Willisauer Bote vom 10.12.2011
Reiden. Hakenkreuze auf dem Schulhausplatz, in Nacht und Nebel aufgestellte Plakate und ein Flugblatt aus dem rechten Lager: Diese drei Aktionen scheinen ihren Ursprung in einem Fall zu haben, der das ganze Dorf seit drei Wochen in Atem hält: Sechs Jugendliche sollen ein minderjähriges Mädchen sexuell missbraucht haben (der WB berichtete). Vier Jugendliche wurden Ende November in Untersuchungshaft genommen. Zwei weitere zur Befragung vorläufig festgenommen.
Jugendliche aus der U-Haft entlassen
Die Jugendlichen sind aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Dies teilte die Luzerner Strafuntersuchungsbehörde auf Anfrage des WB mit. «Es ist kein Haftgrund mehr vorhanden, da keine Verdunklungsgefahr besteht», sagt Mediensprecher Urs Wigger. Weiterhin fortgesetzt würden hingegen die Befragungen der Direktbeteiligten und deren Umfeldes. Die Ermittlungen der Polizei bestätigen grösstenteils die ersten Aussagen des allfälligen Opfers. Nähere Infos gibt es weiterhin nicht. «Zum Schutz aller Beteiligten gibt die Polizei bis zum Abschluss der Untersuchungen keine weiteren Auskünfte.»
Flugblatt im Briefkasten, Banner am Strassenrand
Die verdächtigen Jugendlichen kommen aus Bosnien-Herzegowina, Serbien-Montenegro (2) und dem Kosovo (3). Die Nationalitäten-Frage heizt die Stimmung im Dorf zusätzlich auf. In vielen Reider Haushalten landete in den letzten Tagen ein Flugblatt mit der Aufforderung: «Nehmen wir Eidgenossen das Recht in die eigenen Hände und kämpfen gegen die masslose Einwanderung von kulturellen Immigranten. Leistet Widerstand!» Absender ist gemäss Flugblatt die «Kameradschaft Innerschweiz» mit Postfach in Sempach. Über die «Kameradschaft Innerschweiz» ist bis anhin nur wenig bekannt, ausser dass ihre Mitglieder im Juni 2008 anlässlich der Sempacher Schlachtfeier im Pulk der 241 Rechtsextremisten mitliefen. «Ob die Kameradschaft Innerschweiz auch wirklich hinter dem Schreiben steht, können wir nicht eruieren», sagt Urs Wigger, Mediensprecher der Luzerner Polizei. So oder so. Anonym blieben die Verursacher zweier anderer Aktionen. Beim Schulhaus Pestalozzi sprayten Unbekannte Hakenkreuze auf den Pausenplatz. Und in einer Nacht- und Nebelaktion stellten Unbekannte in Mehlsecken, Langnau und Reiden vom 28. auf den 29. November je ein Leintuch auf. Ihre Botschaften: «Wollt ihr noch mehr kriminelle Ausländer?», «Reiden bald Asylzentrum Nr. 1? Wir sagen Nein!» und «Habt ihr keine Angst um eure Kinder?» Diese Banner waren bereits in den frühen Morgenstunden wieder entfernt.
Ein rufschädigendes Ärgernis
«Die Polizei mahnt vor solchen Aktivitäten. In jedem Fall gilt für Verdächtigte bis zum Richterspruch die Unschuldsvermutung», sagt Urs Wigger. «Von einem grossen Ärgernis» spricht der zuständige Gemeinderat Hubert Käch. «Ich kann nur den Kopf schütteln. Es ist in höchstem Mass verwerflich, dass Leute aus einem solchen Fall politisches Kapital schlagen wollen.» Solche Aktionen seien für die Gemeinde rufschädigend, würden nichts zur Klärung der Situation beitragen. Er rief an der Gemeindeversammlung vom letzten Montag die Bevölkerung auf, allfällige Schmierereien zu melden.