Infosperber.
Am Samstag demonstrierte die rechtsextreme PNOS in Basel. Sie hatte Grosses vor – und scheiterte kläglich.
In der hintersten Ecke des Basler Messeplatzes kauern einige Dutzend rechtsextreme Demonstranten. Sie klammern sich an ihren Fahnen fest, wirken verloren und fehl am Platz. Dabei hätte die «Partei National Orientierter Schweizer» (PNOS) gegen die «überbordende Migration» und den Migrationspakt auf die Strasse gehen und Präsenz zeigen wollen. Im Vorfeld sprachen die Rechtsradikalen von einer «Grossdemonstration» mit 500 Teilnehmenden – es wäre der erste öffentliche Neonazi-Grossaufmarsch seit Jahren gewesen. Es kamen nicht einmal hundert.
Der Plan der PNOS scheitert
Das ist eine bittere Pille für die PNOS und die ganze rechtsradikale Szene der Schweiz. Immerhin schielt sie seit längerem nach Deutschland und in andere Länder, wo besorgte Bürger aus Angst vor Flüchtlingen den Schulterschluss mit der extremen Rechten eingingen und ganze Städte in Atem hielten.
Nach ihrer Ankunft auf dem Basler Messeplatz merken die Neonazis, wie alleine sie sind. Ein Misserfolg für Tobias Steiger, Chef der Basler PNOS-Sektionen, der über Verbindungen zu «Pegida», der «Identitären Bewegung» und zum «Ku-Klux-Klan» verfügt. Bereits in der Vergangenheit wollte der umtriebige Rechtsradikale eine Demonstration in Basel anmelden, er scheiterte an der Bewilligung. Damit hatte es diesmal zwar geklappt – aber auch das brachte kaum Sympathisanten auf die Strasse. Mit David Rouiller, einem ehemaligen PKK-Kämpfer und Gründungsmitglied der Westschweizer Gruppe «Résistance Helvétique», nahm immerhin ein Vordenker der inzwischen wohl aktivsten rechtsradikalen Gruppe der Schweiz teil. Aber auch Rouiller blieb nichts anderes übrig, als einsam mit seiner Fahne zu wedeln und auf die Zähne zu beissen.
Breit abgestützter Gegenprotest
Auf der anderen Seite des Platzes, nur wenige Meter von dem Grüppchen um Steiger entfernt, haben sich rund 300 Gegendemonstranten versammelt. Bis zum Abend wird ihr Protestzug auf über 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer anwachsen. Manche sind vermummt, manche zeigen Gesicht und Flagge: «Herz statt Hetze» steht auf einem Pappkarton. «Geschichtsbücher lesen hilft» auf einem Anderen. Die Teilnehmenden der unbewilligten Gegendemonstration halten Reden, sie singen, tanzen, skandieren «Basel, nazifrei!».
Da die Polizei – trotz Grossaufgebot und Helikopter – den Anfang der Demonstrationen verschlief und die beiden Lager während Minuten nicht voneinander trennt, wird es brenzlig.
Was auffällt: Die Gruppe der Gegendemonstranten ist nicht homogen. Alle Altersgruppen und viele Bevölkerungsschichten sind vertreten. Und das, obwohl die Gegendemonstration nicht bewilligt war und der eigentliche, bewilligte Gegenprotest auf der Dreirosenanlage und damit in sicherer Entfernung zum Messeplatz stattfindet.
Die Vielfalt der Gegenprotestler an der unbewilligten Demonstration auf dem Messeplatz ist offensichtlich. Sobald Demonstranten Sprechchöre gegen die Polizei anstimmen und sich zu Provokationen hinreissen lassen, greifen andere ein, bitten um Bedacht und richten den Fokus der Menge wieder auf die Neonazis.
Die Polizei eskortiert die rechtsradikale Kleinstdemonstration hinter den Messeturm. Unter Polizeischutz und Ausschluss der Öffentlichkeit halten unter anderem Tobias Steiger und der rechtsextreme Karl Richter von der NPD-Tarnliste «Ausländerstopp München» ihre Reden. Davon ist auf dem Messeplatz nichts zu hören, die Gegendemonstranten sind zu laut. Einer spielt vor der Polizeikette Tambourin, ein älteres Paar bittet die Polizisten, die Gewehre zu senken. Einige Demonstranten provozieren die Polizei.
Zusammenstösse auf Strassenkreuzungen
Gegen 14.15 Uhr setzt sich die Gegendemonstration in Bewegung. Obwohl sie den Messeplatz erfolgreich für sich beansprucht und die Rechtsradikalen auf einen kleinen Hinterhof vertrieben haben, wollen die Demonstranten den Messeturm umrunden. Sie suchen die Nähe zu den Rechtsradikalen, wollen ihre Reden übertönen und so die Veranstaltung stören.
Erst versucht ein Teil der Gegendemonstranten eine Polizeikette zu durchbrechen, die Polizei verhaftet zwei von ihnen. Dann setzt sich der gesamte Zug in Bewegung. Zurück bleiben Polizisten in Kampfmontur und eine Taube, die auf dem plötzlich ruhigen Messeplatz nach Futter sucht.
Begleitet von einem Helikopter rückt der Demonstrationszug vor. Zwischen den Gegendemonstranten und der Polizei beginnt ein stundenlanges Katz- und Maus-Spiel: Der Demonstrationszug teilt sich auf, die PNOS-Kundgebung soll eingekreist werden. Die Polizisten müssen das verhindern.
Beim Badischen Bahnhof eskaliert die Situation ein erstes Mal. Die Gegendemonstranten wollen eine Polizeisperre umgehen, die Sicherheitskräfte eröffnen das Antidemo-Feuer. Gummigeschosse prallen auf Menschen. Die Gegendemonstranten ziehen sich zurück. Während sie flüchten, deckt sie die Polizei mit weiteren Gummi-Geschossen ein. Die Demonstranten antworten mit einigen Steinen und Flaschen. Schliesslich nimmt die Polizei die Verfolgung auf und macht damit den Weg in die Mattenstrasse frei, was einige Demonstranten ein Stück näher an die Kundgebung der Neonazis bringt.
Gummigeschosse und Schlägerei fordern Verletzte
Auf der Mattenstrasse sind die Reden der Neonazis zum ersten Mal hörbar. Aufpeitschende Rhetorik, die schon bald im Lärm der Gegendemonstranten untergeht. Es ist eine bizarre Situation. Die Polizei blockiert die Gegendemonstranten nur wenige Meter vor dem Veranstaltungsort der Rechtsradikalen. Hinter der Sperre aus Polizisten steht eine Gruppe von PNOS-Anhängern und guckt böse. Aus den Fenstern der umliegenden Häuser lassen Gegendemonstranten lautstarke Musik ertönen. Das gelbe Absperrband der Polizei flattert im Wind.
Immer mehr Gegendemonstranten strömen in die Mattenstrasse, die Polizei hält die Gewehre im Anschlag. «Haut ab, haut ab» rufen die Demonstranten den Rechtsradikalen zu. «Schweizer Polizisten, schützen die Faschisten» tönt es von weiter hinten. Die Polizisten rufen erst Verstärkung, dann etwas durch das Megafon. Die Menge weicht nicht zurück. Wahllos prasseln Gummigeschosse auf Körper.
Die Polizisten stellen das Feuer ein, der Platz ist übersäht von ihrer Munition. Die Demonstranten sind nur einige Meter zurückgewichen, einige bauen mithilfe von Materialien einer nahe gelegenen Baustelle eine provisorische Barrikade. Andere werfen Flaschen und Steine, worauf die Polizei wiederum mit Gummischrot antwortet.
Gegen 16.00 Uhr sichtet eine Gruppe Teenager einen Rechtsradikalen. Sie treten ihn zusammen, nur mit Mühe kann er wieder aufstehen. In unmittelbarer Nähe liegt ein Gegendemonstrant am Boden, Gummigeschosse haben seinen Kopf getroffen. Er ist nicht ansprechbar, 10 Minuten später transportiert ihn die Sanität endlich ab. Ein Anderer wird später seine von einem Gummigeschoss getroffene Augenbraue zeigen.
Ein historischer Tag?
Gegen 16.15 Uhr zieht sich die Polizei langsam zurück. Schliesslich wird klar: Die Neonazis haben die Veranstaltung vor dem geplanten Ende abgebrochen. Die Polizei hat sie an den Gegendemonstranten vorbeigeschleust. Die Menge jubelt. «Sie sind weg, wir haben gewonnen. Wir sind mehr!», ruft eine Demonstrantin ins Mikrofon.
«Der heutige Samstag, 24. November 2018, geht in Basel wohl als Demonstrations-Samstag in die Geschichte ein (…)» schreibt die PNOS im Nachgang der Demonstrationen. Das wird er aber nicht, weil in Basel zeitgleich mehrere Demonstrationen sowie der Stadtlauf stattfanden, sondern weil sich eine breit aufgestellte Gegendemonstration den Extremisten in den Weg gestellt hat. Weil weit weniger passiert ist, als bei dieser Ausgangslage und der räumlichen Nähe der beiden Lager zu befürchten war. Und weil die Polizei – die eine schwierige Aufgabe zu bewältigen hatte – derart massiven Gebrauch von Gummigeschossen machte, als hätte sie nicht erst vor zwei Jahren einem FC Basel-Fan beim St. Jakobs-Park ein Auge ausgeschossen.
Aber vielleicht geht der Tag in die Geschichte ein als der Tag, an dem ein Grossaufgebot der Polizei mit einem Helikopter während Stunden weniger als hundert Rechtsradikale schützen musste, die in einem Hinterhof in Basel den Reden von Rassisten lauschten.