Berner Zeitung
Das Areal der Langenthaler Porzellanfabrik als Hort der Neonazis: Jede Woche
treffen sie sich in einer ehemaligen Lagerhalle zum Biertrinken und Partymachen.
Jetzt hat die Stadt eine Aussprache durchgeführt.
Von Auswärtigen wird die Stadt Langenthal gerne als Hort der rechten Szene bezeichnet –
offenbar nicht ganz zu Unrecht. Seit gut einem Jahr blüht auf dem Areal der Langenthaler
Porzellanfabrik ein Nazitreffpunkt auf. Meistens am Freitagabend treffen sich die Glatzköpfe in
einer alten Lagerhalle, trinken Bier, hören laute Musik und sorgen mit ihren Autos für Lärm bis in
die frühen Morgenstunden hinein.
Für die Bewohner der angrenzenden Blumenstrasse ein grosses Ärgernis. «Etwa zehn Mal
habe ich schon die Polizei angerufen, doch passiert ist bisher nichts», sagt Markus Baggenstos,
der direkt neben der Lagerhalle wohnt. «Wenn das so weitergeht, müssen wir Nachbarn uns
zusammenschliessen und gemeinsam etwas unternehmen.»
Fronten sind verhärtet
Am Dienstagabend haben sich Anwohner und Rechtsextreme schon mal zu einer Aussprache
auf der Stadtverwaltung getroffen. Mit dabei auch Polizeiinspektor Andreas Ryf und
Stadtpräsident Thomas Rufener. «Die Fronten sind verhärtet», weiss Ryf. Doch das Gespräch
habe in einem kultivierten Rahmen stattgefunden, gewisse Lösungsansätze seien vorhanden.
Vertreten wurden die Rechtsextremen von zwei einschlägig bekannten Figuren: Benjamin Lingg,
der als privater Mieter auftritt, und Dominic Lüthard, Vorsitzender der Partei national orientierter
Schweizer (Pnos) in Langenthal. Beide gehören zur rechtsextremen Burgdorfer Rockband
Indiziert – wobei die Porzi-Halle nicht etwa deren Übungslokal sei, wie Lüthard betont. Es
handle sich da um «einen patriotischen Raum für einen grösseren Freundeskreis.»
Ein Freundeskreis, der offenbar ziemlich gross ist: «Fahrzeuge aus der ganzen Schweiz, aus
Deutschland und Italien stehen manchmal dort», sagt Anwohner Markus Baggenstos. «Als
Privatperson würde ich es nicht wagen, mich bei diesen Leuten persönlich über den Lärm zu
beklagen.»
Scheiben und Zaun kaputt
Ausgeartet ist das rechtsextreme Treiben in der Nacht vom 21. auf den 22.März. Etwa 50
Personen hätten damals «ein kleines Festli gefeiert», wie Dominic Lüthard sagt. Offenbar
wegen einer Frauengeschichte gerieten sich zwei der Glatzköpfe in die Haare, es kam zur
Schlägerei, wobei der Zaun eines Einfamilienhauses in die Brüche ging. In derselben Nacht
wurden im autonomen Kulturzentrum Lakuz an der Farbgasse mehrere Fensterscheiben
eingeschlagen. Alles Zufall? «Ich hoffe nicht, dass unsere Gäste damit etwas zu tun haben»,
sagt Lüthard.
«Schliessung ist schwierig»
Trotz allem sieht die Stadt Langenthal von drastischen Massnahmen ab. «Das Lokal einfach zu
schliessen wäre schwierig», ist Polizeiinspektor Andreas Ryf überzeugt. «Da müssten schon
klare Verstösse gegen das Gesetz vorliegen.» Allerding bleibe die Stadt nicht untätig. An der
Aussprache am Dienstag wurde den Rechtsextremen mitgeteilt, dass sie zusätzliche
Massnahmen zur Lärmdämmung ergreifen müssen und in Zukunft nicht mehr über die
Blumenstrasse zu ihrem Lokal fahren dürfen. «Von dieser Seite her wird der Zugang am Abend
abgesperrt», sagt Ryf.
Besitzerin des Gebäudekomplexes, zu dem neben dem Nazitreff auch eine Brockenstube
gehört, ist eine Unternehmerin aus Lotzwil. Für eine Stellungnahme zu den Neonazis war sie
gestern nicht erreichbar.
Stefan Schneider