Der Bund: Ein Grossaufgebot der Polizei sicherte das Demonstrationsverbot. Bürgerliche Politiker und Polizei taxieren den Einsatz als «erfolgreich», linke Politiker und Fachorganisationen als «unverhältnismässig».
Sie kamen in Scharen, waren schwer bewaffnet und blockierten den Bundesplatz über Stunden. Nicht von Demonstranten, sondern von Polizisten ist die Rede. Diese waren am Samstag in der Überzahl. Obwohl die Demonstration «Stopp Kuscheljustiz» und die beiden geplanten Gegenkundgebungen abgesagt wurden, rechneten die Behörden mit hohem Konfliktpotenzial. Neben Berner Kantonspolizisten standen Polizeieinheiten aus fast allen Kantonen der Schweiz im Einsatz. An zahlreichen Orten in der Innenstadt postierten sich die Einheiten und kontrollierten «verdächtige» Personen. 58 Personen brachte die Polizei zur Überprüfung in einen Festhalte- und Warteraum. Sie trugen gemäss Polizei teilweise Vermummungsmaterial auf sich.
In der Innenstadt bewegten sich nur einzelne kleine Gruppen Jugendlicher, die wohl tatsächlich gegen den potenziellen Aufmarsch von Rechtsextremen beziehungsweise gegen «Kuscheljustiz» demonstrieren wollten. Versuche der Formierung zu Demonstrationen konnten nicht beobachtet werden. Zu Ausschreitungen oder Sachbeschädigungen ist es nicht gekommen.
Polizei: «Ziel erreicht»
Die Polizei sieht den Einsatz als Erfolg. «Unser Ziel – ein friedlicher Nachmittag – konnten wir erreichen», sagt Manuel Willi, Chef Regionalpolizei, auf Anfrage. Die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern (DJB) beurteilen den Einsatz skeptischer. «Es war eine massive Machtdemonstration vonseiten der Polizei», sagt DJB-Geschäftsleiterin Lena Reusser. Gerade die «sichtbare Präsenz» sei überdimensioniert ausgefallen. Dass die Polizei mit einem Aufgebot vor Ort sein müsse, sei unbestritten, «man hätte es aber auch diskreter machen können». Aus rechtlicher Sicht sei heikel, dass die Polizei die kontrollierten Personen präventiv gefilmt habe, «auch wenn keine Verbindungen zu den Kundgebungen bestanden hat und die Personen wieder gehen durften». Von standardmässigem Filmen könne keine Rede sein, sagt hingegen Willi. «In Einzelfällen kann ich dies aber nicht ausschliessen», sagt er.
Linke Kritik, rechtes Kränzchen
Der Polizeieinsatz ist auch bei den Stadträten umstritten. Die Beurteilung der «Verhältnismässigkeit» des Einsatzes verläuft entlang der Parteilinien. Für David Stampfli (SP) ist klar, dass der Einsatz «unverhältnismässig» gewesen sei. Er ortet die Verantwortung bei den zuständigen Exekutivmitgliedern. «Regierungsrat Hans-Jürg Käser und Gemeinderat Reto Nause wollten sich profilieren», sagt er. Auch Manuel C. Widmer (GFL) zielt auf die Sicherheitsdirektoren. «Käser und Nause ‹potenzeln›», schrieb er über Twitter. Damit meine er, sagte er auf Anfrage, dass wohl eher «politische als sicherheitstechnische» Gründe für das massive Polizeiaufgebot sprächen. «Es war schliesslich absehbar, dass ein solch surreales Aufgebot nicht nötig war.» Anders beurteilen die bürgerlichen Stadtratskollegen den Einsatz. «Ich habe kein Verständnis für Kritik am Polizeieinsatz», sagt Simon Glauser (SVP). Wenn etwas passiert wäre, hätte sich die Polizei auch wieder Vorwürfe gefallen lassen müssen. «Ich finde, lieber zu viel als zu wenig Einsatzkräfte.» Auch Bernhard Eicher (FDP) bindet der Polizei ein Kränzchen: Diese habe die Aufgabe, Menschen und Sachen zu schützen, sagt er. «Das Ziel hat sie erreicht.»
Zur Sache
«Ein grosser und teurer Einsatz»
Herr Nause, wie lautet Ihre Bilanz zum samstäglichen Polizeieinsatz?
Ich ziehe eine positive Bilanz. Der Polizei ist es gelungen, die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten. Und dies, obwohl man von Konfrontationen ausgehen musste.
War der Einsatz verhältnismässig?
Ja. Generell gab es in meiner Amtszeit noch keinen unverhältnismässigen Polizeieinsatz.
Wie hätte ein unverhältnismässiger Einsatz ausgesehen?
Dazu möchte ich nichts sagen.
Rund 58 Personen wurden präventiv festgenommen. Teils ohne erkennbare Gründe.
Da muss ich widersprechen. Es handelte sich um Anhaltungen und nicht um Festnahmen. Und diese sind nach einem definierten Schema erfolgt. Es betraf Personen, die Vermummungsmaterial oder verbotene Gegenstände dabei hatten. Es dünkt mich normal, dass man solche Personen vorübergehend festhält und überprüft. Beim «Tanz dich frei» hat die Polizei das Gefahrenpotenzial unterschätzt, am Samstag überschätzt.Die beiden Anlässe kann man nicht miteinander vergleichen. Beim «Tanz dich frei» entschied der Gemeinderat, den Anlass zu dulden. Das war am Samstag anders. Wir haben kommuniziert, dass keine Kundgebungen toleriert würden.
Wie teuer war der Einsatz?
Wir kommunizieren keine genauen Zahlen. Man kann aber sagen, dass es ein grosser und aufgrund der langen Dauer auch ein teurer Einsatz war. (chl)
Reto Nause
Der Direktor für Sicherheit, Umwelt und Energie der Stadt Bern verteidigt den Polizeieinsatz.