Tages-Anzeiger vom 04.05.2012
Ein Rechtsextremer mischte sich beim 1.-Mai-Umzug in Bern unter Leute des VPOD. Jetzt ist da Feuer im Dach.
Die 1.-Mai-Feier in Bern verlief friedlich. Was viele Umzugsteilnehmer aber nicht mitbekamen: Im Block der Gewerkschaft VPOD (siehe Box) kam es zu einem Aufstand der Demonstranten – wegen eines Neonazis, der mitmarschieren wollte. Laut Augenzeugen hatte der Mann am Hinterkopf Tätowierungen, welche einschlägige Nazisymbole zeigten, unter anderem den Totenkopf der SS. Trotzdem habe der Ordnungsdienst den Mann nicht sofort zum Verlassen des Umzugs aufgefordert.
In einem offenen Brief an die VPOD-Sektion Bern werfen zwei Besucher der 1.-Mai-Feier den Gewerkschaftern vor Ort und dem Ordnungsdienst vor, sie hätten «die Teilnahme des Neonazis an der Demonstration in keiner Weise infrage gestellt – im Gegenteil: diese sogar verteidigt». Auch seien im VPOD-Block «holocaustverharmlosende und grundsätzlich fremdenfeindliche Aussagen» gemacht worden. Die Unterzeichner verzichteten daraufhin auf eine Teilnahme am Umzug.
«Es hätte auch ein Redskin sein können»
Das Schreiben sorgt für grossen Ärger in Berner Gewerkschaftskreisen. Es war auch Thema an der Sitzung des VPOD-Sektionsvorstands am Mittwochabend. Gegenüber bestätigt Regionalsekretär Michel Berger, dass sich ein einzelner Neonazi unter die Umzugsteilnehmer gemischt habe. Dass die Verantwortlichen vor Ort nicht sofort reagiert hätten, habe vor allem daran gelegen, dass Beschuldigungen allein nicht ausreichten, «sondern wir wollen und müssen solche massiven Vorwürfe abklären», so Berger.
Der Ordnungsdienst sei mit dem Einteilen des Demonstrationszuges beschäftigt gewesen. Dabei sei man auf «lautstarke Diskussionen» wegen dieses Neonazis aufmerksam geworden. «Der nächste Schritt wäre dann die Identifizierung des Neonazis gewesen», sagt Berger. «Sprich, wer kennt ihn und was hat er bei uns zu suchen?» Der Gewerkschafter weist zudem darauf hin, dass der Mann aufgrund seines Äusseren durchaus auch ein Redskin hätte sein können. Diese seien bekanntlich Antifaschisten. Ein Teilnehmer habe den Mann dann dazu gebracht, den Umzug zu verlassen.
Streit um Rassismus beim VPOD
Zu den fremdenfeindlichen Aussagen in seinem Block, die im offenen Brief erwähnt werden, kann der Regionalsekretär keine konkreten Angaben machen. Er selber sei zwar vor Ort gewesen, habe aber keine solche Aussagen gehört. Sollten sich VPOD-Mitglieder tatsächlich in dieser Art und Weise geäussert haben, sei dies beschämend. Berger betont: «Wir dulden keine Neonazis in unserer Gewerkschaft. Und wir hätten auch keine Neonazis in unserer Demogruppe geduldet.» Es habe sich hier um einen Einzelfall gehandelt.
In Gewerkschaftskreisen machen aber auch noch andere Geschichten die Runde. Zum Beispiel, dass es in der VPOD-Sektion der Stadt Bern fremdenfeindliche Strömungen gebe. Eine Darstellung, die der frühere Präsident Fritz Gfeller – seit dem 1. Mai in Pension – so nicht gelten lassen will. Gfeller sagt aber, er sei mit unterschwellig rassistischem Gedankengut konfrontiert worden. Dagegen habe er sich als Präsident stets vehement gewehrt.
VPOD-Regionalsekretär Michel Berger lässt solche Vorwürfe nicht gelten. Wer rechtsextremes Gedankengut vertrete, werde sofort ausgeschlossen.