Sonntagsblick vom 04.10.2009
Nazi-Offizier will Armeeprofi werden
Im Militär ist er ein Vorbild für angehende Unteroffiziere. Nachts setzt Simon M.* schon mal Leuten nach, die er für zu wenig rechts hält. Und das VBS in Bern weiss von nichts.Romina Lenzlinger und Philippe Pfister
Als 23-Jähriger hat es der Walliser Simon M. in der Schweizer Armee weit gebracht: 120 Soldaten führt er als Kompaniekommandant im Range eines Leutnants. Korrektes Verhalten, Umgangsformen, Pflege der Kameradschaft – das soll er den angehenden höheren Unteroffizieren beibringen. Noch bis Ende Jahr läuft sein befristeter Arbeitsvertrag als Armeeprofi. Den Vertrag als Zeitmilitär möchte er gerne verlängern. «Das Militär», sagt der gelernte Heizungsmonteur, «bedeutet mir sehr viel.»
Welches Gesicht er ausserhalb der Kaserne aufsetzen kann, darüber schweigt er lieber. Fakt ist: Simon M. ist ein verurteilter Schläger. Und er steht extrem rechts, wie ein von ihm verprügeltes Opfer glaubwürdig sagt. Kurz, der junge Leutnant soll mit Nazi-Ideen sympathisieren.
Aktenkundig ist ein Vorfall in der Nacht vom 3. auf den 4. November 2006. Zusammen mit zwei Kollegen nimmt Simon M. an jenem Abend Salvatore S.* ins Visier. Erst starren sie ihr Opfer an, raunen ihm in einer Bar etwas vom «vollen Programm» zu. Salvatore S. sucht das Weite, das Trio nimmt sofort die Verfolgung auf. Es ist der durchtrainierte Offizier Simon M., der Salvatore S. mit einem gezielten Fusstritt zu Fall bringt. Dann, so erzählt das Opfer, hätten die Peiniger über seine politische Einstellung «philosophiert»: Er sei doch jetzt ein «Sharp». Die Abkürzung steht für «Skinhead Against Racial Prejudice». Gemeint ist damit ein Glatzkopf, der rechtsextreme Nazi-Ideen ablehnt. Das, so glauben Simon M. und seine Begleiter, müsse man aus Salvatore S. rausprügeln. Mit Händen und Füssen dreschen sie auf ihr Opfer ein. Viele Schläge treffen den Kopf.
Später hält eine Ärztin die Folgen der Prügelorgie in nüchternem Expertendeutsch fest: Von «Kniedistorsion links» ist die Rede, von «Läsion des medialen Kreuzbandes» und «Erosionen im Bereich des glatzköpfigen Hinterkopfes».
Diesen Sommer kam es zum Prozess. Vor Gericht versuchte Simon M. die Sache schönzureden. Er konnte sich an fast nichts erinnern und legte ein Arztzeugnis vor, das ihm angeblich eine 100-prozentige Arbeitsunfähigkeit zur Zeit der Schlägerei bescheinigte. Doch das Gericht liess sich nicht übertölpeln: Das fragliche Arztzeugnis belege nichts Derartiges. Die Aussagen des Opfers hingegen seien «widerspruchsfrei, kohärent, differenziert» und erschienen «erlebnisbasiert».
Am 13. August verurteilte das Bezirksgericht Brig Simon M. wegen dieses Angriffs mit Körperverletzung zu 25 Tagessätzen à 130 Franken und 300 Franken Busse.
Einsicht oder gar Reue zeigt er bis heute nicht. Ein «Blödsinn» sei das gewesen, eine «Vorgeschichte von früher», sagte er letzte Woche zu SonntagsBlick. Und ein Nazi sei er schon gar nicht. Gegen das Urteil rekurriert hat er nach eigenen Angaben nicht – die Anwälte hätten ihm davon abgeraten.
Dass er vor einer Woche wieder aggressiv geworden sein soll und einem Freund Salvatores eine Ohrfeige verpasst habe, bestreitet er: «Unsinn! Ich war am besagten Ort, habe aber nur über den Fall gesprochen.»
Warum der verurteilte Schläger und mutmassliche Nazi-Sympathisant weiter angehende Unteroffiziere ausbilden kann, will beim VBS in Bern niemand klar beantworten. Gestützt auf den Persönlichkeitsschutz, stehe es der Armee nicht zu, Informationen über Armeeangehörige an Dritte weiterzuleiten, schreibt Sprecher Christian Burri. Er will auch nicht sagen, ob der Fall schon beim Bereich Personelles der Armee aktenkundig ist. Dieser wäre dafür zuständig, den Schläger aus der Armee auszuschliessen.
Von sich aus hat Simon M. seine Chefs nicht informiert. Das werde er jetzt aber nachholen, sagt er. Falls er aus der Armee fliegt, hat der Kompaniekommandant, der sich im Internet das Pseudonym «Herr_Staatsfeind» zugelegt hat, ein Problem: Er möchte gerne Berufsoffizier werden.
* Namen geändert