Nach den Massenschlägereien versichert die Aargauer Polizei, sie habe alles unter Kontrolle. Die «Aargauer Zeitung» sieht hingegen rechtsfreie Räume.
Von Thomas Knellwolf, Aarau
Der Aargau hat es satt, als Hort von Rechtsextremen zu gelten. Doch von den 111 Vorfällen auf der Liste «Rechtsextrem motivierte Ereignisse 2005» des Schweizer Inlandgeheimdiensts DAP verzeichnete der Mittellandkanton am meisten, nämlich 19. Zudem sind Exponenten der extremistischen Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) im Aargau überaus aktiv. Und am Wochenende waren an den Massenschlägereien mit linksextremen Kreisen und Ausländergruppen gleich an vier Orten Rechtsextreme beteiligt (TA von gestern).
«Wir wissen, wer die Rechtsextremen in unserem Kanton sind und was sie tun», sagt Rudolf Woodtli, Sprecher der Aargauer Kantonspolizei. Die berüchtigtsten Glatzköpfe bereiteten der Polizei zurzeit keine Probleme und hätten sich an den jüngsten Prügeleien nicht beteiligt. «Wir haben primär ein Problem der fehlenden Grunderziehung und des Anstandes und nicht ein Ausländer- oder ein Links-rechts-Problem», beteuert Daniel Ringier, der Kommandant der Aarauer Stadtpolizei. «Die Ereignisse vom Wochenende zeigen, dass bei einigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Respekt vor dem Gegenüber fehlt.»
Die hohe Zahl rechtsextremer Taten im Aargau in der gesamtschweizerischen Statistik hängt gemäss Woodtli auch damit zusammen, dass die Kantonspolizei Rechtsextreme besonders gut kontrolliere und Vorfälle weitermelde. Nur zum Teil auf die fleissige Aufzeichnungspraxis lassen sich allerdings die rekordhohen 500 registrierten Rechtsextremen (100 als harter Kern, 400 Mitläufer) zurückführen, die Regierungsrat Kurt Wernli vor Jahresfrist offen legte. Er kündigte damals an, die Kantonspolizei werde verstärkt gegen Auftritte von Neonazis und gegen Extremismus vorgehen.
Davon bemerkt Heinz Kaiser, der engste Beobachter der Aargauer Szene, kaum etwas: «Die Polizei nimmt die Situation nach wie vor zu wenig ernst. Sie verfolgt keine Strategie gegen rechts.» Kaiser fordert mehr Kontrollen und mehr staatliche Repression. Die «Aargauer Zeitung» sieht den Kanton bereits als «Prügelplatz der Nation», in dem es «rechtsfreie Räume» gebe. «Ich kann nur staunen, wenn ich diese Worte des Chefredaktors lese», sagt Polizeisprecher Woodtli. «Wir schreiten energisch ein. Gewalt wird nicht toleriert, sondern verfolgt.»
Pronto-Schläger wieder aktiv
Ähnlich klingt es aus dem Baselbiet. Gestern wurde bekannt, dass an einer Schlägerei in der Nacht auf Heiligabend in Liestal mutmasslich einige der Pronto-Täter beteiligt waren. Der brutale Angriff auf eine Coop-Pronto-Filiale beim Liestaler Bahnhof hatte 2004 landesweit für Schlagzeilen gesorgt. Nach den vorweihnachtlichen Gewalttaten auf dem Liestaler Bahnhofplatz sitzen nun vier Schweizer hinter Gitter, die den Strafverfolgern zum Teil aus dem Pronto-Fall bekannt sind.
Für die Freilassung der Verhafteten demonstrierten an Silvester 36 Rechtsextreme. Die Polizeidirektion Baselland hatte bis gestern auf Informationen über die unbewilligte Kundgebung verzichtet, «um diesen Personen nicht das – gewünschte! – Podium in der Öffentlichkeit und den Medien zu bieten».