Polizei gegen rechts und links

War die Polizei beim Einsatz gegen Radikale auf dem rechten Auge blind? Der Gemeinderat schaute sich die Sache genauer an.


Autor: Von Ulrike Hark

Rund hundert Skinheads zogen am 5. April grölend durchs Niederdorf, mehrere Jugendliche wurden verletzt. Die Polizei liess sie gewähren. Zwei Wochen später, am 19. April, demolierten Autonome an einem sogenannten „antifaschistischen Spaziergang“ die „Pumpi-Bar“ im Niederdorf – Sachschaden 250 000 Franken. Auch hier griff die Polizei nicht ein. Das Verhalten der Ordnungshüter führte in diesem Sommer nicht nur zu heftigen Protesten und zu Rücktrittsforderungen gegenüber Polizeivorstand Neukomm, es rief auch die Geschäftsprüfungskommission des Gemeinderates (GPK) auf den Plan. Das Ergebnis der Kommission: Unterlassungssünden beim Einsatz gegen die Skinheads, angemessenes Vorgehen hingegen bei dem Vorfall in der „Pumpi-Bar“.

GPK-Präsident Ueli Keller (SP) kritisierte gestern im Rat insbesondere, dass keine Kontrollen durchgeführt und gefährliche Gegenstände beschlagnahmt wurden: „Mit den Baseballschlägern wollten die Skinheads sicher nicht Baseball spielen.“ Zudem sei die Informationspraxis ungenügend gewesen; das Kommando wurde nicht rechtzeitig über die Vorfälle orientiert, und Polizeivorstand Neukomm selber erfuhr davon sogar erst durch einen Journalisten.

Schaut die Polizei bei Ausschreitungen von rechts stärker zur Seite als bei solchen von links? Kellers Parteikollegin Christine Marchetto führte die Beisshemmung gegen rechts darauf zurück, dass Skinheads die Polizei grundsätzlich als Ordnungsgewalt akzeptieren und sich die Polizei somit von rechtsradikalen Jugendlichen weniger bedroht fühlt als von linksgerichteten.

Die AL-Vertreter hingegen gingen mit der Polizei härter ins Gericht als die SP. Niklaus Scherr: „Herr Neukomm, trennen Sie sich endlich von diesen Leuten“, rief er dem Polizeivorstand zu. Über Jahre hinweg seien die Polizeibeamten „gegen links“ abgerichtet worden, „ein Erbe des KK 3“. Der Ruf nach mehr Polizei führe zu nichts: „Doppelt so viele Halbblinde bringen nichts.“ Das einzig Erfolgversprechende in einer solchen Situation sei die richtige Einschätzung der Beamten vor Ort. Scherr geriet in seinem Votum dermassen in Feuer, dass er für eine ausfallende Bemerkung von Ratspräsident Werner Furrer gerügt wurde.

Beim Thema Einschätzung stimmte Scherr sogar mit Robert Schönbächler (CVP) überein, der sein Postulat für eine neue, schlagkräftigere Pikett-Organisation der Stadtpolizei zurückzog. Nicht die technische Machbarkeit sei bei den Ereignissen massgebend gewesen, sondern die Einschätzung, meinte auch Schönbächler.

Die CVP legte in der Diskussion den Finger erwartungsgemäss auf die Probleme des Gewerbes. Hans Diem stellte die Frage nach der Haftung – immerhin sei in der „Pumpi-Bar“ ein Sachschaden von 250 000 Franken entstanden. Emil Grabherr (SVP) äusserte sich erstaunlich moderat; die Zurückhaltung der Polizei in der Bar sei richtig gewesen. Allerdings: „Wo sind die Beweisstücke?“ Und: „Ohne einen gewissen präventiven Staatsschutz ist die Polizei nicht handlungsfähig.“

Robert Neukomm versprach, alles daranzusetzen, dass sich die Fehler nicht wiederholen. Das Risiko für eine erneute Fehlleistung sei „gering“. Allerdings sei die Rechtspraxis beim Anti-Rassismus-Gesetz für Polizisten vielfach unklar. „Was ist ein Hitlergruss – und was ist ein Schweizer Gruss?“ fragte Neukomm. Beide seien sich ähnlich, würden juristisch aber unterschiedlich beurteilt.