Neue Luzerner Zeitung
Winterthur:Interessengemeinschaft will der aufkeimenden Szene entgegentreten
Die IG gegen rechtsextreme Gewalt befürchtet, dass Winterthur eine «Skinhead-Hochburg» wird, und ruft zum Protestmarsch auf.
Der Stadt Winterthur steht heute eine Demonstration bevor, wie man sie bislang eher in der Stadt Zürich zu erleben gewohnt war. Die IG gegen rechtsextreme Gewalt ruft zum Protest gegen Radikale der rechten Szene auf, die seit gut einem Jahr in Winterthur immer wieder für gewalttätige Übergriffe verantwortlich ist. Seit April 1998 sind mindestens sechzehn Gewaltakte und Sachbeschädigungen verzeichnet worden, deren Ziel Ausländer, Punks, Alternative und Jugendlokale waren; es gab Flugblatt- und Spray-Aktionen mit deutlich rechtsextremem Inhalt.
«Es gibt rechtsradikale Kreise»
Die Winterthurer Stadtpolizei räumt ein, dass es in ihrer Stadt rechtsradikale Kreise gäbe. Es handle sich um sehr junge Leute, erklärt Peter Gull vom Mediendienst der Stadtpolizei, zu denen man bereits Kontakte gesucht und auch gefunden habe. Man habe dabei festgestellt, dass die vorwiegend jungen Leute weniger aus politischen Motiven heraus agieren. Mit den «Jungnationalen», die Ende der achtziger Jahre landesweit auf sich aufmerksam gemacht hatten, als sie einen Neonazi-Kongress in Winterthur organisierten, hätten die Vertreter der aktuellen Szene nichts zu tun. Dass Winterthur aber ein Problem mit rechtsextremen Gruppierungen hat, lässt sich dennoch nicht von der Hand weisen und wird auch vom Stadtrat inzwischen anerkannt.
Die Initianten der Demonstration betrachten das Problem wesentlich gravierender als die Stadtpolizei. In einem mehrseitigen Fax an die Medien spricht die IG gegen rechtsextreme Gewalt von einer unzulässigen Bagatellisierung. Die Übergriffe würden als Schlägereien unter Jugendbanden abgetan. Auf eine rein individuelle Motivation der Täter zur Gewalt zu verweisen, würde zu kurz greifen, so die IG in ihrer Mitteilung. Die Szene sei organisiert und unterhalte Kontakte zu auswärtigen Gruppen.
Aus Angst vor Übergriffen
Die Interessengemeinschaft möchte ihre Mitglieder nicht öffentlich machen. Sie bezeichnen sich als «gesellschaftlich und kulturell engagierte Personen» und «ausserparlamentarisch». Auf die Versuche einer Kontaktnahme über eine Faxnummer meldet sich eine Person, die erklärt, weder einer politischen noch ideologischen Gruppierung anzugehören: «Wir sind einfach Leute, die in Winterthur gerne ausgehen.» Es sei ihnen aufgefallen, dass seit vergangenem Herbst die Rechtsradikalen plötzlich vermehrt in Gruppen auftreten würden. Aufgrund der Autonummern liesse sich eine ausserkantonale Herkunft herleiten und damit annehmen, die Skinheads und Neonazis seien organisiert. Die IG habe sich, so die Kontaktperson, die aus Angst vor Übergriffen ihren Namen nicht preisgeben will, aufgrund der jüngsten Vorfälle spontan konstituiert und bestehe aus ungefähr zehn Personen: «Wir wollen, dass das Problem öffentlich wird.»
Bewilligte Demonstration
Aufrufe zu Demonstrationen gegen rechtsextreme Gewalt in der Stadt Zürich stammen gemeinhin aus dem Lager der linksautonomen, ebenso gewaltbereiten Szene. Anders in Winterthur: Weil es sich bei den Gesuchstellern offensichtlich nicht um Angehörige der autonomen Szene handle, sei die Demonstration bewilligt worden, ist von der Winterthurer Stadtpolizei zu vernehmen. «Aber eine verbindliche Aussage können wir nicht machen», schränkt Peter Gull ein.
Bis zu 500 Leute werden erwartet
Die Polizei geht von einem Anlass mit 200 bis 300 Personen aus. Die Initianten rechnen gar mit bis zu 500 Teilnehmern. «Allerdings kursieren bereits Flugblätter des rechten Flügels, die zu einer Gegendemonstration aufrufen», erklärt Gull. Trotzdem will die Stadtpolizei «wie üblich» vorgehen und Massnahmen nur im Rahmen des Bisherigen ergreifen. Von Gegenveranstaltungen weiss der Informant der IG zwar nichts: «Aber wir haben keine Angst. Es werden genug Leute da sein und genug Polizisten, damit nichts passiert und die Sache friedlich abläuft.»
RONALD SCHENKEL