Rechtsextreme im Oberland
Rechtsextremismus-Spezialist Hans Stutz über die Situation im Oberland – fünf Jahre nach dem Bödeli-Mord
In den letzten beiden Jahren wurden auf dem Bödeli nur wenige rechtsextremistische Aktivitäten publik. Dennoch: Die rechtsextremen Organisationen PNOS und «Bund Oberland» sind aktiv, allerdings versteckt.
Hans Stutz
Der Mord an Marcel von Allmen im Januar 2001 war für den Genfer Filmemacher Daniel Schweizer Ausgangspunkt für seinen Film «White Terror». In der Einstiegssequenz geht er den Orten nach, an denen die Mitglieder des «Ordens der arischen Ritters» ihren «Kameraden» umbrachten und in den See warfen. Die vier Täter waren mit der Rechtsextremistenszene zwar nicht vernetzt, doch die Tatsache, dass sie Propagandamaterial des internationalen Naziskin-Netzwerkes «Blood and Honour» bestellt hatten, ist für Schweizer Ausgangspunkt zu seinen Nachforschungen über internationale rechtsextremistische Netzwerke.
PNOS und «Bund Oberland»
Wie aber ist die aktuelle Situation zwischen Interlaken und Thun? Klar ist: Rechtsextremistische Aktivitäten wurden in den vergangenen beiden Jahren nur gelegentlich publik. Ende Juli vergangenen Jahres beispielsweise hat ein damals 26-jähriger Oberländer Rechtsextremist in Thun auf einen politischen Gegner geschossen. In der ersten Jahreshälfte 2005 wurden in Spiez und Umgebung mehrfach rechtsextremistische, beziehungsweise antisemitische Flugblätter verbreitet. Und im vergangenen Herbst hat die Polizei in der Region zweimal wegen der Verteilung einer rechtsextremistischen «Schulhof»-CD interveniert, in einem Fall hat sie – gemäss dem Berner Regierungsrat – «bei einem bekannten Rechtsradikalen in Unterseen» insgesamt neun Stück des Tonträgers beschlagnahmt. Diese Ermittlungen sind «noch nicht abgeschlossen», wie Polizeisprecher Jürg Mosimann auf Anfrage bestätigt hat.
In der Region Berner Oberland sind aber auch zwei Organisationen aktiv, die Partei National Orientierter Schweizer (PNOS) und der «Bund Oberland». Die PNOS tritt zwar vor allem in der Region Langenthal an die politische Öffentlichkeit, doch zwei der fünf Mitglieder des «PNOS-Bundesvorstandes» stammen aus der Region Interlaken: Adrian Spring und Michael Haldimann. Ebenfalls in der Region ist der «PNOS-Weltnetzladen» tätig, erreichbar über eine Postfachadresse in Interlaken. Über die gleiche Adresse wird auch die PNOS-Zeitschrift «Zeitgeist» vertrieben, deren Redaktor Michael Haldimann ist.
Versteckter agitiert die zweite rechtsextremistische Organisation, der «Bund Oberland». Dieser verfügte bis Ende 2005 über eine stark ausgebaute Internetpräsenz und verteilte im vergangenen Jahr in der Region mehrere Flugblätter, teils mit rassistischem und antisemitischem Inhalt. Der Bund sammelte Geld für einen bekannten deutschen Holocaust-Leugner, vertrieb auch Holocaust-leugnende Literatur und die «Schulhof-CD», welche im Umfeld der deutschen NPD für den Wahlkampf produziert worden war. Man habe, so liess sich ein «Bund Oberland»-Exponent in einem einschlägigen Forum im vergangenen Jahr vernehmen, rund 500 Exemplare in der Schweiz verteilt. Diese Angaben lassen sich nicht überprüfen, erwiesen ist jedoch, dass der «Bund Oberland» Bestellungen postwendend erledigte.
Die Kantonspolizei Bern ermittelt bereits seit dem vergangenen Herbst gegen den «Bund Oberland». Doch sie ist nicht weit gekommen. Trotz Nachforschungen – auch im Ausland – hätten die Betreiber der «Bund Oberland»-Internetseite nicht eruiert werden können, erklärt Jürg Mosimann auf Anfrage.
Belesene Aktivisten
Aus den vorliegenden Informationen lassen sich jedoch einige genauere Angaben zu zwei männlichen «Bund Oberland»-Aktivisten machen, vor allem, da sie auch dieses Jahr in einschlägigen Foren aktiv waren. Der eine nennt sich «Beoberland18», wobei «18» ein Codeausdruck für «Adolf Hitler» ist. Im August 2005 schrieb «Beoberland18», er habe vor fünf Jahren zuerst die Rekrutenschule bei den Panzerjägern gemacht, dann ein Jahr später die Unteroffiziersschule «in Thun bei den Grenadieren». Später habe er noch die Fourierschule besucht. Der zweite «Bund Oberland»-Exponent nennt sich «Wille», er schrieb 2005, dass er zwanzig Jahre alt sei. «Wille» fällt dadurch auf, dass er in seinen Forumsbeiträgen häufig auf Texte der PNOS-Zeitschrift «Zeitgeist» zurückgreift. Er gehörte – gemäss eigenen Angaben – am vergangenen 1. August zu den Rütli-Demonstranten, war aber enttäuscht, «denn es war vor allem Gesindel und Gesocks. Stiefel, Bomberjacken, Skinheadmarken und andere Accessories» würden nicht an den Nationalfeiertag passen. Der «Bund Oberland» wolle, so steht es auf der aktuellen Internetpräsenz, «keiner subkulturellen Szene zugehörig sein, sondern will mit seiner Agitation eine Volksbewegung ins Leben rufen, die den Fall des gegenwärtigen Systems zum Ziel hat.» Im Vergleich zu pöbelnden Naziskins fallen die «Bund Oberland»-Aktivisten tatsächlich mit einer gewissen Belesenheit auf.