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In Frankreich vergeht kein Tag mehr ohne rechtsextreme Attacken gegen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Jetzt wehren sie sich.
Kurz vor Jahresende spitzte sich die Lage zu. Ende November hatte eine Horde Neonazis in Paris drei Eisenbahnergewerkschafter auf einer Pariser Caféterrasse spitalreif geprügelt, weil einer der Bähnler ein antifaschistisches T-Shirt trug. In der Nacht zum 21. Dezember verwüstete ein rechtsextremer Trupp das Lokal der Gewerkschaft SUD im französischen Département Ain, gleich hinter Genf. Zwei Tage später überfielen neofaschistische Schläger eine Demonstration von Uni-Gewerkschaften im südfranzösischen Aix-en-Provence. Es gab mehrere Verletzte. Und zu Silvester griffen Ultrarechte das Haus der Gewerkschaft CGT in Bordeaux an.
Schwarze Liste
Inzwischen vergeht in Frankreich kein Tag ohne eine Attacke auf Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Meist kommen die Rechtsextremen im Rudel, manchmal gleich zu Dutzenden wie in Paris, wo sie mit Stöcken und Ketten auf eine Frauendemo gegen Gewalt und Femizid losgingen.
Gewerkschaften und Linke stehen auf der schwarzen Liste der Anhänger von Eric Zemmour und Marine Le Pen ganz oben – gleich nach Migranten und Frauen. Logisch: In Betrieben mit starken Gewerkschaften haben die Neofaschisten nichts zu melden. Und wo sich die Menschen kollektiv für sichere Renten, demokratische Rechte oder die soziale Sicherheit einsetzen, haben die Rechten regelmässig das Nachsehen. Etwa, als die Gelbwesten 2018/2019 das Land Samstag für Samstag mit ihrem Protest erschütterten. Nur die starke Präsenz von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern unter den Gelbwesten stoppte dabei den Versuch von Le Pens Leuten, die Bewegung für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Präsidentschaftskandidat Zemmour sagt regelmässig den Tod der Gewerkschaften voraus. Sie passen nicht in sein autoritär-neoliberales Programm. Vorläufig ist das mehr Wunsch als Wirklichkeit. Dies gilt auch für Le Pen. Der Marseiller CGT-Gewerkschafter und Filmtechniker Cédric Bottero weiss: «Brechen die Rechtsextremen durch, werden sie die Gewerkschaften zerstören oder durch ihre eigenen Organisationen ersetzen. Dann stehen wir Arbeitende auf verlorenem Posten.»
Besondere Verantwortung
Noch in diesem Monat wird eine Broschüre erscheinen, die alle Überfälle, Drohkampagnen und Aktionen der Rechtsextremen dokumentiert. Ein dicker Katalog. Recherchiert hat ihn eine Organisation, die unter dem Kürzel VISA firmiert. Bottero ist ihr Präsident. In VISA haben sich mehr als 100 Gewerkschaften zusammengetan. Sie wollen das Vordringen der Rechtsextremen in die Arbeitswelt dokumentieren, erforschen und bekämpfen. Darum sind die VISA-Leute neben ihrer Lohnarbeit ständig auf Achse, sie informieren und schulen die Belegschaften und die Gewerkschaftssekretärinnen und -sekretäre. Cédric Bottero sagt: «Wir haben eine besondere Verantwortung.»
Der Zusammenschluss
Denn die Gewerkschaften wissen, was die Statistiken zeigen. Viele Wählerinnen und Wähler der Rechtsextremen stammen aus den arbeitenden Schichten, manche sind vielleicht sogar in einer Gewerkschaft organisiert. Und die Abbaupolitik von Präsident Macron treibt immer mehr in die Arme von Le Pen und Zemmour. Bottero: «Wir müssen zeigen, wie absurd die Pseudolösungen der Rechten sind. Lassen wir uns gegeneinander ausspielen, Prekäre gegen Arbeitslose, Migranten gegen Französinnen, Frauen gegen Männer usw., sind wir tot. Nur geeint und solidarisch, ohne mit der Wimper zu zucken, können wir unsere Existenzen sichern und verbessern.»
Wie ernst die Lage ist, zeigt die VISA-Mitgliederliste: Sie sind alle da – auch Gewerkschaften, die üblicherweise mehr trennt als eint. Von sozialliberalen Kaderorganisationen bis zu den Anarcho-Syndikalisten der CNT. Zumindest in der Arbeitswelt steht die republikanische Front gegen rechts.