Pegida-Demo vom Winde verweht

FRAUENFELD. Wahrscheinlich soll es «Frauenfeld bleibt bunt» heissen. Aber der Wind hat das Stück Stoff verdreht, das gestern Vormittag über der Fussgängerbrücke beim Lindenpark an Bäumen befestigt war. Noch heftiger verblasen hat es, so scheint’s, die für Samstag geplante, jedoch nicht bewilligte Platzkundgebung des Schweizer Ablegers der rechtsnationalistischen und islamfeindlichen «Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes» (Pegida).

Pegida Schweiz ist offline

Auf Anfrage erklärt Mike Spielmann, die Demo werde «eher nicht» stattfinden. Gesuchsteller Spielmann wohnt in Frauenfeld und präsidiert Pegida Schweiz. Weil er selber aber «lahmgelegt» worden sei, verweist Spielmann an Pegida-Vorstandskollegen Tobias Steiger aus dem Baselbiet. Steiger, Spielmanns Parteifreund bei der rechtsnationalistischen Direktdemokratischen Partei Schweiz, erklärt die samstägliche Demo in Frauenfeld schliesslich für abgesagt. Er könne die Absage aber nicht kommunizieren. Denn Facebook habe zwischenzeitlich auch seinen Zugang zum Pegida-Schweiz-Account gesperrt.

Spielmann sei mit Regressansprüchen für den möglichen Polizeieinsatz am Samstag konfrontiert worden, sagt Steiger. Von bis zu einer Viertelmillion Franken spricht Spielmann und kapituliert nun – nachdem er Ende Januar noch mit juristischen Konsequenzen von maximal einer 2000-Franken-Busse gerechnet hatte. «Das ist es uns wert», sagte Spielmann damals.

300 bis 500 Teilnehmer

Pegida Schweiz wollte einmal mehr in Frauenfeld demonstrieren. Ende Januar war zuerst der 9. April ins Auge gefasst, dann aber kurzfristig eine Bewilligung für den 5. März beantragt worden. Laut Gesuch des Pegida-Schweiz-Präsidenten Mike Spielmann rechnete man übermorgen mit 300 bis 500 Teilnehmern. Für die Kundgebung vorgesehen war das Obere Mätteli gewesen, zwischen 14 und 17 Uhr. Zum wiederholten Mal mussten die Gesuchsteller seitens der Stadt Frauenfeld eine negative Antwort zur Kenntnis nehmen. Die Argumentation des Stadtrats blieb dieselbe wie bei den schon zuvor nicht bewilligten Pegida-Demonstrationen: die Sorge um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit – nicht zuletzt wegen des Eskalationspotenzials aufgrund der stets schnell angekündigten Gegendemonstrationen. Oder wie es Stadtpräsident Anders Stokholm auch schon formuliert hatte: «Wir wollen gar nicht erst zulassen, dass es eskaliert.»

Nach dem Nein des Stadtrats kamen die Gesuchsteller auf die Idee, nach einem Privatareal in Frauenfeld oder der näheren Umgebung für die Kundgebung zu suchen. Ein Aufruf auf Facebook erfolgte Anfang Woche.

Privater Platz funktioniert nicht

«Wir sind froh, wenn beide Seiten von einer unbewilligten Demonstration in Frauenfeld absehen», sagt Stadtpräsident Stokholm. Stadt und Kantonspolizei würden sich klar auf den Standpunkt stellen: «Wir setzen durch, dass keine unbewilligte Kundgebung stattfindet.» Für Stokholm funktioniert die Idee nicht, die Demonstration auf privatem Grund durchzuführen. Denn schon auf dem Weg zum privaten Veranstaltungsort könnte die öffentliche Sicherheit gefährdet sein. Gemäss kantonalem Polizeigesetz kann die Kantonspolizei Kostenersatz verlangen, wenn ein Anlass einen «ausserordentlichen» Einsatz erfordert oder wenn der Verursacher eines Einsatzes vorsätzlich oder grobfahrlässig gehandelt hat.

Gegendemo wohl unbewilligt

Steiger sieht Pegida Schweiz als Opfer der «linken Gegendemonstrationen». Man werde aber mit mehr Vorlauf einen weiteren Versuch für eine erste Schweizer Pegida-Demonstration wagen. Ort und Datum seien noch nicht bekannt. Ebenfalls nicht klar ist, ob die angekündigte Pegida-Gegendemo am Samstag stattfindet. Für sie wurde ein Gesuch eingereicht. Gemäss Facebook zählt die Gegendemo mittlerweile 200 Teilnehmer. Neu wird auch auf der linken Internet-Plattform Indymedia Schweiz mobilisiert. Ob der Stadtrat für die Gegenveranstaltung eine Bewilligung erteilt, wird erst heute bekannt. Es würde erstaunen, wenn eine Bewilligung erteilt werden würde.

Mahnmal

Neonazis prügelten vor

13 Jahren zwei Jugendliche halbtot

Es ist anzunehmen, dass sich das Stoffbanner des «bunten Frauenfelds» gestern im Lindenpark gegen den geplanten Pegida-Aufmarsch richtete. Möglicherweise flatterte der Stoff mit den farbigen Buchstaben aber auch als mahnende Erinnerung an die Nacht vom 26. auf den 27. Februar 2003. Damals überfielen Neonazis zwei jugendliche Besucher eines Ska-Konzerts im Eisenwerk. Im Lindenpark schlugen die Rechtsradikalen den jüngeren der beiden Jugendlichen so zusammen, dass er bleibende Schäden mit sich trug. Kleinere Scharmützel mit Nazis hatte es schon Ende 2002 gegeben. Am 24. Mai 2003 ging in Frauenfeld eine bewilligte Demo gegen Gewalt und Rassismus über die Bühne mit rund 500 Teilnehmern, zwei Dutzend Neonazis störten diese Kundgebung. Ein grosses Polizeiaufgebot war damals vor Ort. (ma)