St. Galler Tagblatt vom 29.07.2009
Die Chronologie rassistischer Vorfälle zeigt, dass Dunkelhäutige, Leute aus dem Balkan, Asylsuchende, aber auch Juden und Fahrende unter rassistischen Anwürfen zu leiden haben. Vorfälle in der Ostschweiz bestätigen dieses Bild.
Andreas Kneubühler
Seit 17 Jahren sammelt der Luzerner Journalist Hans Stutz im Auftrag der Gesellschaft «Minderheiten in der Schweiz» Vorfälle mit rassistischem Hintergrund, die öffentlich bekannt werden. Daraus entsteht jeweils ein Überblick in Buchform, der neue Entwicklungen aufzeigt. In der jüngsten Ausgabe ist ein positives Fazit zu lesen: Die Anzahl gemeldeter rassistischer Vorfälle ging 2008 zurück. Grund zur Entwarnung gibt es allerdings nicht. Die Angriffe gegen einzelne Minderheiten hätten sich zugespitzt, heisst es im Buch «Rassistische Vorfälle in der Schweiz». Als Beispiel dienen die antisemitischen Anwürfe, für die die antiisraelischen Proteste gegen die Kriegshandlungen in Gaza als Plattform gedient hatten. Jüdische Bürger erhielten Hassbriefe und Drohungen.
Keine Fortschritte
Das UNO-Komitee gegen Rassendiskriminierung stellte in einem im Sommer 2008 veröffentlichten Bericht fest, dass es in der Schweiz keine wirklichen Fortschritte bei der Bekämpfung von rassistischen Haltungen gegenüber Schwarzen, Fahrenden, Moslems und Asylsuchenden gebe. Diese Aussagen sind gestützt durch Vorfälle, die die Chronik für die Ostschweiz aufführt. Im Februar 2008 hingen in Niederwil Plakate mit der Aufschrift «Achtung Zigeuner im Dorf». Der Hintergrund: Fahrende hatten ohne Erlaubnis für fünf Tage auf einem Grundstück der Gemeinde halt gemacht, für Standmiete, Depot und Abfallentsorgung aber wie abgemacht 1500 Franken bezahlt. In der «Wiler Zeitung» wurde ein Einwohner zitiert, der das Plakat verteidigte, weil so «die Leute gewarnt sind vor diesem Gesindel».
Ein Dauerthema sind die Einbürgerungen. Im März 2008 stellte SVP-Kantonsrätin Marianne Steiner den Antrag, alle Einbürgerungsgesuche um ein Jahr zurückzustellen, weil «immer mehr Leute aus dem Balkan» eingebürgert würden. Damit kam sie nicht durch: Der Antrag wurde einstimmig abgelehnt.
Im Internet findet sich unter www.gra.ch bereits die Chronik für 2009. Dort ist die Bürgerversammlung von Oberriet aufgeführt, an der zum dritten Mal das Einbürgerungsgesuch eines behinderten Mannes und seiner Mutter albanischer Herkunft abgelehnt wurde. Die Redner, die sich gegen die Einbürgerung aussprachen, seien jeweils mit lautem Klatschen verabschiedet worden.
Rechtsextreme machen zwar vor allem in den Mittellandkantonen (Pnos) Schlagzeilen, aktiv sind sie aber auch in der Ostschweiz. In Benken fand ein Passant auf der Hinterseite eines grossen Holzkreuzes ein Hakenkreuz. In Kradolf nahmen im vergangenen September 40 Personen an einem Treffen von Nazi-Skinheads teil. Im Dezember findet in der gleichen Gemeinde ein zweites Treffen statt. Laut Polizei wurde die Veranstaltung vom «patriotischen Ostflügel» organisiert. In St. Gallen griffen nach dem EM-Spiel Schweiz – Türkei Schweizer türkische Anhänger an.
Nicht alle Fälle aufgeführt
Nicht in der Chronik aufgeführt ist der Prozess gegen den Rechtsextremen, der im Oktober 2007 am Jahrmarkt in Kaltbrunn zugeschlagen hatte. Er wurde 2008 vom Kreisgericht See-Gaster zu zwei Jahren bedingt verurteilt. Ebenfalls nicht aufgeführt ist die Massenschlägerei vom September 2008 im liechtensteinischen Mauren, die von einer Gruppe Rechtsextremer aus dem Kanton St. Gallen, Zürich und Schwyz angezettelt wurde. Zwei Rechtsextreme wurde zu sieben Monaten Gefängnis bedingt verurteilt.
Die Eingangskontrollen von Clubs sind ein weiteres Dauerthema. Im Januar 2009 hinderte der Türsteher eines Pubs in St. Gallen einen psychisch behinderten Mann, das Lokal zu betreten, und fügte ihm einen komplizierten Bruch des Oberarms zu. Der Pub-Inhaber habe daraufhin gegenüber einem Lokalradio erklärt: «Wir lassen grundsätzlich keine Albaner, Jugoslawen und Schwarze in unseren Laden.» Eine Untersuchung wegen Widerhandlung gegen die Rassismusstrafnorm wurde eröffnet.