Das St.Galler Wappen auf einer Strasse in Italien, stolz von Neofaschisten präsentiert: Die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) hat diese Woche auf ihrem Facebook-Kanal das Bild ihrer Vertretung an der jüngsten Demonstration der rechtsextremen italienischen Gruppierung Casa Pound in L’Aquila veröffentlicht. «Avellinocrew L’Aquila 2017» heisst es zum Foto einer zehnköpfigen Gruppe mit den Flaggen von Pnos (Morgenstern auf alteidgenössischem Schweizer Kreuz), Casa Pound (Schildkröte mit achteckigem Panzer) sowie dem St.Galler Kantonswappen mit den gebündelten Ruten. Das Liktorenbündel ist bekanntlich als Symbol unter italienischen Rechtsextremen beliebt, weil sich die Bezeichnung «Faschismus» von den altrömischen fasces und den Kampfbünden der 1920er-Jahre (fasci) ableitet.
Hans Stutz, Journalist und langjähriger Beobachter der rechtsextremen Szene, zeigt das Bild am Dienstag im Palace in St.Gallen an seinem Vortrag über Entwicklungen am rechten Rand. Es belegt die Vernetzung der Casa-Pound-Neofaschisten, die ihr Hauptquartier in einem besetzten Haus in Rom haben, mit rechtsextremistischen Kreisen in Europa und die engen Beziehungen zur Schweizer Pnos. Nicht zum ersten Mal reisten deren Vertreter gen Süden zu den Rechten «fürs dritte Jahrtausend».
Neue Sektionen, aber laut Stutz ist da «nicht viel los»
In welchem Zusammenhang der Auftritt mit dem Kantonswappen erfolgte und ob St.Galler Pnos-Mitglieder daran beteiligt waren, bleibt fraglich. Parteichef Dominic Lüthard meint auf Anfrage lediglich, dass die Pnos jederzeit bestrebt sei, «mit fortschrittlichen Bewegungen wie Casa Pound international zusammen zu arbeiten». Es sei «also nichts Aussergewöhnliches», dass «am Rande einer solchen Demo ein solches Bild entstand».
Die Pnos hat erst vor einem halben Jahr in Kaltbrunn neue Ostschweizer Sektionen gegründet, darunter in den Kantonen St.Gallen und Thurgau. Junge Sektionspräsidentinnen – die nationale Parteisekretärin Tamara Klingler in St.Gallen, Sabrina Lenz seit kurzem im Thurgau – verheissen Strukturen. Und Verlautbarungen auf der Homepage behaupten wachsende Stärke, besonders im «ländlichen konservativen Teil» des Kantons St.Gallen. Laut Lüthard verzeichnen die Sektionen einen «starken Mitgliederanstieg», doch genaue Zahlen kenne er «aus der Ferne» (Bern) nicht. In Zukunft wolle man in den Ostschweizer Kantonen auch an Wahlen teilnehmen.
Die Pnos versuche «den Anschein zu erwecken, dass sie Zulauf hat», sagt Stutz und bestreitet dies: «Momentan ist da nicht viel los.» So hätten längst nicht alle Pnos-Sektionen einen öffentlichen Vorstand. Tatsächlich habe die Naziskin-Subkultur, die seit 1985 die gesellschaftliche Basis für rechtsextreme Aktivitäten war, an Ausstrahlung verloren. «Es gibt kaum noch junge Männer, die diese Szene für attraktiv halten», stellt Stutz fest. Folglich seien einige Gruppierungen und Versandfirmen wie Neue Zeitwende oder Holy War Records verschwunden. Die Ausnahme ist das Tessin: Dort gebe es eine «vielfältige Skinhead-Subkultur» mit Verbindungen zu norditalienischen Hammerskins, aber bislang ohne politischen Arm. Rückläufig sei in der Deutschschweiz auch das Interesse an rechtsextremen Vereinigungen wie der Avalon-Gemeinschaft oder der Europäischen Aktion, die zuletzt im Fürstentum Liechtenstein aktiv war.
Anders die Situation in der Westschweiz, wo jüngst mehrere rechtsextreme Politgruppen in Erscheinung getreten sind: Stutz nennt die welsche Pnos PNS, die Alternative populaire Suisse (teils eine Abspaltung der Schweizer Demokraten) und vor allem die Résistance Helvétique, «derzeit aktivste und modernste rechtsextreme Partei der Schweiz». Nicht zu unterschätzen die Verbreitung rechter Botschaften in den sozialen Medien, die sogenannte «Fachosphère»; Stutz streicht den offenbar gut gelesenen Blog «Les Observateurs» des früheren Genfer Soziologieprofessors und Jean-Ziegler-Gegenspielers Uli Windisch hervor: «Bei dem gab’s seit der Pensionierung einen markanten Radikalisierungsschub.» Solche welschen Bewegungen müsse man ebenso im Auge behalten wie die Ausläufer der «Identitären» in der Deutschschweiz, folgert Hans Stutz. Zwar drohe hierzulande keine Gefahr einer Übernahme staatlicher Stellen, doch bereiteten rechte Vordenker den Boden für mehrheitsfähige diskriminierende Vorstösse. Ignorieren dürfe man die rechtsextreme Szene keinesfalls. Sie müsse sanktioniert werden, doch werde das Strafrecht zu wenig angewandt: «Den Staatsschutz interessiert’s nicht, und zivile Akteure, die Klage erheben, gibt es zu wenig.»
Von Verboten hält Stutz indes nichts; entsprechend fragwürdig sei der Vorstoss der CVP-GLP-Fraktion im St.Galler Kantonsrat, der extremistische Veranstaltungen verbieten will. Weil Neonazi-Veranstaltungen wie das Konzert in Unterwasser im Geheimen organisiert würden, helfe ein Verbot nichts. Mit Blick auf die Schweizer Geschichte befürchtet der Luzerner Kantonsrat (Grüne) zudem eine einseitige Auslegung zu Lasten der Linken. Was rechts oder links «extremistisch»ist, sei «juristisch sehr schwer zu definieren». Bleibt als ein mögliches Fazit des Vortrags, mit dessen Titel gesprochen: «Der braune Bär tanzt» nur beschränkt «in neuen Kleidern», doch er ist im Europa vieler rechtsextremer Tendenzen grenzenlos reisefreudig.
«Es gibt kaum noch junge Männer, die diese Szene für attraktiv halten.»
Hans Stutz
Rechtsextremismusexperte