Aargauer Zeitung. Ein russischer Töffclub verbreitet brutale Propaganda – mit offizieller Unterstützung der Botschaft Russlands in Bern.
Bedrohliche Szenen auf dem Basler Friedhof Hörnli. An der russischen Gedenkfeier zum «Tag des Sieges» fährt die Motorradgang Nachtwölfe vor. Polizisten in Kampfmontur springen aus zwei Kastenwagen und stellen sich ihnen in den Weg.
Während des offiziellen Teils müssen die Nachtwölfe draussen bleiben. Die Männer blicken grimmig, aber sie gehorchen und parkieren ihre Maschinen. Die Nummernschilder verraten ihre Herkunft: BE, ZH und AG.
Der Anführer Artjom S., ein Russe aus Bern, hat eine Flagge am Seitenwagen seines Töffs montiert. Darauf steht der Name der militärischen Einheit, die am 1. Mai 1945 die Sowjetflagge auf den Reichstag in Berlin gesetzt hat.
Inszenierung der harten Kerle: Putin und der «Chirurg»
Später trägt er einen Kranz ans Grab der sowjetischen Soldaten. Auf der einen Schleife steht auf Russisch «Nachtwölfe Schweiz»; auf der anderen «Nachtwölfe Russland, Chirurg». Das ist der Bikername des russischen Leitwolfs Alexander Saldostanow, der regelmässig mit Staatspräsident Wladimir Putin auftritt. Dieser inszeniert sich so als harter Kerl.
Die Nachtwölfe wurden 1989 als das russische Pendant zu den amerikanischen Hells Angels gegründet. Damals positionierte sich der Motorradclub regierungskritisch. Inzwischen hat er seinen Kurs geändert und fährt schnurgerade auf der Linie von Putin und dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill.
Der russische Staat lässt sich die Unterstützung etwas kosten: Er ist zum wichtigsten Geldgeber der Nachtwölfe geworden. Das Kulturministerium finanzierte zum Beispiel eine Bike-Show auf der Krim mit 15 Millionen Rubel.
Der russische Staat fördert die bösen Jungs
Auch der Schweizer Ableger wird staatlich gefördert. Am «Tag des Sieges» zeichnet der russische Botschafter in Bern, Sergei Garmonin, den Club mit einer Ehrenmedaille aus. Die Botschaft dankt ihren Jungs damit für die propagandistische Unterstützung. Das Clubmotto lautet nämlich aktuell:
«Wir stehen zu Russland! Wir stehen zu seinem Präsidenten! Wir sind Russland hier in der Schweiz! OHNE WENN UND ABER!»
Noch weiter geht Artjom S. auf seiner persönlichen Facebook-Seite. Das Profil ist durchzogen von verstörenden Gewaltdarstellungen. Er verbreitet eine Serie von Videos, die Misshandlungen von Russen durch ukrainische Soldaten zeigen sollen. Gewalt von Russen ist hingegen keine zu sehen. Die Propaganda verdreht die Rollen von Opfern und Tätern in diesem Krieg.
Alle Andersdenkende werden als Faschisten bezeichnet
Aggressiv geht Artjom S. gegen zwei Aktivistinnen vor, die an der Gedenkfeier in Basel ihre Solidarität mit der Ukraine zeigten. Die Frauen hüllten sich in gelbe und blaue Farben und stellten sich vor dem Grab demonstrativ neben die Männer in ihren schwarzen Lederkutten.
Artjom S. beschimpft die Frauen auf Facebook als «blaugelbe Clowns», die ein «faschistisches Zeichen» für ihren «Chefclown» Wolodimir Selenski und seinen «blaugelben, faschistischen Teil der Ukraine» gesetzt hätten.
Ivica M., die rechte Hand des Anführers aus Zürich, kommentiert: «Sehr gut geschrieben, mein Bruder. Ich stimme dir vollkommen zu.»
Ivica M. präsentiert sich auf Facebook als weinerlicher Bär. Er ist Serbe und erinnert in einem Video mit wässerigen Augen an die Bombardierung Serbiens durch die Nato 1999. Er betont die Aggression der Nato und verschweigt jene Russlands. Beruflich ist er für einen Golfclub im Zürcher Oberland tätig.
Unterschiedliche Typen: Anführer und Mitläufer
Der harte Kern der Truppe hat die Motorradnummern sperren lassen. Die Halter sind dadurch nicht so einfach identifizierbar. Auch Gesprächsanfragen blocken sie ab. Auf ihren Onlinekanälen verbreiten sie ihre Ansichten dafür öffentlich und offensiv.
Anders verhalten sich die Mitläufer. Sie haben ihre Nummern nicht sperren lassen, geben mit ihren Onlineprofilen aber auch weniger Angriffsfläche. Zwei Berner Nachtwölfe fallen mit einer anderen Leidenschaft auf: Sie sind in der Fan-Szene des EHC Burgdorf aktiv, wie der «Bund» publik machte.
Einer der beiden behauptete in der Zeitung jedoch, er sei schockiert über Putins Krieg und deshalb aus dem Club ausgestiegen. In Basel hat er sich mit seinem bronzenen Töff jedoch gleich hinter dem Anführer eingereiht. Unberechenbarkeit ist ein Wesenszug der Nachtwölfe.