NZZ Online: Weil sie ein Neonazi-Konzert nicht verhindern konnte, steht die St. Galler Polizei in der Kritik. Am Samstag demonstrierte sie mit einem Grossaufgebot Aktivismus. Derweil wird der Ruf nach höheren Strafen laut.
Es war kurz vor dem Eindunkeln, als Dominic Lüthard am Samstagabend im St. Gallischen Kaltbrunn vor die Medien trat. Der Präsident der rechtsextremen «Partei national orientierter Schweizer» (Pnos) blickte in die diversen Fernsehkameras und stellte sich den Fragen der zahlreichen Journalisten, die sich vor dem Landgasthof Löwen versammelt hatten.
Der Grund für das grosse Medieninteresse: Nur eine Woche nach dem Neonazi-Konzert im Toggenburg stand hier in Kaltbrunn ein weiterer Auftritt eines umstrittenen rechtsextremen Musikers auf dem Programm. Der Sänger der Band «Flak», in Deutschland in einen Neonazi-Prozess verwickelt, wurde von der Pnos zu einem «Balladen-Abend» eingeladen. Damit wollte die Partei die Gründung von fünf Ostschweizer Sektionen feiern. Der Veranstaltungsort war erst im Verlauf des Tages durchgesickert.
Umstrittener Sicherheitsdienst «Ahnensturm»
Dies sei ein Privatanlass und kein Konzert mit 5000 Personen, sagte Lüthard in Anspielung auf das Rockkonzert in Unterwasser. Polizei und Journalisten müssten draussen bleiben. Dafür, dass das auch so blieb, hatte die Pnos mit ihrem parteieigenen Sicherheitsdienst vorgesorgt. Er nennt sich «Ahnensturm» und zählt 25 Mitglieder. Vier bullige Männer mit kahlrasierten Köpfen, Bomberjacken und Schweizerkreuzen auf der Brust versperren den Weg zum Partylokal hinter dem Gasthaus.
Den «Ahnensturm» habe man aufgeboten, um die Parteimitglieder zu schützen – «zum Beispiel vor Linksradikalen oder aufdringlichen Journalisten». Ob er sich denn nicht von der Polizei geschützt fühle? Diese war in Kaltbrunn mit einem Grossaufgebot vor Ort. «Doch», sagte Lüthard, «aber mit unserem Sicherheitsdienst sind wir auf gleicher Wellenlänge.» Es handle sich aber nicht um eine paramilitärische Einheit; «Kriegerlis» zu spielen, läge ihnen fern.
Die Pnos zählt laut eigenen Angaben rund 400 Mitglieder. In den Ostschweizer Sektionen sind rund 60 Personen aktiv. Zum Rechtsrock-Konzert von vergangener Woche sagte Lüthard lediglich, die dort vertretene Ideologie passe anscheinend nicht jedem. Die Nähe seiner Partei zu rechtsextremem Gedankengut sei «von den Medien aufgebauscht» worden.
Demonstranten eingekesselt
Zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremen ist es jedoch nicht gekommen. Die Kantonspolizei St. Gallen hatte laut Mitteilung vorab Auflagen für die Durchführung des Anlasses gemacht. Da diese eingehalten worden seien, habe es keine Gründe für ein Verbot der Veranstaltung gegeben. In Zusammenhang mit dem Pnos-Anlass riefen jedoch verschiedene Gruppierungen per SMS zu einer unbewilligten Kundgebung in Rapperswil auf, so auch die Antifa. Gekommen sind rund 70 Personen.
Es dürfe nicht sein, dass Neonazis aus dieser Region ein Konzert veranstalten könnten, schrie ein Demonstrant in ein Megafon. Die Kantonspolizei war mit einem Grossaufgebot präsent und riegelte den Bahnhofplatz in Rapperswil ab. Nach der massiven Kritik von letzter Woche wollte sie am Samstag nichts falsch machen und setzte sogar einen Helikopter ein. Nach 40 Minuten war der Spuk vorbei. Die Demonstranten reisten mit dem Zug zurück nach Zürich.
Die Juso St. Gallen kritisierte am gleichen Tag, die rechtsextreme Szene habe sich erneut im Kanton ungestört versammeln können, um ihr Gedankengut zu verbreiten. Die Polizei mache mit ihrem passiven Verhalten Rechtsextremismus salonfähig. Der verbale Angriff zielte auch auf den St. Galler Justizdirektor Fredy Fässler (sp.). Dieser solle gegen Rechtsextremismus eine Nulltoleranzpolitik durchsetzen. Die Juso fordert deshalb, dass gegen die Verantwortlichen des Neonazi-Konzerts in Unterwasser ermittelt werde – und zwar «mit aller Härte».
Fässler wiederum räumte gegenüber Radio SRF ein, die Polizei sei vom Grossaufmarsch letzter Woche von Neonazis aus ganz Europa überrumpelt worden. Hätte man früher vom geplanten Rechtsrock-Konzert gewusst, «hätten wir das Toggenburg abriegeln können». Nun wolle man die Lehren aus dem Geschehenen ziehen.
Aufruf zur Gewalt
Über den Anlass geärgert hat sich auch Bundesrat Guy Parmelin. In einem Interview mit der «Zentralschweiz am Sonntag» sagte er, die Schweiz sei zwar kein Paradies für Rechtsradikale, «aber wir müssen dafür sorgen, dass sie es auch nicht wird». Die Aargauer FDP-Nationalrätin Corina Eichenberger verlangt höhere Strafen, wie sie gegenüber dem «Sonntagsblick» sagte. Gewisse Aufnahmen der in Unterwasser gespielten Lieder implizierten einen indirekten Aufruf zur Gewalt.