Neonazi-Morde: Neue Berner Spur

 

Der Sonntag vom 04.12.2011

Helfer der Terror-Zelle war wochenlang in der Schweiz

 

beat kraushaar und sandro brotz

André Kapke ist eine Schlüsselfigur im engsten Umfeld der rechten Terrorzelle von Zwickau (D). Er ist die rechte Hand von Ex-NPD-Kadermitglied Ralf Wohlleben, der seit Dienstag in Haft sitzt – er soll dem Mörder-Trio Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos eine der beiden Tatwaffen geliefert haben.

Jetzt kommt aus: Kapke hat sich in den letzten beiden Jahren für mehrere Wochen im Raum Bern aufgehalten. Die Rede ist von einem Einsatz als Gerüstebauer mit seiner Firma. Es ist naheliegend, dass er auch Kontakt zu befreundeten Schweizer Neonazis hatte. Der Kapke-Hinweis stammt von MDR-Journalist Axel Hämmerling, der diese Woche enthüllte, dass die drei Mörder auf der Ostseeinsel Fehmarn in einem Auto mit Schweizer Kennzeichen gesehen wurden. «Die Information über Kapkes Schweizer Aufenthalt stammt aus denselben Polizeikreisen», sagt Hämmerling.

Kapke ist bei den Neonazis eine grosse Nummer. Die deutschen Ermittler sind überzeugt, dass die damaligen NPD-Mitglieder Wohlleben und Kapke gefälschte Pässe für das abgetauchte Trio besorgen wollten. In der rechtsextremen Szene verbreitete Kapke, er habe die Papiere besorgt, doch sie seien ihm aus dem Auto gestohlen worden.

Vor der Verhaftung von Wohlleben als mutmasslicher Unterstützer der Terrorzelle ist auch Kapke verhört worden. Dabei ging es ebenfalls um seine Verbindungen zu den rechtsextremen Mördern. Kapke und Wohlleben sind als gewalttätig bekannt und wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Köperverletzung und Nötigung verurteilt.

Dass Kapke sich längere Zeit im Raum Bern aufhielt, ist kaum ein Zufall. Hier unterhält die rechtsextreme Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) ihren Hauptstützpunkt. Kapke hatte regelmässigen Kontakt zum Ex-Pnos-Pressesprecher Mario Friso. Er führte mit Kapke ein längeres Interview für eine rechtsextreme Internetseite und trat als Redner in Zwickau auf (im «Sonntag»). Über einen Aufenthalt Kapkes in Bern sei ihm nichts bekannt, behauptet Friso.

Auch die rechtsextreme Band «Indiziert» aus dem bernischen Burgdorf trat in der Heimat der Zwickauer Zelle beim Fest der Völker sowie mehrmals bei NPD-Veranstaltungen auf. «Indiziert»-Sänger Dominic Lüthard aus Roggwil ist Präsident der Pnos und kandidierte 2006 für den Berner Grossen Rat. Lüthard wurde unter anderem im Jahr 2002 in Langenthal verhaftet, weil er auf Türken eingeschlagen hat. Das Gericht verurteilte ihn zu acht Tagen Gefängnis bedingt.

Bereits vor den Enthüllungen um die Verbindungen zwischen Schweizer Neonazis und der Zwickauer Zelle wurde bekannt, dass eine der Tatwaffen von einem Waffenhändler im solothurnischen Derendingen stammte. Dennoch verhalten sich die Schweizer Behörden zurückhaltend. «Wir stehen mit den deutschen Kollegen im Kontakt. Ein formelles Rechtshilfegesuch für Hausdurchsuchungen, Telefonüberwachungen oder Ähnliches, wurde bisher aber nicht gestellt», sagt die Fedpol-Informationschefin Danièle Bersier.

«Auf dem rechten Auge blind», kritisiert der Aargauer Neonazi-Szenekenner Heinz Kaiser das passive Verhalten. «Wären die Täter Islamisten, hätte die Polizei schon lange zugeschlagen.» Im Gegensatz zu den Schweizer Ermittlern sind die Deutschen Amtskollegen interessiert an Kaisers Informationen über die Schweiz-Zwickau-Connection.