Thurgauer Zeitung.
Die Stadt führt seit drei Jahren eine Kontaktstelle für rassistische Diskriminierungen. Seither gibt es jährlich vier bis fünf Meldungen.
Mathias Frei
Himmeltraurig, aber wahr: Ein Mann wird betreffend seines Aufenthaltsstatus beim zuständigen Migrationsamt vorstellig. Es finden mehrere Gespräche statt. Im Büro des Migrationsamtsmitarbeiters hängen an der Wand Wahlplakate einer rechtsnationalistischen Kleinpartei. Der Mann, der Rat sucht, findet dieses unpassend und störend. Das ist ein rassistischer Vorfall. Passiert ist er in der Schweiz, aber nicht im Thurgau und schon gar nicht in Frauenfeld. Das Beispiel ist wahr und findet sich im Bericht «Rassismusvorfälle aus der Beratungspraxis – Januar bis Dezember 2019» wieder, mitherausgegeben von der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus.
Diskriminierung sei ein gesellschaftliches Dauerthema, sagt Markus Kutter. Er leitet das städtische Amt für Gesellschaft und Integration. Mit dem Tötungsdelikt am Afroamerikaner George Floyd Ende Mai in Minneapolis (USA) und den daraufhin auch in der Schweiz stattfindenden «Black Lives Matter»-Demonstrationen hat die Rassismusdebatte im Zeitgeist wieder Aufwind. «Es gibt immer noch Leute, die denken, es gebe in Frauenfeld keinen Rassismus», sagt Stadträtin Barbara Dätwyler als Departementsvorsteherin Gesellschaft und Soziales. Fakt ist: Die Zeiten, als sich in Frauenfeld Neonazis auf den Strassen blicken liessen und in einschlägigen Bars verkehrten, sind seit zehn Jahren vorbei.
Erstkontakt soll niederschwellig sein
Es aber auch eine Tatsache, dass es in Frauenfeld rassistische Diskriminierung gibt, strukturell, aber auch in Form von Alltagsrassismus. Dafür stehen die Zahlen der Kontaktstelle Diskriminierungsschutz, die bei Markus Kutters Amt seit drei Jahren angesiedelt ist. Als Bereichsleiterin des Frauenfelder Kompetenzzentrums Integration, das die Stadt mit einer Leistungsvereinbarung des Kantons führt, verantwortet Vanessa Huber den Diskriminierungsschutz. Seither haben pro Jahr vier bis fünf Personen aus der Region Frauenfeld den Erstkontakt gesucht, weil sie direkt oder indirekt von Rassismus betroffen waren.
Wie Vanessa Huber ausführt, soll der Erstkontakt möglichst niederschwellig passieren. «Zuallererst ist es wichtig, dass es jemanden gibt, der den Betroffenen zuhört und sie ernst nimmt.» Dann geht es auch darum, den Vorfall an sich aufzunehmen, zu beschreiben, was konkret passiert ist. Huber bietet weiter Beratung an oder Interventionen im kleinen Rahmen. Wenn zum Beispiel ein informelles Gespräch am Arbeitsplatz der betroffenen Person mit dem Vorgesetzten angezeigt ist, um Situationen zu klären. Bis zu einem gewissen Grad ist Rassismus diffus und unterliegt der eigenen Wertehaltung entsprechend einer subjektiven Wahrnehmung. Für komplexere Vorfälle bräuchte die Frauenfelder Stelle vertieftes juristisches Fachwissen. Diese Fälle, vor allem wenn es um strafrechtlich relevante Handlungen geht, werden an den Kanton weitergeleitet. Die Fachstelle Integration des kantonalen Migrationsamtes ihrerseits arbeitet bei komplexeren Fällen vornehmlich mit der Asylorganisation Zürich zusammen, die dann Interventionen oder juristische Beratungen durchführt.
Ein Problem der ungleichen Machtverhältnisse
Oft wird aber schon bei Erstgesprächen bei Vanessa Huber offensichtlich, dass Betroffene sich vor negativen Folgen von Interventionen fürchten. «Wir zwingen die Betroffenen nie zu nächsten Schritten oder leiten ihren Fall gegen ihren Willen zur Bearbeitung weiter», sagt Huber. Amtsleiter Kutter ergänzt: «Bei rassistischer Diskriminierung geht es immer um ungleich verteilte Machtverhältnisse. Das macht es schwierig.» Kutter war kürzlich an einem nationalen Treffen der kantonalen und kommunalen Integrationsdelegierten. Da musste er feststellen: «In der Westschweiz ist man bei der Rassismusdebatte schon ungleich weiter.»
Für Stadträtin Dätwyler ist klar: «Diskriminierungen jeglicher Natur und Rassismus im Speziellen muss uns beschäftigen. Wir bleiben an diesem Thema dran.» Wichtig ist für sie, sowohl die Bevölkerung als auch stadtverwaltungsintern zu sensibilisieren. Denn Rassismus dürfe weder in Frauenfeld noch anderswo Platz haben.
Kanton verfolgt komplexe Fälle weiter
Der Förderbereich «Diskriminierungsschutz» war Bestandteil des Kantonalen Integrationsprogramms 1 (KIP 2014–2017) und wurde mit den Kompetenzzentren sowie Fachstellen Integration im Kanton Thurgau aufgebaut und wird von diesen seither entsprechend umgesetzt. Wie Oliver Lind, Integrationsdelegierter Migrationsamt Thurgau, sagt, wird der Bereich im KIP 2 (2018–2021) analog KIP 1 weitergeführt. In den letzten drei Jahren wurden der kantonalen Fachstelle Integration insgesamt zwölf Fälle gemeldet. Sechs davon waren strafrechtliche Handlungen, für die folgende Voraussetzungen gegeben sein müssen: Tätlichkeit, einfache oder schwere Körperverletzung, Sachbeschädigung, Ehrverletzung oder Drohung. (ma)