Berner Zeitung vom 04.06.2009
Das Areal der Langenthaler Porzellanfabrik als Hort der Neonazis: Jede Woche treffen sie sich in einer ehemaligen Lagerhalle zum Biertrinken und Partymachen. Jetzt hat die Stadt eine Aussprache durchgeführt.
Stefan Schneider
Von Auswärtigen wird die Stadt Langenthal gerne als Hort der rechten Szene bezeichnet – offenbar nicht ganz zu Unrecht. Seit gut einem Jahr blüht auf dem Areal der Langenthaler Porzellanfabrik ein Nazitreffpunkt auf. Meistens am Freitagabend treffen sich die Glatzköpfe in einer alten Lagerhalle, trinken Bier, hören laute Musik und sorgen mit ihren Autos für Lärm bis in die frühen Morgenstunden hinein.
Für die Bewohner der angrenzenden Blumenstrasse ein grosses Ärgernis. «Etwa zehn Mal habe ich schon die Polizei angerufen, doch passiert ist bisher nichts», sagt Markus Baggenstos, der direkt neben der Lagerhalle wohnt. «Wenn das so weitergeht, müssen wir Nachbarn uns zusammenschliessen und gemeinsam etwas unternehmen.»
Fronten sind verhärtet
Am Dienstagabend haben sich Anwohner und Rechtsextreme schon mal zu einer Aussprache auf der Stadtverwaltung getroffen. Mit dabei auch Polizeiinspektor Andreas Ryf und Stadtpräsident Thomas Rufener. «Die Fronten sind verhärtet», weiss Ryf. Doch das Gespräch habe in einem kultivierten Rahmen stattgefunden, gewisse Lösungsansätze seien vorhanden.
Vertreten wurden die Rechtsextremen von zwei einschlägig bekannten Figuren: Benjamin Lingg, der als privater Mieter auftritt, und Dominic Lüthard, Vorsitzender der Partei national orientierter Schweizer (Pnos) in Langenthal. Beide gehören zur rechtsextremen Burgdorfer Rockband Indiziert – wobei die Porzi-Halle nicht etwa deren Übungslokal sei, wie Lüthard betont. Es handle sich da um «einen patriotischen Raum für einen grösseren Freundeskreis.»
Ein Freundeskreis, der offenbar ziemlich gross ist: «Fahrzeuge aus der ganzen Schweiz, aus Deutschland und Italien stehen manchmal dort», sagt Anwohner Markus Baggenstos. «Als Privatperson würde ich es nicht wagen, mich bei diesen Leuten persönlich über den Lärm zu beklagen.»
Scheiben und Zaun kaputt
Ausgeartet ist das rechtsextreme Treiben in der Nacht vom 21. auf den 22.März. Etwa 50 Personen hätten damals «ein kleines Festli gefeiert», wie Dominic Lüthard sagt. Offenbar wegen einer Frauengeschichte gerieten sich zwei der Glatzköpfe in die Haare, es kam zur Schlägerei, wobei der Zaun eines Einfamilienhauses in die Brüche ging. In derselben Nacht wurden im autonomen Kulturzentrum Lakuz an der Farbgasse mehrere Fensterscheiben eingeschlagen. Alles Zufall? «Ich hoffe nicht, dass unsere Gäste damit etwas zu tun haben», sagt Lüthard.
«Schliessung ist schwierig»
Trotz allem sieht die Stadt Langenthal von drastischen Massnahmen ab. «Das Lokal einfach zu schliessen wäre schwierig», ist Polizeiinspektor Andreas Ryf überzeugt. «Da müssten schon klare Verstösse gegen das Gesetz vorliegen.» Allerding bleibe die Stadt nicht untätig. An der Aussprache am Dienstag wurde den Rechtsextremen mitgeteilt, dass sie zusätzliche Massnahmen zur Lärmdämmung ergreifen müssen und in Zukunft nicht mehr über die Blumenstrasse zu ihrem Lokal fahren dürfen. «Von dieser Seite her wird der Zugang am Abend abgesperrt», sagt Ryf.
Besitzerin des Gebäudekomplexes, zu dem neben dem Nazitreff auch eine Brockenstube gehört, ist eine Unternehmerin aus Lotzwil. Für eine Stellungnahme zu den Neonazis war sie gestern nicht erreichbar.