Neonazi-Fackelzug durch Zürcher Dorf

20 Minuten vom 17.02.2012

HOMBRECHTIKON. Über 50 Rechtsextreme sind am Montagabend mit Fackeln durch Hombrechtikon gezogen. Gemeinde und Polizei wussten nichts vom Neonazi-Aufmarsch.

Gespenstische Szenen am Montag nach 20 Uhr in Hombrechtikon: Dutzende Männer mit brennenden Fackeln in den Händen zogen auf der Hauptstrasse durch die Zürcher Landgemeinde. Vor sich trugen sie ein Transparent, das an die Bombardierung von Dresden am 13. Februar 1945 erinnerte. Durch Bomben, die britische und amerikanische Kampfflugzeuge abgeworfen hatten, waren damals bis zu 25 000 Menschen ums Leben gekommen. «Die Teilnehmer des Umzugs waren zwischen 20- und 30-jährig, alle waren dunkel gekleidet», sagte ein Anwohner, der die Szenerie beobachtet hatte, zu 20 Minuten. Die Gruppe sei schweigend durch das ganze Dorf marschiert.

Bei der Kantonspolizei Zürich hat man keine Kenntnis von dem Neonazi-Aufmarsch, wie es auf Anfrage hiess. Laut Hombrechtikons Gemeindepräsident Max Baur (FDP) haben die unbekannten Veranstalter nicht um eine Bewilligung ersucht. «Eine Bewilligung hätten wir auch nicht erteilt», so Baur. «Menschen mit einer solchen Gesinnung wollen wir in ihren Aktionen nicht unterstützen.» Er hoffe, dass sich so etwas nicht wiederhole. Warum die Neonazis ausgerechnet nach Hombrechtikon gekommen seien, könne er sich nicht erklären: «Wir hatten früher mal Probleme mit jungen Neonazis, aber das hat sich schon vor fünf Jahren beruhigt.» Die Initianten des Marsches scheinen stolz auf ihre Aktion zu sein: 20 Minuten wurden anonym Fotos des Fackelzugs zugeschickt – vermutlich aus diesen Kreisen. marco lüssi

 

«Dies deutet auf eine grössere aktive Szene hin»

Herr Stutz*, Dutzende Rechtsextreme ziehen durch ein Zürcher Dorf, um der Bombardierung Dresdens zu gedenken. Überrascht Sie das?

Hans Stutz: Meines Wissens ist ein solcher Fackelzug in der Deutschschweiz eine Premiere. Nur in Genf hat es letztes Jahr zum Jahrestag eine kleine Kundgebung gegeben. Bekannt ist seit langem, dass Schweizer Neonazis für dieses Datum nach Dresden reisen. Das Gedenken an den «Bomben-Holocaust», wie er in diesen Kreisen genannt wird, hat für die Neonazis einen hohen Stellenwert.

Wie kann es sein, dass diese Aktion stattfinden konnte, ohne dass die Polizei etwas mitbekam?

Die Schweizer Neonazi-Szene kann sehr schnell eine beträchtliche Zahl Leute mobilisieren, ohne dass davon etwas nach aussen dringt.

Ist mit weiteren solchen Kundgebungen zu rechnen?

Dieser Fackelzug deutet jedenfalls darauf hin, dass es im grösseren Umkreis von Hombrechtikon wieder eine grössere, aktive rechtsextreme Szene gibt. Das muss man genau beobachten.

*Hans Stutz ist Rechtsextremismus-Experte.