Das Besondere am Badener Prozess gegen Jürgen Graf und Gerhard Förster war nicht die Gerichtsverhandlung, sondern die Intensität, mit der die Angeklagten an ihren Behauptungen festhielten: Diese Auffassung vertritt Strafrechtsprofessor Marcel Niggli von der Uni Freiburg.
Zürich. SDA. Die Urteile gegen die beiden Holocaust-Leugner Jürgen Graf und Gerhard Förster (siehe auch Seiten 1 und 2) sind für den Strafrechtsprofessor Marcel Niggli von der Universität Freiburg «nicht besonders hart» ausgefallen. Angesichts der Schwere des Vergehens seien die unbedingten Gefängnisstrafen vertretbar.
Besonders intensive Verbreitung
Die beiden Angeklagten stellten besondere Fälle dar, erklärte Niggli. Sie hätten ihre Propaganda besonders intensiv verbreitet und damit eine strafbare Handlung begangen. Das Vergehen der beiden Verurteilten hätte eine andere Qualität als andere Fälle, die bedingte Gefängnisstrafen zur Folge hatten. Zudem habe sich vor allem Graf uneinsichtig gezeigt, was eine bedingte Strafe ausgeschlossen habe.
Bei der Rassendiskriminierung liege die Maximalstrafe bei drei Jahren Gefängnis und einer Busse von 40’000 Franken. Strenger bestraft werden könnten etwa Diebstähle. «Niemand erwartet aber, dass jemand nach einem ersten Diebstahl gleich unbedingt ins Gefängnis muss», sagte Niggli.
Dass seit Inkrafttreten der Antirassismus-Strafnorm vor drei Jahren nur kurze bedingte Gefängnisstrafen und Geldbussen ausgesprochen worden sind, sei deshalb nicht ungewöhnlich. Das Urteil von Baden mit den unbedingten Gefängnisstrafen stelle aber angesichts der Intensität der strafbaren Handlungen keine Trendwende dar.
Wenn Niggli die Angeklagten auch als besondere Fälle bezeichnet, so handelte es sich seiner Ansicht nach beim Prozess um einen ganz normalen Fall. Bislang seien praktisch nur überzeugte Rassisten und Antisemiten wegen Rassendiskriminierung vor Gericht gekommen. «Das Volk ist kaum betroffen», sagte Niggli. Es sei nur insofern ein spezieller Prozess, weil Graf und Förster wichtige Figuren in der schweizerischen Auschwitzleugner-Szene seien.
Signalwirkung möglich
Aus diesem Grund könnte das Urteil auch eine gewisse Signalwirkung haben. Die Verurteilten stellten Leitfiguren in der Szene der Auschwitzleugner dar; dass sie nun schuldig gesprochen wurden, wirke sich möglicherweise auf diese Szene aus.
In ihrer Wirkung auf die gesamte Bevölkerung unterscheide sich die Antirassismus-Strafnorm aber kaum von anderen Strafnormen, sagte Niggli. «Primär bestätigt sie die Bevölkerung in ihren Ansichten, was als moralisch und was als verwerflich zu gelten hat.» Die Strafnorm habe einerseits eine symbolische Wirkung, andererseits aber auch einen direkten Effekt auf die europäische Revisionistenszene. Diese könne sich nun nicht mehr so leicht in der Schweiz treffen.
40 Urteile bisher
Seit das Antirassismusgesetz in Kraft ist, dürften bisher gegen 40 Urteile gefällt worden sein. Die bisher höchste Gefängnisstrafe lag bei vier Monaten Gefängnis bedingt, die höchste Busse bei 20’000 Franken.
Im Frühling 1996 wurden zwei St. Galler Autopartei-Grossräte wegen rassistischer Wahlpropaganda zu einer Busse von je 500 Franken und zur Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt. Im März 1997 wurde Emil Rahm in Schaffhausen wegen der Verbreitung des Buches «Geheimgesellschaften, Band I» von Jan van Helsing zu einer Busse von 5000 Franken und zur Zahlung der Verfahrenskosten von 11’100 Franken verurteilt.
Exponenten der Universalen Kirche mussten sich 1997 zweimal wegen Verstosses gegen das Antirassismusgesetz verantworten: Im März bestätigte das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden den Schuldspruch gegen den Leiter der Kirche wegen eines Schreibens mit antisemitischem Inhalt. Er wurde zu einer bedingten Gefängnisstrafe von vier Monaten und zu 5000 Franken Busse verurteilt. Ein weiteres Führungsmitglied der Kirche zu einer Busse verurteilt.
Fall Fischbacher
Aufsehen erregte auch der Fall des St. Galler Arztes Walter Fischbacher, der letztes Jahr wegen eines Rundschreibens mit antisemitischen Passagen zwei Monate Gefängnis bedingt erhielt. In der Westschweiz wurden zwei Buchhändler vor Gericht zitiert, weil sie Bücher des umstrittenen französischen Autors Roger Garaudy vertrieben hatten. Im Kanton Waadt endete das Verfahren mit einem Freispruch, im Kanton Genf mit einer Busse.