von Beat Kraushaar und Michael Fichter
BASEL. Die braune Brut tritt immer hemmungsloser auf. Nach dem Aufmarsch in Brig (BLICK berichtete) kam es am Wochenende schon wieder zu einem grossen Treffen. Diesmal in Basel.
Wieder zogen Neonazi-Horden durch die Schweiz. Am Samstag lockte ein Mega-Rave in der Basler St. Jakobshalle. Der Anlass war zwar unpolitisch. Aber die Techno-Musik zog neben 8000 «normalen» Jugendlichen auch über hundert Neonazis an. Angelockt vor allem durch Hardcore-Techno-Musik.
Über hundert Glatzen reisten mit öffentlichen Verkehrsmitteln an den Rave – und profitierten sogar von Rabatt beim SBB- und Konzertticket.
Wenig Freude hatten die Bahnreisenden und das Zugspersonal. So regte sich ein Kondukteur im 6- Uhr-Schnellzug Basel-Brig über die rund 40 Neonazis auf, die auf der Rückreise mit günstigen Billetten im Zug sassen.
Und die Kantonspolizei Basel erhielt morgens um 9 Uhr einen Anruf, dass sich rund 30 Glatzen in der Schalterhalle aufhielten. «Als die Polizei mit uniformierten und zivilen Beamten anrückte, waren die Rechtsextremen schon weg. Sie sassen bereits im Zug nach Zürich», sagt Markus Melzl, Sprecher der Basler Staatsanwaltschaft, zu BLICK.
Wie gut Neonazis organisiert sind, erfuhr am 17. September auch die Walliser Kantonspolizei. In Brig besuchten 400 ein Konzert. Sie hetzten gegen Juden und Ausländer.
Das Konzert war seit Wochen auf dem Internet angekündigt – ohne Ortsangabe. Der Inlandnachrichtendienst (DAP) informierte die Walliser Polizei erst am Samstagmorgen. DAP-Sprecherin Daniele Bersier: «Wir können die Informationen erst weitergeben, wenn sie konkret sind.» In diesem Fall zu spät.
«Wir wussten noch immer nicht, wo der Anlass genau stattfinden sollte», sagt Polizeisprecher Renato Kalbermatten. «Um 16 Uhr erhielten wir vom Zoll in Gondo die Meldung, dass Autos mit Neonazis unterwegs waren.» Um 16.30 Uhr wusste die Polizei: Ziel war das «Crazy Palace» bei Brig.
Und warum hat die Polizei nicht interveniert gegen die Judenhetze und «Sieg Heil»-Rufe? «Für einen Grosseinsatz war es zu spät. Es hätte bei einer Eskalation Verletzte auf beiden Seiten gegeben», sagt Kalbermatten. «Also haben wir alle verfügbaren 30 Polizisten zusammengezogen und Personenkontrollen gemacht. Die Veranstalter haben wir gewarnt, dass das Konzert strafrechtliche Folgen haben wird.»
Gegen die Organisatoren des Neonazi-Konzerts und den Vermieter der Disco läuft jetzt ein Strafver- fahren.
«Rundschau» will Neonazi-Bilder nicht rausrücken
BRIG/ZÜRICH. Streit um Bilder von Neonazis. Die Walliser Polizei prüft rechtliche Schritte gegen SF DRS.
Heimlich filmte die «Rundschau» von SF DRS ein illegales Neonazi-Konzert in Brig. Man sah, wie Juden aufs übelste beschimpft und Adolf Hitler verehrt wurden. Jetzt fordert die Walliser Polizei die Herausgabe des Filmmaterials für die laufende Strafuntersuchung. Doch SF DRS weigert sich. Sprecher Urs Durrer sagte zum Oberwalliser Lokalradio «Rottu», dass man dies nur bei Körperverletzungsdelikten oder Mord mache. Inakzeptabel, sagt die Polizei. Sprecher Renato Kalbermatten zu BLICK: «Weil damit Beweismaterial zurückgehalten wird, prüfen wir jetzt rechtliche Schritte gegen SF DRS.»
«Herr Blocher darf sich nicht weiter aus der Verantwortung stehlen»
SCHWYZ. Jetzt gerät Christoph Blocher (64) im Parlament unter Druck. Die Schwyzer SP-Nationalrätin Josy Gyr-Steiner (55) aus Einsiedeln will vom Justizminister endlich Klartext zu den Rechtsextremen.
Sie schaut ständig auf die Uhr, aber es wird immer klarer: Es reicht nicht mehr. Es ist schon fast 16 Uhr. Die Fragestunde im Nationalrat vom Montag letzter Woche geht zu Ende, ohne dass Blocher Josy Gyrs nachdenkliche Frage zu seinem Verständnis über Rechtsextremismus persönlich beantworten kann.
Blochers Antwort kommt deshalb schriftlich. Und erzürnt die bodenständige Frau aus der Innerschweiz.
Denn der Justizminister bleibt dabei: Von Linksextremen geht mehr Gewalt aus als von Rechtsextremen. Das linke Mobilisierungspotenzial müsse weit grösser dimensioniert werden. Und am Schluss der Antwort heisst es: «Gesinnungen spielen dabei keine Rolle.»
Jetzt hat die Innerschweizerin genug: «So geht das nicht. Seit den traurigen Ereignissen auf dem Rütli windet sich Blocher. Ist der Mann auf dem rechten Auge blind?»
In der letzten Sessionswoche will sie deshalb Unterschriften für eine Interpellation sammeln: «Herr Blocher darf sich nicht weiter aus der Verantwortung stehlen.» Vor allem will sie eine Überarbeitung des Extremismusberichtes des Bundesrates erwirken, auf dessen umstrittene Erkenntnisse Blocher sich immer wieder stützt. Und der, notabene, zur Hauptsache auf Blochers Inland-Nachrichtendienst DAP von Urs von Daeniken fusst.
Josy Gyr-Steiner hat immer wieder dieselben Bilder vor Augen:
· den Buben aus Frauenfeld, den Skinheads beinahe totgeschlagen hätten und der zeit seines Lebens behindert bleiben wird;
· die Juden-Hetze an den scheusslichen Neonazi-Konzerten, gegen die nicht richtig eingeschritten wird.
«Wir haben ein Antirassismus-Gesetz. Wieso macht Blocher nicht mehr?», fragt sich die Frau aus Einsiedeln.
Georges Wüthrich