Tagesanzeiger 18.4.97
Kundgebung der Linken
SP, Gewerkschaften und das 1.-Mai-Komitee rufen für den Samstagabend zu einer Kundgebung gegen Rassismus auf dem Hirschenplatz auf. Autonome planen einen „antifaschistischen Spaziergang“ wenig später durch das Zürcher Niederdorf. Frau Thanei, „Für ein buntes Dörfli, gegen Rassismus und Gewalt“ lautet das Motto der Kundgebung von 18 bis 20 Uhr, bei der Sie als Gastrednerin auftreten werden. Was ist das Ziel?Die Kundgebung ist eine Reaktion auf den Skinhead-Aufmarsch vom vorletzten Samstag und auf rechtsextreme Tendenzen in der Gesellschaft. Dem Rechtsextremismus darf man keinen Fussbreit Raum geben, sonst wird er salonfähig. Wir wollen ein Zeichen setzen, dass wir Bewohnerinnen und Bewohner uns nicht vertreiben lassen. Insofern ist es auch eine Kundgebung gegen die Resignation und die latente Angst vieler, am Abend nicht mehr ins Niederdorf gehen zu können. Zudem ist es eine Kundgebung für Solidarität und gegen jede Art von Ausgrenzung, was in der heutigen Situation besonders wichtig ist.
Um 21 Uhr am selben Abend haben auch Autonome zu einem „antifaschistischen Spaziergang“ durchs Niederdorf aufgerufen. Wendet sich Ihre Kundgebung auch gegen diesen Umzug?Nein. Unser Anlass richtet sich gegen Rechtsextremisten, nicht gegen den Umzug der Autonomen. Der Zeitpunkt wurde so gewählt, dass er nicht mit diesem zusammenfällt. Ich habe nichts gegen den „Spaziergang“, unter der Voraussetzung, dass keine Gewalt angewendet wird. Friedliches Demonstrieren ist ein Grundwert unserer Demokratie.Die Polizei ist in Alarmbereitschaft, weil Zusammenstösse befürchtet werden zwischen Autonomen und Skinheads, die den „Spaziergang“ am Tag vor Hitlers Geburtstag als Provokation auffassen könnten. Droht ein heisser Samstag?Nein, das glaube ich nicht. Es ist durchaus möglich, eine friedliche Kundgebung durchzuführen, auch wenn das Klima angeheizt ist. Mit der Kundgebung wollen wir dazu beitragen, dass es nicht zur Eskalation kommt, und zeigen, dass man auch auf friedliche Art ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen kann.Wie steht es um die Sicherheit der Kundgebungsteilnehmer? Immerhin könnten Skinheads auch Ihre Veranstaltung als Provokation empfinden.Die Stadtpolizei hat den Schutz für die bewilligte Kundgebung versprochen. Ausserdem ist eine friedliche Kundgebung für Menschenwürde keine Provokation.