Gegen 100 Personen waren am Wochenende an Schlägereien im Aargau beteiligt – darunter viele Rechtsextreme. Dennoch sieht die Kantonspolizei «kein Rechtsextremismus-Problem».
Von Thomas Knellwolf, Aarau
Ein gebrochenes Nasenbein, zahlreiche Prellungen, ein Augenhöhlenboden-Bruch, Platz- und Schürfwunden: Das sind Folgen von sechs Schlägereien im Aargau. Alle fanden in der Nacht vom Freitag auf den Samstag statt. Schlimm traf es dabei eine 16-Jährige, die in Baden Streit schlichten wollte: Bei ihr diagnostizierte das Spital eine Hirnerschütterung und einen Handgelenkbruch.
An vier Orten trafen in dieser Nacht der Gewalt rechtsextreme Jugendliche auf linksextreme sowie auf mehrheitlich ausländische Gleichaltrige. Neben den Fäusten setzten sie zum Teil auch Baseballschläger und Eisenstangen ein. Vier Beteiligte wurden vorübergehend verhaftet.
Im Regionalzug eskalierte der Streit
Zwischen den einzelnen Massenschlägereien besteht laut Polizeisprecher Jörg Kyburz kein Zusammenhang. In Brugg hatte die Polizei um 21.45 Uhr eine Auseinandersetzung zwischen 10 Rechtsradikalen und 20 Personen mehrheitlich albanischer Herkunft fürs Erste geschlichtet. Die Rechtsextremen mobilisierten darauf aber weitere Gesinnungsgenossen. Eine gute Stunde später gingen die beiden Gruppen erneut aufeinander los. Ein 21-jähriger Rechtsextremer erlitt einen Nasenbein- und einen Augenhöhlenboden-Bruch.
Ähnliches geschah fast gleichzeitig in Unterentfelden: Auch dort schien die Situation zwischen rund 30 Personen – je zur Hälfte Rechtsextreme und Ausländer – entschärft. Doch im Regionalzug und später in Muhen eskalierte der Streit. Gleichzeitig prügelten sich auf dem Regierungsplatz in Aarau Links- und Rechtsextreme. Und kurz vor Mitternacht kam es vor dem Stadtturm in Baden zu einer Massenschlägerei zwischen Schweizer Jugendlichen und Ausländern mit 20 Beteiligten.
Die Streitereien sind gemäss Polizeisprecher Kyburz jeweils so entstanden: «Die Rechtsextremen gingen in Gruppen aus, tranken zu viel, trafen auf Gruppen mit anderer Gesinnung. Und schon gingen sie aufeinander los.» Die Schläger stammten überall aus den jeweiligen Regionen und waren der Polizei zum grössten Teil bereits bekannt.
Ein Hort von Rechtsextremen?
Ist der Aargau ein Hort von Rechtsextremen? Polizeisprecher Kyburz sagt, es käme im Aargau «ab und zu, aber nicht regelmässig» zu rechtsextremen Gewalttaten. «Wir wollen nichts negieren oder gar tolerieren. Aber der Aargau hat kein latentes Rechtsextremismus-Problem.». Dem widerspricht Hans Stutz, Journalist und Beobachter der Szene: «Der Aargau hat wie andere Kantone sehr wohl ein latentes Rechtsextremismus-Problem.» Stutz verweist auf Zahlen, welche die Aargauer Polizei genau vor einem Jahr präsentierte: Ihr waren in den Vorjahren 500 Personen in der rechtsextremen Szene aufgefallen.