Tagesanzeiger.
Die Kantonspolizei Basel-Stadt wartet auf ein rechtskräftiges Urteil im Fall eines Mitarbeiters, der wegen rassistischer Äusserungen angeklagt ist. Dieser politisiert unterdessen weiter.
Seit rund zwei Jahren läuft das Strafverfahren gegen den Berner Politiker Adrian Spahr, der als Polizist in Basel arbeitet. Als Co-Präsident der Jungen SVP Kanton Bern war er mitverantwortlich für ein Plakat, mit dem die Partei vor den kantonalen Wahlen im Frühling 2018 Stimmung gegen Fahrende machte: Zu sehen war darauf ein zugemüllter Transitplatz, daneben ein Mann mit Schweizer Käppchen, der sich die Nase zuhält. Dazu die Legende: «Schmutz, Fäkalien, Lärm, Diebstahl – Nein zum Transitplatz für ausländische Zigeuner.»
Das Regionalgericht Bern-Mittelland beurteilte dies Anfang 2019 als Rassendiskriminierung, das Obergericht bestätigte den Befund im Dezember. Nun muss das Bundesgericht entscheiden. Es gilt die Unschuldsvermutung, bis ein Urteil rechtskräftig ist.
Dennoch ist die Sache für den Arbeitgeber von SVP-Politiker Spahr zum Problem geworden. «Diese Schlagzeilen sind nicht jene, mit denen die Kantonspolizei Basel-Stadt in Verbindung gebracht werden will», sagt Toprak Yerguz, Sprecher des Basler Sicherheitsdepartements, auf Anfrage. «Die Diskriminierung von Personen verstösst gegen die Werte, welche die Kantonspolizei hochhält. Wir stehen für gegenseitigen Respekt und gegen jede Diskriminierung aufgrund von Rasse, Herkunft, Geschlecht, Glauben oder sexueller Orientierung.»
Weiterhin öffentlich präsent
Der 26-jährige aus Biel stammende Polizist, der sich zum Restaurationsfachmann hatte ausbilden lassen, bevor er die Polizeischule absolvierte, wurde inzwischen vom polizeilichen Frontdienst auf der Strasse abgezogen und ins Büro versetzt. Dennoch bleibt er gegenüber dem Publikum präsent. Denn Adrian Spahr politisiert auf Social-Media-Kanälen munter weiter und konzentriert sich dabei auf den Fahrenden-Platz in Wileroltigen BE, den die Stimmberechtigten im Februar 2020 angenommen hatten. Er ist ihm offenbar ein Dorn im Auge. Auf seine Posts erhält er Reaktionen wie «Bravo, dieses Pack darf man nicht dulden».
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GFBV) wandte sich deswegen vor wenigen Tagen mit einem Brief an Sicherheitsdirektor Baschi Dürr (FDP). Die GFBV hatte den Verband Sinti und Roma Schweiz, der das Verfahren gegen Spahr initiiert hat, beratend unterstützt. Man beobachte die Aktivitäten des jungen Polizisten mit grosser Sorge, heisst es im Schreiben an Baschi Dürr. Trotz hängigem Gerichtsverfahren hetze er auf seinem privaten Facebook-Account weiterhin gegen Jenische, Sinti und Roma. Seine Einträge provozierten Kommentare, die strafrechtlich verfolgt werden könnten, ohne, dass Spahr widerspreche. Personalrechtliche Konsequenzen seien unvermeidbar, schreibt die NGO. Man fordere das Departement dringend dazu auf.
Sprecher Toprak Yerguz lässt durchblicken, dass man sich bei der Polizei schwertut mit der Sache. Polizisten müssen einen einwandfreien Leumund haben, dürfen weder straf- noch betreibungsrechtlich vorbelastet sein. Die Polizei spreche mit den Angestellten, wenn ein politisches Engagement neben dem Polizeijob problematisch sein könnte, sagt Yerguz. Im Fall von Adrian Spahr hätten solche Gespräche wiederholt stattgefunden. Zudem sei er in den Innendienst versetzt worden – zu seinem eigenen Schutz wie auch im Interesse der Polizei. Sollte die Verurteilung rechtskräftig werden, würden personalrechtliche Massnahmen geprüft, sagt Yerguz.
«Was gibt ihm die Sicherheit?»
Inzwischen ist ein Gespräch vereinbart worden zwischen der Gesellschaft für bedrohte Völker und Vertretern der Polizei. «Es ist für uns unverständlich, dass die Kantonspolizei Basel ihre Mitarbeitenden seit Anfang Jahr zwar in Antidiskriminierungskurse schickt, jedoch die Stimmungsmache eines Beamten seit Jahren toleriert», sagt Kampagnenleiterin Angela Mattli. «Warum setzt die Polizei ihre Reputation aufs Spiel? Warum wähnt sich Adrian Spahr trotz Gerichtsprozess und internem Verfahren in der Sicherheit, weiter hetzen zu können?» Auf Anfrage der Redaktion gibt sich Adrian Spahr zunächst offen für eine Stellungnahme. Dann überlegt er es sich anders. Sein bisher letzter Eintrag zum Transitplatz auf Facebook datiert vom 22. Mai.
Auch ein Vorstoss im Basler Parlament will von den politisch Zuständigen Antworten. In jüngster Zeit seien nicht nur in den USA, sondern auch in Europa rechtsextreme Tendenzen in Militär, Polizei und Geheimdiensten enttarnt worden, schreibt Grossrätin Tonja Zürcher (Basta, Basler Alternative) in einer Interpellation, die Ende Mai im Basler Kantonsparlament eingereicht wurde. Sie will vom Regierungsrat wissen, was geschieht, wenn Polizisten sich rassistisch oder rechtsextremistisch äussern – beispielsweise auf Social-Media-Kanälen.