Rechtsextreme für die SD angeworben

NeueZürcherZeitung

Ein früherer Mitarbeiter der Schweizer Demokraten blickt zurück

Wehrli C.

Nach Darstellung eines früheren Mitarbeiters pflegte das Sekretariat der Schweizer Demokraten um 2000 rege Kontakte zu rechtsextremen Kreisen. Der erfolgreichen Mitgliederwerbung stellte sich der Parteipräsident aber entgegen.

C. W. Die Schweizer Demokraten (SD), die frühere Nationale Aktion, verloren bei den Wahlen 2007 ihren letzten Nationalratssitz. Beim Referendum gegen die Fortführung und Erweiterung der Personenfreizügigkeit spielten sie allerdings wieder eine Rolle. Auch daher ist von Interesse, was ein früherer Mitarbeiter über rechtsextreme Kontakte des Parteisekretariats unter Bernhard Hess, dem heutigen Präsidenten und Geschäftsführer, in einem kleinen Buch festgehalten hat.

Kontakte zu Neonazi-Kreisen

Alexander Nyffenegger, 1971 geboren, trat 1998 den Schweizer Demokraten bei und leistete viel freiwillige Arbeit auf dem Parteisekretariat, bis er auf Anfang 2000 angestellt wurde. Die SD hatten in den vorangegangenen Wahlen im Nationalrat nur noch ein Mandat – für Bernhard Hess (Bern) – halten können; sie bekamen die ausländerpolitische Konkurrenz der mit den Vorteilen einer etablierten Partei agierenden SVP hart zu spüren. Daher lag es nach Nyffenegger nahe, (noch) weiter rechts Anhänger zu suchen. Hess pflegte bereits, offenbar auf persönlicher Basis, gewisse Kontakte. Er führte seinen Parteifreund bald in einen einschlägigen «Stammtisch» in Worblaufen ein. Zu den Wortführern gehörten der «Hammerskin» Adrian Segessenmann, der islamistische Holocaust-Leugner Ahmed Huber (er starb im letzten Mai) und Roger Wüthrich, damals Leiter des neonazistischen Zirkels «Avalon». Nyffenegger beschreibt speziell auch seine Teilnahme an einer Sonnenwendfeier der über die Landesgrenzen vernetzten Gemeinschaft «Avalon» im Dezember 1999, die mit Hitlergruss und einem Moment «in Andacht an Führer und Vaterland» schloss.

Skinheads als politisches Potenzial

Solche Kontakte mögen aufschlussreich sein, waren aber für die Partei vorerst nicht direkt von Bedeutung. Wüthrich war indessen als Vortragsredner in Kreisen der Skinheads präsent. Und mit diesen hatten wiederum die Jungen Schweizer Demokraten teilweise enge Verbindungen, die für die Rekrutierung von SD-Mitgliedern benützt wurden. Nyffenegger betrieb namentlich an «Partys» von «Hammerskins» politische Werbung. In der Folge sei «eine bemerkenswerte Zunahme von Neumitgliedern aus dem rechtsradikalen Umfeld verzeichnet» worden. Bestrebungen, mit solchen Kräften einen gesamtschweizerischen Vorstand der Jungen SD zu bilden, stiessen aber auf den Widerstand von Parteipräsident Rudolf Keller, der im Februar 2001 unerwünschte Leute ausschliessen liess. Erzürnt über dieses «Diktat», verliess Nyffenegger die Partei nach seiner Darstellung umgehend. Die Bewerbung um die Stelle des stellvertretenden Geschäftsführers der Auns führte bis zu einem Vorstellungsgespräch beim Präsidenten, Christoph Blocher. Einem kurzen Engagement bei der «Partei national orientierter Schweizer» folgte der definitive Ausstieg.

Bernhard Hess spielte gemäss dieser Schilderung bei der «Öffnung» auf rechtsextreme Kreise eine zwiespältige Rolle. Vom «Stammtisch» zog er sich im Lauf des Jahres 2000 zurück, an der erwähnten «Avalon»-Feier nahm er nur zu Beginn teil. Die Zusammenarbeit mit den «Hammerskins» soll er «mehr als nur gutgeheissen» haben, doch fügte er sich dann Kellers Parteiräson. Hess selber weist Nyffeneggers Aussagen zurück. Es handle sich um die Retourkutsche eines Entlassenen. Zu Ahmed Huber habe er rein zwischenmenschliche Beziehungen gepflegt. Skinheads seien für die politische Arbeit unbrauchbar und bei den SD in keiner Kaderfunktion zu finden. Die Partei habe in jenen Kreisen nie gezielt für sich geworben; allfällige Aktivitäten Nyffeneggers ordnet sein früherer Vorgesetzter dessen Freizeit zu.

Opportunismus und Faszination

Nyffenegger betont, dass es ihm um keine Abrechnung, sondern um die Aufarbeitung jener Lebensphase gehe. Was war seine Motivation gewesen? Er hebt den Opportunismus hervor. Politisch habe er nicht den SD zugeneigt, vielmehr hatte er vorübergehend der SP angehört. Nach Abbruch einer Maturitätsschule einige Jahre im Betriebsdienst des Bundeshauses tätig, habe er einen beruflichen Wechsel gesucht – und den Kontakt zur hübschen Mitarbeiterin der ihm fernstehenden Partei und eines Mannes (Hess), «den ich so gar nicht mochte». Die Parteiarbeit wäre demnach nur Mittel zum persönlichen Zweck gewesen. Nyffenegger gesteht übrigens, dass er, angeblich von Hess auf den Geschmack gebracht, Barspenden an die Partei in seine Tasche gesteckt habe, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren. Ähnlich sei mit Geldern verfahren worden, die für das Sammeln von Unterschriften für Auns- Initiativen eingegangen seien. Hess weist die Anschuldigung klar zurück. Zur utilitaristischen Seite von Nyffeneggers Verhalten gehört schliesslich eine mit 30 000 Franken abgegoltene Scheinehe mit einer ukrainischen Nachtklubtänzerin.

Andere Äusserungen des Autors zeigen hingegen, dass er innerlich nicht unbeteiligt blieb. Er sei, schreibt er, «irgendwie gerührt» gewesen, zum Kreis der Teilnehmer am «Avalon»-Ritual zu gehören. In einer längeren Fassung des Textes heisst es sogar, er habe bei den Skinheads «mit Leidenschaft in die obligaten Sieg-Heil-Rufe» eingestimmt und sich dabei «sauwohl» gefühlt. Dafür scheint gewissermassen eine Disposition bestanden zu haben. Als Elfjähriger war er einer Faszination durch Hitler und Nazi-Manifestationen erlegen, und es blieb ihm ein Antisemitismus, wie er auch seinem Vater anhaftete. Was die Aussicht betrifft, einen «programmatischen Neonazi» nicht nur gewissermassen von aktivem Schaden abzuhalten, sondern radikal zu verändern, kommt er zu einem recht pessimistischen Schluss.

So verworren und auch tragisch diese individuelle Geschichte ist – Nyffenegger beschreibt auch, wie er früher an Panikattacken gelitten hatte -, sie ist als eine mögliche Facette des Extremismus zur Kenntnis zu nehmen.

Alexander Nyffenegger: Die Falle Opportunismus – zwischen Politik und Panik. Books on Demand, Norderstedt 2008. 196 S.