Tagesanzeiger vom 10.9.99
Ende der 80er-Jahre schlich sich der Winterthurer Journalist Markus Koch in die rechtsradikale Szene ein. Die Rache der Neonazis kam postwendend am Jahrestag der deutschen Einheit.
Autor: Von Andreas Mösli
Eine Explosion erschütterte am 2. Oktober 1990 kurz vor Mitternacht das idyllische Bütziackerquartier in Töss. Im Parterre des Hauses Nummer 39 zeigte sich ein Bild der Verwüstung: Wände, Decken und Türen waren zerfetzt, zahlreiche Fensterscheiben, ein Motorrad sowie ein Kachelofen in der Wohnung im ersten Stock zerstört. Noch in 50 Meter Entfernung lagen Scherben herum. Ein Brand konnte von Bewohnern gelöscht werden. Wie durch ein Wunder kamen keine Menschen zu Schaden. Das Parterre war unbewohnt, und im ersten Stock war gerade niemand zu Hause.
Die ersten Vermutungen der Behörden über die Ursache stellten sich rasch als falsch heraus. Auslöser war nicht etwa ein unsachgemäss gelagerter Gasbehälter, sondern eine Handgranate aus den Beständen der Schweizer Armee. Nachbarn fanden in ihrem Garten den zerfetzten Stiel der HG 43. Die Bombe hatte eine „erhebliche Zerstörungskraft“, hiess es damals in den Medien.
Für die Quartierbewohner stand von Anfang an fest: Das war ein Anschlag von Neonazis. Denn im Haus wohnte bis vor kurzem der Journalist Markus Koch, der in den Jahren zuvor immer wieder kritisch über rechte und rechtsextreme Kreise berichtet hatte. Besonders übel nahmen ihm die Neonazis, dass er während Monaten verdeckt in der Szene recherchiert hatte. Unterstützt wurde der schwer wiegende Verdacht durch Zeugenaussagen. Nachbarn hatten kurz vor der Detonation beobachtet, wie zwei Männer aus dem Haus liefen.
Kurz vor Weihnachten 1990 präsentierten die Behörden die Täter und zahlreiche beschlagnahmte Waffen: Drei Schaffhauser zwischen 20 und 23 Jahren hatten zugegeben, den Anschlag verübt zu haben. Die beiden Haupttäter waren an vorderster Front aktiv für die rechtsextreme Nationalrevolutionäre Partei der Schweiz. Der Bombenwerfer war Infanterieleutnant – er hatte die Granate aus Armeebeständen geklaut und wurde 1992 zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
Doch warum zündeten die Täter die Bombe am alten Wohnort des Journalisten? Einer der Briefkästen war mit „M. Koch“ angeschrieben. Was die Täter nicht wussten: So hiess auch eine Frau, die ebenfalls im Haus wohnte.