Plötzlich sind sie richtig gefährlich

WochenZeitung

Von Hans Stutz

Alles Gute kommt von Christoph Blocher. Das meint Roman S. Jäggi, Pressesprecher der SVP Schweiz. Seit Blochers Amtsantritt im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) werde, so Jäggi vergangene Woche in einer SVP-Medienmitteilung, die «linksextreme Gewalt genauso sorgfältig überwacht und statistisch erfasst wie die rechtsextreme». Dazu habe man nun «verlässliche Zahlen». Es habe, so behauptet er, in den vergangenen Jahren eine «sträfliche Fokussierung auf Rechtsextreme» gegeben.

Irreführende Berichterstattung

Der SVP-Pressesprecher reagierte damit auf Berichte in der Sonntagspresse, wonach das Bundesamt für Polizeiwesen für 2006 einen starken Anstieg «linksextrem motivierter Ereignisse» festgestellt habe. Die «SonntagsZeitung» behauptete, es gebe deutlich mehr «linksextreme Straftaten». Die­se irreführende Angabe wurde von der Schweizerischen Depeschenagentur (sda) und der Associated Press (ap), beides Nachrichtenagenturen, eins zu eins abgeschrieben, sodass schliesslich auch das Schweizer Fernsehen und mehrere Tageszeitungen von linken «Straftaten» berichteten.

Was an diesen Berichten irreführend ist, zeigt sich bei genauerer Betrachtung der sogenannten «Ereignisliste», die ein paar wenigen Journalist­Innen geschickt wurde. Die Liste wird vom Dienst für Analyse und Prävention, dem Staatsschutz, erarbeitet und stützt sich auf Meldungen aus den Kantonen. Sie existiert nicht erst seit 2005, wie die «Basler Zeitung» schreibt, sondern schon viel länger. Aber seit dem Amtsantritt von Justizminister Christoph Blocher hat sie an Transparenz verloren: Vor Blochers Übernahme des Departements wurden die Ereignisse mit genauer Ortsangabe und genauem Datum veröffentlicht und konnten nachgeprüft werden.

Seit Blocher das Sagen hat, veröffentlicht das Bundesamt für Polizeiwesen nur noch Kantons- und Monatsangabe. Auch wurde die Beschreibung der Sachverhalte bis zur Schwammigkeit reduziert. So steht denn auch in der Ereignisliste für 2006 vielfach einfach «Auseinandersetzung zwischen Rechts- und Linksextremen» beziehungsweise «Auseinandersetzung zwischen Rechtsextremen und Ausländern». Keine Auskunft gibt die Liste über Fragen wie: Wer griff an – respektive wer wehrte ab oder schlug allenfalls zurück? Wer also ist Täter, wer Opfer? Bei beiden Listen, der der «linksextrem motivierten Ereignisse» und jener der «rechtsextrem motivierten Ereignisse», wird auf das Benennen verzichtet.

Ungenaue Angaben

Konkreter sind da schon die Angaben über die Art der Ereignisse. Was die Medien und der SVP-Pressesprecher als linke «Straftaten» umschreiben, meint in über vierzig Fällen ganz einfach «unbewilligte Kundgebung» oder «unbewilligte Aktion»; dazu kommen noch rund zwanzig unbewilligte Demonstrationen, bei denen Sachschäden angerichtet wurden oder es zur Konfrontation mit der Polizei kam.

Kleines Detail am Rande: Auf der Liste «rechtsextrem motivierter Ereignisse» heisst eine unbewilligte Kundgebung dann allerdings nicht «unbewilligt …», sondern «Marsch Rechtsextremer durch die Stadt». Gemeint ist die Liestaler Kundgebung von Ende 2006 für in U-Haft sitzende Glatzen, die einige Tage zuvor Ausländer angegriffen hatten. Die Baselbieter Behörden hatten damals nicht über den Vorfall berichten wollen.

Unvollständige Liste

Die Liste der «rechtsextrem motivierten Ereignisse» hat ausserdem Lücken. Drei Beispiele:

  • Anfang Juni 2006 meldete die Kantonspolizei Glarus zwei «Rechtsextre­me», die auf einen betrunkenen Fünf­zehnjährigen eingeschlagen hätten. In der Staatsschutzliste taucht dieser Fall nicht auf.
  • Ende Mai wollten Rechtsextreme in Chur ein Konzert stören. Ein Grossaufgebot der Polizei konnte dies verhindern. Rund ein halbes Dutzend Rechtsextremer wurde auf den Posten gebracht. Kein Eintrag.
  • Anfang Dezember gab es im Tessin eine unbewilligte Kundgebung von links. Sie ist auf der Liste erwähnt; dort steht auch, dass rund fünfzig Personen daran teilgenommen hatten. Was man nicht erfährt: Es handelte sich um eine Reaktion auf eine Kundgebung der Giovani Leghisti – der Jugendorganisation der Lega dei Ticinesi -, die zur «Verteidigung der Schweizer Identität» und gegen die «Islamisierung des Tessins» und damit gegen den Bau neuer Moscheen demonstrierte. Teilgenommen hatten daran Jungmitglieder der Lega Nord wie auch der rechtsextremistischen Organisationen Forza Nuova und Fiamma Tricolore. Diese Kundgebung sucht man auf der rechten Liste vergebens.

Im Mai legt das Bundesamt für Polizei den Bericht über die Innere Sicherheit vor.