Neonazis auf Umwegen

SolothurnerZeitung

Behörden lassen Demo doch zu ? Und lotsen die Kundgebung durch ein Aussenquartier

appenzell. Die von Neonazis geplante Kundgebung zum Rathaus in Appenzell verhinderte am Samstag ein massives Polizeiaufgebot. Dennoch durften 120 Extremisten marschieren ? und Ylenias Ermordung für ihre Zwecke missbrauchen.

Andreas Fagetti

Als im September bekannt wurde, dass hinter der ordentlich angemeldeten «Demonstration gegen Kinderschänder» die rechtsextreme Gruppierung «Freie Nationale Kameradschaft Schweiz Germania» steckte, widerriefen die Appenzeller Behörden die Bewilligung. Am Samstag durften teilweise vermummte Extremisten und Extremistinnen dennoch ihre Plakate und T-Shirt-Botschaften gegen Kinderschänder und für die Todesstrafe zur Schau tragen und schliesslich Blumen beim Hallenbad Appenzell niederlegen, wo Ylenia am Morgen des 31. Juli zum letzten Mal gesehen worden war.

Für die Todesstrafe

Aber eigentlich hätten die Glatzköpfe ihre Losungen lieber mitten durch den Touristenort Appenzell getragen und die Blumen beim Rathaus niedergelegt. Zwischen 12.30 und 13.30 Uhr trafen auf dem Brauereiparkplatz, wo Feuerwehrleute seit dem frühen Morgen postiert waren, ein ums andere Mal Autos aus der ganzen Deutschschweiz und aus Deutschland ein. Das Medieninteresse war enorm. Die Berichterstattung im Vorfeld hatte bereits über die Region hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt. Mehr als zwanzig Medienleute waren vor Ort. Die Meldungen über das samstägliche Ereignis fielen in den nationalen elektronischen Medien und in den Sonntagszeitungen dann allerdings knapp aus. Denn der erwartete Showdown zwischen Neonazis und Linksextremen blieb aus.

Die sich formierenden Glatzköpfe zogen zahlreiche Schaulustige an. «White Power», «Für alle Länder ? Todesstrafe für Kinderschänder» war auf T-Shirts der Neonazis zu lesen. Womit dem unaufgeklärten Zuschauer bewusst wurde, worum es diesen Gutmenschen geht.

Die Frage stand im Raum: Findet die illegale Kundgebung nun statt? Eines war klar: Ins Ortszentrum würde sie nicht führen, die Behörden erlaubten es nicht. Das kleine Innerrhoder Korps wäre der Situation allein kaum gewachsen gewesen. Und so kontrollierten Polizeigrenadiere und Kantonspolizisten aus den acht Konkordatskantonen die strategisch wichtigen Zugänge zum Innerrhoder Hauptort. Wer von Hundwil oder Gais her kam, passierte Kontrollen. Man hätte glauben können, ein wichtiger Staatsmann besuche Innerrhoden. Niemand sprach es offiziell aus, aber die Angst vor Ausschreitungen, wie sie vor Wochenfrist Bern erlebt hatte, war offenkundig.

Neue Route ausgehandelt

Auch innerhalb des Ortes hielten Polizisten alle Zugänge entlang der schliesslich zwischen Behörden und Neonazis ausgehandelten neuen Route besetzt. Denn im Vorfeld hatte die «Antifaschistische Aktion» mit Gegenaktionen gedroht, falls die Behörden die Demo nicht zu verhindern wüssten. Falls die «Antifa» da war ? und laut «NZZ am Sonntag» waren «linke Grüppchen» da ? gab es für sie kein Durchkommen. So kam es zu keinem Zwischenfall, obschon die Behörden die Kundgebung, die sie verboten hatte, aus nicht ersichtlichen Gründen doch noch zuliess.

Die auf 13.30 Uhr angekündigte Demo legte mit Verspätung vom Brauereiparkplatz ab und führte schliesslich der Sitter entlang zum Hallenbad. Oben bei der Kirche Appenzell hatten sich zahlreiche Schaulustige eingefunden. Vereinzelt ertönten Pfui-Rufe. Schweigend marschierten die Neonazis durchs Aussenquartier, ein Sprecher beschwerte sich beim Hallenbad über die Verlegung der Route. Dann wurden Blumen niedergelegt. Stumm ging es die vielleicht 700 Meter zurück zum Parkplatz. Dann löste sich der Neonazi-Spuk rasch auf.