Rassistische Anschläge

Der Bund

Biel / Zerstörte Schaufenster und Hakenkreuzkritzeleien: Ausländische Ladenlokale in der Stadt Biel waren inletzter Zeit wiederholt Ziel von Anschlägen. Im jüngsten Fall ist sogar geschossen worden.

Autor: Dani Landolf

Das Schaufenster mit dem Schussloch ist wieder ganz, die Scheibe ausgewechselt. Die Spuren des Anschlags vor zwei Wochen jedoch sind noch deutlich zusehen. «Es war ein Schuss», sagt Kulasekaran Ramiah, der als Verkäufer in Krishna’s, dem Laden für indische und asiatische Spezialitäten an der Murtenstrassein Biel, arbeitet. Das Projektil ist von der Strasse aus durch die Scheibe quer durch den ganzen Raum geflogen und hat an der Wand hinter der Kasseeingeschlagen. Der schmale, gut fingerbreite Abdruck im weissen Verputz ist noch immer sichtbar, ebenso die Löcher, die der Schuss in dieKarton-Lebensmittelschachteln im Gestell hinter dem Schaufenster gerissen hat. Ramiah zeigt sie einzeln.

Das sind die Spuren des Anschlags. Die Tat selber hat niemand direkt beobachtet. Zwei Anwohnerinnen jedoch hätten in der fraglichen Nacht vom Donnerstagauf den Freitag vorletzter Woche ungewöhnlichen Lärm gehört, sagt Ramiah, «es war zwischen zwei und drei Uhr morgens». Als Ramiah am Freitag zur Arbeitgekommen ist, hat er das Einschussloch in der Scheibe bemerkt und gleich die Kantonspolizei informiert. Ballistikexperten aus Bern haben die Spuren noch amFreitagmorgen gesichert.

Hakenkreuz-Kritzeleien

Es ist nicht der erste Anschlag auf Krishna’s, und auch nicht der einzige auf ein ausländisches Lebensmittelgeschäft in der Stadt Biel in diesem Jahr. Bereits vorrund zwei Monaten zertrümmerte ein Stein das Schaufenster des indischen Lebensmittelgeschäfts, sagt Kulasekaran Ramiah, und auf der Scheibe seien damalswie auch beim Anschlag vor zwei Wochen SS-Zeichen und Hakenkreuze eingeritzt worden. Beide Male passierte es in der Nacht vom Donnerstag auf denFreitag.

Angst vor neuen Anschlägen

Unmittelbar neben dem indischen Lebensmittelgeschäft ist der tunesische Laden Halel einquartiert. Auch dieses kleine Geschäft mit nordafrikanischenSpezialitäten ist in diesem Jahr bereits Ziel eines Angriffs geworden. Am 15. April, so Verkäufer Bouraoui Mkadem, zerbarst eines der beiden grossenFrontfenster durch einen geworfenen Stein. «Im ganzen Raum sind die Scherben verteilt gewesen», sagt Mkadem. Und auch hier liessen der oder die TäterHakenkreuze und dazu unleserliche Schriftzüge an den Schaufensterscheiben zurück.

«Die Versicherung hat zwar gezahlt, aber ein Schaden bleibt trotzdem», sagt der Tunesier. Aus Angst vor weiteren Anschlägen würden sie nun jeweils abends dieLäden runterlassen, was aberschlecht fürs Geschäft sei. «Es wäre besser für uns, wenn wir in der Nacht die Schaufenster beleuchten könnten, so dass die Leuteunseren Laden auch bemerken», sagt Mkadem.

Und noch ein Fall hat sich diesen Sommer in Biel ereignet. Im indischen Laden Geeththa an der Hans-Hugi-Strasse ist ebenfalls eine Schaufensterscheibe inBrüche gegangen. Ob auch ein kürzlich durch den Geschäftsführer nur durch Zufall vereitelter Einbruchversuch zweier junger Männer in diese Reihe gehört, istjedoch unsicher.

Über die Täter ist bis jetzt nichts bekannt. Auch auf die Anzeige hin, die der Geeththa-Geschäftsführer eingereicht hat, sind bisher keine Hinweise eingegangen.Den Besitzern der einzelnen Läden jedenfalls sind keine Ergebnisse der Untersuchungen bekannt. Im tunesischen Geschäft ist man aber überzeugt, dass es sichum rassistisch motivierte Anschläge handelt. Und diese Vermutung ist angesichts der Spuren nachvollziehbar. Auf vorsätzliche Anschläge lässt auch schliessen,dass die gefundenen Steine nicht in der Nähe der jeweiligen Geschäfte aufgelesen werden konnten, sondern mitgebracht werden mussten. – Andere Drohungenhingegen hat noch niemand der ausländischen Ladenbesitzer oder -angestellten erhalten.

Polizei hat nicht informiert

Die Polizei, die sonst bei jedem Küchenbrand Communiqués an alle Medien verschickt, hat zu den diversen Anschlägen noch nie informiert. Überhaupt nichtsvon der ganzen Sache weiss der Bieler Polizeikommandant André Glauser. «Wir sind nicht für die Untersuchung solcher Fälle zuständig», sagt Glauser undverweist auf die Kollegen des Kantons. Dort jedoch gibt man sich nicht viel gesprächiger: Peter Giger, Sprecher der Kantonspolizei Bern, will sich «zu demlaufenden Verfahren nicht äussern». Er bestätigt lediglich, dass Beamte der Kantonspolizei am Tatort an der Murtenstrasse Spuren gesichert hätten und eineStrafanzeige gegen Unbekannt wegen Sachbeschädigung eingereicht worden sei.