchen Thema», so diegrüne Luzerner Nationalrätin, «wurde ich letzte Woche nicht mehr anonymbeschimpft.»In St. Gallen wurden nach der Attacke von Skinheads auf ein Lokal von Afrikanernvom letzten Wochenende gleich sechs Vorstösse eingereicht. Thema ist unteranderem die Rolle der Polizei bei der Schlägerei. Polizeikommandant Pius Valierhatte stets von einer «zufällig entstandenen Schlägerei» gesprochen.SP-Gemeinderat Beat Schläfli will nun vom Stadtrat wissen, wie diese Aussagen zuinterpretieren seien. Solche Entwicklungen seien im letzten Jahrhundert schoneinmal mit fatalen Folgen «verharmlost und verdrängt» worden.Auch EVP-Vertreter Walo Möri fragt, wie das Vertrauen der Ausländer in die Polizeigestärkt werden könne. Ein Rezept dafür liefert Max Lemmenmeier (SP). Er fordert,Schwarze oder Asiaten in das Polizeikorps zu integrieren. Die Grünen undUnabhängigen verlangen eine kantonale Informationskampagne. Zudem schlagensie einen offiziellen Aufruf vor gegen die Vermietung von Lokalen an rechtsextremeGruppierungen.Im Kanton Luzern will die Regierung nächste Woche ein Strategiepapier zurBekämpfung des Rechtsextremismus verabschieden. Vorgesehen ist unteranderem, die Präventionsmassnahmen an den Schulen zu verstärken. Bereitseingerichtet wurde eine improvisierte Anlaufstelle für betroffene Gemeinden.Angeregt wird zudem, das Antirassismusgesetz auf das Tragen vonnationalsozialistischen Emblemen oder auf Gebärden auszudehnen. Künftig möchtedie Regierung auch jene Personen belangen können, die ihre Räume anRechtsextreme vermieten. Abgeklärt werden soll deshalb, ob man solchenVermietern die Kosten überwälzen könnte, die bei einem Polizeieinsatz entstehen.Andreas Kneubühler/Christoph Lauener