Berner Zeitung – Langenthaler Tagblatt. Erinnerungen werden wach Rechtsextreme Codes und Aufkleber der Jungen Tat lösen Besorgnis aus. Handelt es sich um Einzelfälle oder um das Wiederaufflammen einer rechtsradikalen Bewegung?
Vielleicht würde man einfach darüber wegschauen. Wären da nicht die Vorfälle, wie sie sich in den letzten Monaten im ganzen Land gehäuft haben. Und wäre da nicht die Geschichte, die Langenthal bis heute nie ganz losgeworden ist.
Beides hat eine Reihe von Mitgliedern des Langenthaler Stadtrats nun veranlasst, nachzufragen, ob man sich der aktuellen Geschehnisse eigentlich bewusst sei im Langenthaler Gemeinderat. Und wie man dagegen vorzugehen gedenke.
Anlass zur Sorge geben den Fragenden um Grünen-Stadtrat Georg Cap Schmierereien und Propagandakleber, wie sie in Langenthal in letzter Zeit offenbar häufiger aufgetaucht sind.
Auf Fassaden und Kästen sind Hakenkreuze und Zahlencodes gesprayt, wie sie in rechtsextremen Kreisen verbreitet sind. Auf Aufklebern stehen Appelle der Jungen Tat, jener noch relativ neuen rechtsextremen Gruppierung also, die erst vor wenigen Wochen mit ihrer Störaktion im Zürcher Tanzhaus die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.
Es sei zu hoffen, dass es sich bei den Taten in Langenthal «lediglich um geschmacklose ‹Lausbubenstreiche›» handle, schreiben Cap und seine Mitstreitenden in ihrer Eingabe. Dabei belassen möchten sie es dennoch nicht. Zu wahrscheinlich sei es, dass sich die Urheberschaft vertieft mit dem rechtsradikalen Gedankengut auseinandersetze.
Abklärungen bei der Kantonspolizei
In Langenthal werden in diesem Zusammenhang schnell unangenehme Erinnerungen wach. Im zur Kleinstadt gewachsenen Dorf, in dem sich schon in den 1980er- und 1990er-Jahren eine rechtsextreme Szene gebildet hatte. In dem es auch in den Nullerjahren wieder zu Sachbeschädigungen und Gewalt seitens rechtsextremer Gruppen gekommen war. Und das 2004 ein Mitglied der inzwischen aufgelösten Partei National Orientierter Schweizer ins Stadtparlament wählte.
«Die damalige Tatenlosigkeit der Behörden war mit ein Grund, dass rechtsextreme Gruppierungen in Langenthal ungehindert auftreten konnten, was zu manch einer unschönen Schlagzeile führte und der Stadt zeitweilig den Ruf einbrachte, ein ‹Nazi-Nest› zu sein», schreiben die Interpellanten. Eine erneute solche Entwicklung gelte es um jeden Preis zu verhindern.
Luis Gomez, Leiter des Amts für öffentliche Sicherheit in Langenthal, sagt, für ein Wiederaufflammen einer rechtsextremen Bewegung gebe es in Langenthal bislang keine Anzeichen. Wobei auch er zur Vorsicht mahnt: Zurzeit seien Abklärungen bei der Kantonspolizei Bern am Laufen. «Diese werden dann in die Beantwortung der Interpellation im Stadtrat einfliessen.»
Bisher hat man aber auch bei der Kapo keine steigende Tendenz für Sprayereien in rechtsextremem Kontext festgestellt. «Weder in Langenthal noch im Kanton», sagt Mediensprecherin Isabelle Wüthrich. Wobei die Polizei nur dann Kenntnis von Vorfällen erlange, wenn diese zur Anzeige kämen. Die Entwicklungen würden laufend beobachtet.
Sie hätten sich lange überlegt, die Interpellation einzureichen, sagt Georg Cap. «Wir haben nicht den Eindruck, dass es wie damals bei der Pnos wieder eine eigenständig agierende Gruppe gibt in Langenthal.» Allerdings seien ihm auch aus Langenthal und Umgebung junge Erwachsene bekannt, die sich in den sozialen Medien als Mitglieder der Jungen Tat enttarnt hätten. «Wir möchten verhindern, dass sich daraus erneut ein Netzwerk bildet.»
Einen Weg zur Prävention sieht Cap darin, dass sich Stadt und Politik klar positionieren und Stellung beziehen. Dass der Handlungsspielraum klein ist, sei ihm und seinen Mitstreitenden bewusst. Wichtig sei es, die Entwicklung im Auge zu behalten. Und einem zunehmenden Rechtsextremismus allenfalls durch Sensibilisierung und Aufklärung entgegenzuwirken.
Nicht alle haben unterzeichnet
Dahin gehende Befürchtungen, sagt Cap, seien durchaus vorhanden. Betroffen von den rechtsextremen Schmierereien in den letzten Wochen war unter anderem Langenthals autonomes Kulturzentrum Lakuz. Das Lokal und seine Betreiberinnen und Betreiber waren schon in den Nullerjahren immer wieder Ziel rechtsradikaler Übergriffe, mehrfach war pure Gewalt im Spiel. «Natürlich ist da die Angst, dass plötzlich wieder mehr kommt», sagt Cap, selber Mitglied im linksautonomen Kulturkollektiv.
Wobei er seine Eingabe im Stadtrat nicht einem Linksrechts-Schema zugeordnet haben möchte. Bewusst habe er sein Anliegen allen Ratsmitgliedern zum Unterzeichnen angeboten, sagt er. Nicht alle wollten. Als Vorstösser und Vorstösserinnen treten neben ihm je ein Mitglied von SP, GLP und EVP auf. Keine Unterzeichnenden finden sich aus den Reihen der bürgerlichen Parteien.