zentral+: Auf den kommenden Samstag mobilisieren Rechtsextreme für einen «Gedenkmarsch» zum Sempacher Schlachtfeld. Die Behörden sehen keinen Anlass für Interventionen, weil unklar ist, inwiefern der Anlass öffentlich oder privat ist. Bei der «musikalischen Unterhaltung» könnten jedoch zwiespältige Bands auftreten. Kommt es zu rechtsextremen Parolen?
Die Einladung kursiert seit einiger Zeit unter Rechtsextremen, nicht nur in der Schweiz: «Schlachtfeier Sempach. Samstag, 11. Juli 2015. Am frühen Abend Gedenkmarsch mit Rednerbeiträgen, anschliessend musikalischer Unterhaltung. Weitere Infos folgen …» Im Klartext: Rechtsextreme wollen am kommenden Samstag in Sempach zum Schlachtfeld laufen. Wie im vergangenen Jahr.
Damals trafen sie sich am «Parkplatz am See von Sempach» und liefen «mit zahlreichen Fahnen und einem wunderschönen Kranz» zum Schlachtfeld. Dies berichtete anschliessend die Partei National Orientierter Schweizer PNOS und die «Nationale Aktionsfront» NAF. Ein Foto dokumentiert: Knapp fünfzig Leute waren anwesend, fast ausschliesslich junge Männer. Sie hörten beim Winkelriedstein ein «Schwyzerörgeli»-Trio, und dann zwei Reden, darunter jene des PNOS-Vizepräsidenten Adrian Segessenmann. Er soll pathetisch geendet haben: Ein Volk ohne Geschichte sei «ein totes Volk – Geschichte schafft Identität!»
Wie definiert sich «privater Rahmen»?
Bereits vor einem Jahr kündigten PNOS und NAF an: «Auch im nächsten Jahr werden wir den gefallenen Helden von Sempach gedenken.» Das kantonale Reglement «über die Benützung des Schlachtfeldes von Sempach» sieht eine «Bewilligungspflicht» vor, allerdings nur für «öffentliche Veranstaltungen.» Gesuche müssen spätestens 30 Tage vorher eingereicht werden. Der Kanton hat aber «kein Gesuch» erhalten, erklärt eine Sprecherin des zuständigen Finanzdepartements auf Anfrage. Gestützt auf die Infos, die dem Departement vorliegen, geht die Behörde davon aus, dass der Anlass nicht «öffentlich» sei. Eine Einschätzung, die zu einer widersprüchlichen Situationen führen könnte: Bei einem Strafverfahren wegen Widerhandlung gegen die Rassismus-Strafnorm hat das Bundesgericht bereits vor elf Jahren entschieden, dass alle Äusserungen «öffentlich» seien, die «nicht im privaten Rahmen erfolgen» würden.
Als privat seien «Äusserungen anzusehen, die im Familien- und Freundeskreis oder sonst in einem durch persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld erfolgen» würden. Als öffentlich erkannte das oberste Schweizer Gericht, daher einen Vortrag, der im Rahmen einer geschlossenen rechtsextremen Veranstaltung in einer Waldhütte gehalten wurde, an welcher 40 bis 50 geladene Skinheads teilnahmen, die verschiedenen rechtsextremistischen Gruppierungen angehörten. Unter den Beteiligten damals übrigens auch Adrian Segessenmann, der Redner des letztjährigen Anlasses auf dem Schlachtfeld.
Fragwürdige musikalische Unterhaltung
Die Luzerner Polizei hat Kenntnis von der geplanten Veranstaltung, wie der Mediensprecher Simon Kopp auf Anfrage erklärt. Weder Kopp noch die Sprecherin des Finanzdepartements wollen sich dazu äussern, ob ein Marsch zum Schlachtfeld – auf Trottoir und Radweg – nicht doch eine bewilligungspflichtige «Demonstration» sei, immerhin ist das Kriterium des «gesteigerten Gemeingebrauches» erfüllt.
Unklar ist auch, an welche «musikalische Unterhaltung» die rechtsextremen Organisatoren denken. Handelt es sich um ein Kurzkonzert auf dem Schlachtfeld oder um ein Konzert einer rechtsextremen Band, irgendwo in der Region Sempach? Klar ist: Die lokale Gruppe «Kameradschaft Morgenstern», die bereits 1993 gegründet wurde, ist weiterhin aktiv, auch als Konzertveranstalter.
Erst vor wenigen Wochen, genau am letzten Aprilsamstag 2015, spielte die deutsche Neonazi-Band «Kommando 192» in der Festhalle Ruswil (siehe Foto), hinter sich das «Morgenstern»-Banner. Die Band aus Baden-Württemberg besteht seit rund 2 Jahren und hat eben einen «Demo»-Tonträger veröffentlicht, darunter auch ein Lied «Islam» und dem Refrain «Keine Moscheen in diesem Land. Der Muezzin wird verbannt!».