Neonazis führen Corona-Demonstration an

Sonntagszeitung.

Rechtsradikale kapern eine Kundgebung mit rund 2000 Teilnehmenden in Bern und setzen sich kurzerhand an die Spitze des Umzugs. Die Massnahmengegner folgen ihnen ahnungslos.

Erstmals seit Beginn der Corona-Demonstrationen in der Schweiz hat eine Gruppe von 30 bis 40 Rechtsradikalen am Samstag in Bern eine Manifestation der Massnahmengegner gekapert und sich an die Spitze des Demonstrationszugs gesetzt. Federführend war dabei die Neonazigruppe Junge Tat, unterstützt von Mitgliedern der Nationalen Aktionsfront (NAF), Blood & Honour und der Hammerskins.

Der Winterthurer Manuel C., ehemals Chef der Eisenjugend und jetzt Anführer der Jungen Tat, sprach dabei auch mit einem uniformierten Polizisten die Marschroute ab. Der Beamte war damit einverstanden. Die Kantonspolizei Bern bestätigt, dass jemand mit einem Beamten über die beabsichtigte Route gesprochen habe, hält aber fest, dass «von einer Absprache im eigentlichen Sinn keine Rede sein könne».

Andere vermummte Mitglieder der Jungen Tat kommandierten Demonstrantinnen und Demonstranten in der Berner Altstadt herum und skandierten durch Megafone «Widerstand», «Liberté» und «Berset muss weg!».

Nach österreichischem Vorbild

Am Anfang spaltete sich die Jugendgruppe Massvoll ab und versuchte, den Demonstrationszug direkt zum Bundesplatz zu dirigieren. Doch die meisten Manifestanten folgten den Neonazis ahnungslos. Aus Diskussionen im Umzug liess sich schliessen, dass viele Teilnehmende sich fragten, wer die vermummten Gestalten an der Spitze seien.

Übernommen hat die Junge Tat, die Jugendbewegung der rechtsextremen NAF, dieses Vorgehen von ihren Kameradinnen und Kameraden in Wien, wo die Demonstrationen der Massnahmengegner schon seit längerem von Neonazis angeführt werden. Auf dem Bundesplatz nervten sich manche Demonstrierende, dass die vermummten Neonazis alle Blicke auf sich zogen.

«Die machen alles kaputt, kapern einfach unsere Demo, und niemand, nicht einmal die Polizei, unternimmt etwas», ruft ein junger Mann. Eine einzelne Frau mit einer Fahne der anarchistischen Freien Linken mischt sich deshalb unter die Neonazis, sie möchte diesen die Bühne nicht überlassen. Ein tätowierter Rechtsradikaler will sie davon abhalten, weil die rote Fahne das Bild stört, lässt dann aber von ihr ab.

Bei geschätzten 2000 Teilnehmenden entsprechen 40 Neonazis zwei Prozent aller Demonstrierenden. Das wirkt wie wenig, doch noch vor wenigen Monaten lag dieser Wert bei weit unter einem Prozent.