Rechtsextremes Gedankengut an der Oberwinterthurer Oberstufe, Schlägereien und ein Klima der Angst: Lehrer und Schulbehörden sind besorgt undwollen handeln.Autor: Von Andreas MösliDas Communiqué der Stadtpolizei Winterthur vor zwei Monaten klang harmlos und brachte es in den Medien bloss zur Kurzmeldung: Von einemHandgemenge zwischen Schweizern und Ausländern war die Rede, von zwei leicht verletzten Jugendlichen und davon, dass sich die rivalisierenden Gruppenschon früher gegenüber gestanden hätten. Doch, so das Fazit, man habe die Situation im Griff.Es gibt auch eine inoffizielle Version: Nach dem Vorfall kamen rund zehn Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren ins Jugendhaus und erzählten demSozialarbeiter aufgebracht von mehreren Dutzend Männern mit Strumpfmasken, die sie mit Baseballschlägern angegriffen hätten. Dazu präsentierten siePrellungen. Der Clique gehören auch einige Schweizer an, die meisten besuchen das Real-Schulhaus Wallrüti. Sie bezeichnen sich nicht als Linke; Hip Hop istihre Musik.Auswärtige Skinheads helfen ausHeute haben die Geschlagenen keine Lust mehr, über die Prügelei zu reden. Doch für sie ist der Fall klar: „Das waren die Nazis!“ Gemeint sind eine Hand vollLehrlinge, die mit Skinhead-Montur und rechtsextremen Parolen auffallen sowie Kontakte zu anderen Skindheads pflegen. Die Rechtsextremen hätten ihreSympathisanten vor allem im Sek-Schulhaus Lindberg. Nur Tage vor der Schlägerei habe es einen Streit gegeben zwischen den Gruppen, sagen die HipHopper. Dabei hätten die Rechten Verstärkung und Prügel angekündigt. Tatsächlich seien die Angreifer in Autos mit Nummernschildern aus anderenKantonen gekommen.Bei der Stadtpolizei will man diese Version nicht bestätigen: Man sei in erster Linie damit beschäftigt gewesen, die Gruppen zu trennen, sagt SicherheitspolizistWalter Heim. Diejenigen, die man erwischt habe, seien aus der Umgebung gewesen. Seit dem Vorfall habe die Polizei ihre Kontrollen verstärkt. Mit Heimglaubt auch Peter Marti, der Jugendarbeiter der reformierten Kirche, dass beide Seiten die Schlägerei provoziert hätten.Was an jenem Abend beim Dorfplatz tatsächlich abgelaufen ist, bleibt offen. Tatsache ist: An der Oberwinterthurer Oberstufenschule gibt es seit einiger Zeitein Problem mit Jugendlichen, die mit rechtsextremem Gedankengut sympathisieren und/oder gewaltbereit sind. „Wir sind besorgt!“, heisst es deshalb im Titeleines offenen Briefes in der aktuellen Ausgabe der „Oberi Zytig“ – mitunterzeichnet ist er von Kreisschulpflegepräsident Richard Harlacher. Die Schlägerei hatfür Harlacher einen überaus ernsten Hintergrund: „Eine seit einiger Zeit zu beobachtende rechtsradikale Gruppierung gerät mit ebenfalls gewaltbereitenausländischen Jugendlichen in Konflikt.“ Laut Stadtpolizist Heim gerieten die Jugendlichen schon früher und auch ausserhalb des Schulgeländes aneinander.Der Schulpflegepräsident spricht von einem Klima der Angst unter den Jugendlichen.Beunruhigt ist Harlacher auch darüber, dass sich Jugendliche in Oberi in einem rechtsextremen Zirkel organisieren und dass Oberstufenschüler und-schülerinnen von älteren Jugendlichen zu „rassistischen und menschenverachtenden Praktiken verführt werden“. Jugendarbeiter Marti bestätigt: „DieSkinheads haben vor allem in der Sekundarschule einen relativ grossen Kreis von Bewunderern.“ Die Schüler seien zwar nicht in Skinhead-Montur unterwegs,machten aber fremdenfeindliche Sprüche und sympathisierten auch sonst mit rechtsextremen Ideen. Marti kennt beide Gruppen, weil beide im Jugendtreffverkehren.Auch Erwachsene sollen nachdenken“Wir wollen das Thema weder aufbauschen noch bagatellisieren“, schreibt der Schulpflegepräsident. „Aber die Schule Oberi wird sich des Themas ernsthaftannehmen müssen.“ Schulpflege und Lehrerschaft haben sich bereits an die Jugendkommission der Stadt Winterthur gewandt. Die Kommission gilt mit ihrenFachleuten aus Sozialarbeit, Polizei und Jugendarbeit als eine Art Feuerwehr.Harlacher will mit den Jugendlichen beider Seiten reden. Aber auch die Erwachsenen müssten sich mit dem Thema auseinander setzen. Dies begrüsst auchKommissionsmitglied Walter Heim: „Das Problem kann nicht mit der Polizei gelöst werden.“ Man dürfe die Jugendlichen auch nicht zu stark in die Eckedrängen.Schulpflege und Lehrerschaft seien sich jedoch einig, so Harlacher, dass „wir eine unmissverständliche Haltung einnehmen müssen. RechtsradikalesGedankengut und latente Gewaltbereitschaft – aus welcher Ecke auch immer – haben an unseren Schulen nichts verloren.“