«In dubio pro reo», befand der Thuner Einzelrichter Jürg Santschi gestern und sprach einen 21-Jährigen aus der rechtsextremen Szene vom Vorwurf des Raufhandels frei. Eine Beteiligung des Mannes an der Rauferei nach der Ruag-Demo in Thun vor eineinhalb Jahren sei nicht nachweisbar.
Im April 2003 hatten Anhänger der Antifa in Thun gegen den Waffenexport der Bundesrüstungsbetriebe Ruag protestiert. Danach war es im Thuner Bahnhof zu Pöbeleien zwischen einigen Demonstrationsteilnehmern mit Rechtsextremen gekommen. Als ein Mitglied der rechten Gruppe einem Radiogerät einen Tritt gab, auf dem die Antifa-Anhänger Musik hörten, eskalierte die Situation in eine Rauferei. Der Thuner Einzelrichter Jürg Santschi verurteilte in der Folge zwei Rechtsextreme wegen Raufhandels. Ein weiterer Angeschuldigter hatte sich gestern vor Gericht zu verantworten. Einer der damaligen Demonstranten hatte Klage gegen ihn eingereicht. Er hatte während der Prügelei eine Gehirnerschütterung und Quetschwunden erlitten.
Von Raufbolden abgegrenzt?
Der angeschuldigte 21-jährige Betriebspraktiker bestritt jedoch jede Beteiligung an der Rauferei. «Wenn ich dreingeschlagen hätte, wäre ich Manns genug, dies auch zuzugeben», beteuerte er. Er habe sich deutlich von den Raufbolden abgegrenzt, indem er sich hinter einem Anzeigeschild auf dem Bahnhofsperron versteckt habe.Zwei Zeugen, beide Securitas-Angestellte, konnten auch nichts zur Klärung der Prügelei beitragen: Sie waren nicht sicher, ob der Mann zur Schlägergruppe gehört hatte. Als dritter Zeuge sollte ein ehemaliger Kumpan des Angeschuldigten aussagen, der bei der Rauferei einen Holzknüppel eingesetzt hatte. Er erschien jedoch nicht zur Verhandlung. Gerichtspräsident Santschi äusserte die Vermutung, dass dieser «wohl Angst» habe, eine Aussage zu machen, und verzichtete in Absprache mit dem Anwalt des Privatklägers auf eine polizeilich erzwungene Einvernahme des Zeugen.Der Anwalt betonte, die Aussagen des Angeschuldigten «klingen nach Erfindungen». Dieser habe zuvor behauptet, überhaupt nicht am Ort des Geschehens gewesen zu sein, sondern im Bahnhofgeschäft Aperto. Zu einem Raufhandel genüge schon eine «physische Präsenz», die effektive Gewaltanwendung sei nicht entscheidend. Ausserdem zeigten die Vorstrafen des Mannes eine eindeutige Gewaltbereitschaft.Einzelrichter Santschi machte jedoch klar, dass für einen Raufhandel eine physische oder psychische Mitwirkung gegeben sein müsse, was im vorliegendem Fall nicht nachweisbar sei. Der Angeschuldigte wurde freigesprochen und erhält 200 Franken Entschädigung. (pmg)