Schaffhauser AZ.
Der Fashion-Guru der europäischen Rechtsextremen hat sich in die Anonymität eines Schaffhauser Dorfes zurückgezogen. Doch dann taucht sein Auto in einem Dok-Film auf. Und sein Treuhänder kommt ins Plaudern. Eine Spurensuche.
Auf einem Hügel am Rand des Pfälzer Waldes, unweit der deutschen Studentenstadt Heidelberg, erhebt sich das Hambacher Schloss. Über die Jahrhunderte wurde es immer wieder von neuem gebrandschatzt und geschleift, von fränkischen Söldnern ebenso wie von französischen Revolutionären. Doch Teile des Gemäuers trotzten der Zeit.
Am 27. Mai 1832 pilgerten 20 000 Menschen zur Ruine, sie schwenkten Fahnen in Schwarz-Rot-Gold und protestierten tagelang gegen die Herrschaft der absolutistischen Fürsten. Sie kämpften für ihre Bürgerrechte und für ihre Freiheit. Seither gilt das «Hambacher Fest» als «Wiege der deutschen Demokratie».
Ein solches Ereignis ist natürlich wie gemacht für revisionistisches Reenactment. Und so luden am 5. Mai 2018 Nationalisten zum «Neuen Hambacher Fest»: Patrioten seien angehalten, mit Deutschlandfahnen zum Schloss zu marschieren und gegen die «Unterdrückung von Meinungen» zu protestieren. Prominente Redner waren angekündigt, der Publizist Thilo Sarazzin etwa («Deutschland schafft sich ab») oder AfD-Chef Jörg Meuthen, der seine Leute einschwor, die «Preisgabe unseres Landes» nicht zu akzeptieren.
Auch das Fernsehen war da, die ARD drehte und strahlte später einen verstörenden Dokumentarfilm aus: «Am Rechten Rand – Wie radikal ist die AfD?». In der Anfangssequenz sieht man Meuthen, wie er beim Hambacher Schloss aus seinem VW steigt, begleitet von Bodyguards. Auf dem Parkplatz, gleich neben Meuthens Auto, fängt die Kamera einen schwarzen Mercedes ein.
Meine Augen bleiben am Nummernschild kleben. Es zeigt einen Schaffhauser Bock.
Donnergott und General der Waffen-SS
Ich beginne zu recherchieren. Inhaber des Mercedes ist ein Mann namens Axel Kopelke. Ein Mann, der viel Wert auf Diskretion legt. Ein Mann aber auch, für den sich offenbar auch andere interessieren.
Der heute 48-Jährige stammt aus einer Kleinstadt nahe Berlin. Gemäss Recherchen der Antifa Freiburg pflegte er in den 1990er-Jahren Kontakte zu einschlägig bekannten deutschen Neonazis und nahm an völkischen Feiern und rechtsextremen Parteianlässen teil. Ein Laden, den er 1997 in seiner Heimatstadt eröffnete, soll ein Treffpunkt der rechtsextremen Jugendszene gewesen sein. Und offenbar hatte er eine Nase für gute Geschäfte.
Seine Nase sollte ihn zu einer zentralen Figur der rechtsradikalen Szene Europas machen.
2002 gründete Kopelke das Kleiderlabel Thor Steinar. Er liess den Markennamen und ein Logo registrieren, das aus nordischen Runen besteht, und begann mit der Produktion von Kleidungsstücken. In einschlägigen Kreisen wurde der Name Thor Steinar bald als Szenecode gelesen: ein Mashup des nordischen Donnergotts Thor und Felix Steiner, dem General der Waffen-SS, der in Hitlers Russlandfeldzug die Panzerdivision «Wiking» befehligte. Schnell wurden Kopelkes Kleider zu einem der wichtigsten Erkennungszeichen für Neonazis.
Einige Monate nach der Labelgründung hob der Geschäftsmann die Firma Mediatex GmbH aus der Taufe, die bald stolze Geschäftszahlen auswies. 2015 zeichnete das antifaschistische Infoblatt nach, wie aus dem anfänglichen Zwei-Mann-Betrieb ein internationales Firmennetz mit Millionenumsatz geworden sei. Die Kleider würden in dutzenden Thor-Steinar-Läden von Rom bis Helsinki verkauft, zwischenzeitlich soll die Firma bis zu 160 Mitarbeitende beschäftigt haben.
Doch Kopelke und Thor Steinar beschäftigten auch den Rechtsstaat.
Hammerskins, Hells Angels und Hertha BSC
Gerichte versuchten, die Kleider zu beschlagnahmen. Der Verfassungsschutz befand, das Sortiment bewege sich mit den Bezügen zum Germanen-Kult und der glorifizierenden Sicht auf die Wehrmacht «an der Grenze zur Strafbarkeit».
Immer wieder gab es Skandale. Verschiedene Bundesliga-Fussballclubs wie Borussia Dortmund oder Hertha BSC Berlin verboten das Tragen der Klamotten im Stadion. Während des NSU-Prozesses wurde bekannt, dass die Rechtsterroristen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe die Schusswaffen, mit denen sie Migranten und Polizisten ermordeten, von einem Mann bekommen hatten, der auch mit Kleidern von Thor Steinar handelte. In Dänemark soll ein Hells Angel den Vertrieb übernommen haben. In der Schweiz ein Hammerskin. Nachdem Thor Steinar die norwegische Flagge ins Sortiment eingebaut hatte, distanzierte sich der Staat Norwegen in aller Form von rechtsextremem Gedankengut und erstattete Anzeige.
Doch auch die Zivilgesellschaft hatte ihre liebe Mühe mit den braunen Mode-Gurus. Immer wieder kam es zu Räumungsklagen von Immobilienbesitzern, nachdem sich Tarnfirmen in Ladenlokalen eingemietet und Thor-Steinar-Produkte verkauft hatten. Daneben attackierten linke Aktivisten die Läden mit Farbbeuteln, es gab Proteste und Prügeleien.
Kurzum: Mit den T-Shirts, Pullis und Hosen liess sich zwar gutes Geld verdienen. Doch so richtig gemütlich machen konnte es sich Axel Kopelke mit seiner Geldmaschine in Deutschland nicht. Also entschied er bereits 2007, sich offiziell zurückzuziehen und in die Schweiz abzusetzen.
2007 berichtete der Tages-Anzeiger, dass Axel Kopelke eine neue Firma im Schweizer Handelsregister habe eintragen lassen: die Comdesign Textile AG. Kopelke sagte gegenüber der Zeitung, mit Thor Steinar habe die Schweizer Firma nichts zu tun. Es klang, als wollte er die Vergangenheit hinter sich lassen.
Doch das stimmte nicht.
Als ich im Register der Weltorganisation für geistiges Eigentum nach dem Labelnamen Thor Steinar suche, erscheinen 28 Markenrechte in verschiedenen Ländern und diversen Warenklassen. 20 davon gehören Axel Kopelke. Zuletzt hat er im Oktober 2020 ein Logo eintragen lassen, eine Wolfsangel mit aufgesetztem Pfeil, ein Symbol, das wegen Ähnlichkeit zu nationalsozialistischen Symbolen in Deutschland zwischenzeitlich verboten war.
Die Öffentlichkeit aber bekam davon nichts mit. Nach dem Artikel im Tages-Anzeiger von 2007 sollte Kopelkes Name in den Schweizer Medien nicht mehr auftauchen.
In den Amtsstuben aber hinterliess er Spuren. Und bald auch in einem Schaffhauser Dorf.
Ein Bunker, der nicht im Bauplan steht
Akten, die ich im Schaffhauser Handelsregisteramt einsehen kann, zeigen: Kopelke kümmerte sich intensiv um seine Comdesign Textile AG, die er 2007 in Zürich hatte eintragen lassen. Die Gesellschaft bezweckt «das Design, die Kreation, Planung sowie Fabrikation von und den Handel mit Textilien, insbesondere im Bereich Kleider und Stoffe». Kopelke amtet als Generaldirektor.
2009 zügelte die Firma in ein Aussenquartier von Fislisbach im Kanton Aargau, wo Kopelke gemäss Informationen des Schaffhauser Amtes für Geoinformation heute noch als Privatperson gemeldet ist. An der Adresse am Waldrand steht ein biederes Einfamilienhäuschen mit Garage und Vorgarten.
Am 22. November 2017 aber verlegte er den Firmensitz abermals: diesmal nach Merishausen, keine zehn Autominuten vom Bargemer Zoll entfernt. Der mittlerweile 45-Jährige kaufte ein Stück Land und begann bald mit dem Bau eines Hauses – das neue Hauptquartier.
Die Comdesign hat weder eine Website noch eine offizielle Mailadresse oder eine Telefonnummer. Und als ich an einem Freitagnachmittag die Klingel drücke, öffnet niemand die Tür.
Das Haus ist ein neoklassizistisches Klischee. Es scheint, als habe jemand pompöse NS-Architektur mit beschränkten Finanzmitteln auf Einfamilienhaus-Grösse übersetzen wollen. Das Parterre ist fensterlos, Nachbarn erzählen, Kopelke habe eine Mauer ums ganze Haus ziehen wollen, doch die Gemeinde habe ihr Veto eingelegt. Nun schirmen eben eine dichte Hecke und ein Stahlzaun das Haus gegen die Quartierstrasse ab.
Wie ich an einem Schaffhauser Stammtisch höre, kursierten in einem Ingenieurbüro, das am Bau des Hauses beteiligt war, Witze darüber, dass man diesem seltsamen Deutschen einen Bunker ins Einfamilienhaus habe bauen müssen, der nicht in den Bauplänen vermerkt sei.
Nachts werden Kisten angeliefert
Gespräche mit einer Handvoll Anwohnern in Merishausen ergeben das Bild eines höflichen, aber unnahbaren Mannes, der sich auch mal am Quartierfest blicken lässt, im Dorfladen einkauft und von Geschäftsreisen in der ganzen Welt erzählt. Sein Facebook-Profil zeigt ihn in Skandinavien, er posiert mit einigen Männern vor einer kleinen Propellermaschine.
Über seine Geschäfte aber, so die Nachbarn, schweige er sich aus. Kopelke wohne nicht dauerhaft in Merishausen, er sei immer in Bewegung, oft mit Frau und Kindern, die teilweise eine lokale Schule besuchen. Auch die Grosseltern aus Deutschland seien regelmässig in Merishausen.
Doch offenbar werden hier tatsächlich auch Geschäfte gemacht. Manchmal, sagen Nachbarn, würde nachts ein Bus anfahren und Männer würden Kisten ein- und ausladen. An der videoüberwachten Klingel ist die Familie Kopelke ebenso angeschrieben wie die Comdesign Textile AG.
Als ich an diesem Freitagnachmittag die Klingel drücke, bin ich nur ein paar Stunden zu spät. Ich erfahre, dass Axel Kopelke am Morgen noch da gewesen sei. Ein Brief mit Fragen und der Bitte um Kontaktaufnahme, den ich im Briefkasten einwerfe und auch an seine Adresse im aargauischen Fislisbach schicke, sollte bis Redaktionsschluss unbeantwortet bleiben.
Die Frage, was im Merishauser Reduit tatsächlich passiert, droht ungeklärt bleiben zu müssen. Doch dann bleibt ein Mann allzu still, während sich ein anderer unerwartet in Fahrt redet.
Die Firma eines Toten
An der Adresse in Merishausen ist nicht nur eine Firma eingetragen – es sind zwei. Genau wie die Comdesign Textile AG bezweckt auch die I & S Design GmbH «das Design, die Kreation, Planung sowie Fabrikation von und den Handel mit Textilien, insbesondere im Bereich Kleider und Stoffe». Vorsitzender der Geschäftsführung ist ein Mann namens Hardy Sauerwald.
Doch auch Sauerwald bleibt ein Mysterium. Ein Anruf bei seiner Werbefirma in Deutschland wird von einer argwöhnischen Frau abgeblockt, die abrupt den Hörer auflegt. Schliesslich eröffnet mir Sauerwalds Ehefrau, ihr Mann sei bereits vor drei Jahren verstorben.
Die zweite Firma, die an Kopelkes Adresse angemeldet ist, gehört also einem Toten. Doch die I & S Design GmbH führt noch einen zweiten Gesellschafter: Bernhard Schnopp ist ein 73-jähriger Wirtschaftsprüfer aus dem Kanton Zug. Und neben der I & S Design GmbH ist er auch alleiniger Verwaltungsrat der Comdesign Textile AG. Auf dem Papier ist er also gewissermassen Axel Kopelkes Chef.
Als der Tages-Anzeiger 2007 über Kopelkes Umzug in die Schweiz berichtete, war Schnopp der Einzige, der offen redete: Er sei von einem alten Schulfreund gefragt worden, ob er als Treuhänder bei der Firmengründung eines deutschen Textilunternehmens helfen würde, und habe zugesagt. Axel Kopelke habe er als «seriösen Geschäftsmann» kennengelernt. Davon, dass Thor Steinar den Ruf einer rechtsextremen Marke habe, wisse er nichts, er werde sich aber «sofort umfassend informieren» und allenfalls aus der Gesellschaft zurückziehen.
Offenbar hielt er das in den folgenden 15 Jahren nicht für nötig.
Nachdem ich an einem Montagabend Bernhard Schnopps Nummer wähle, meldet sich ein freundlicher Herr. Und nach ein paar Minuten heiterer Plauderei fängt der Mann, der für Kopelke auch die Steuererklärung macht, an zu erzählen. Eineinhalb Stunden später verabschieden wir uns und Schnopp sagt: «Der Kopelke wird wohl keine Freude daran haben, was ich Ihnen alles erzählt habe.» Aber das sei nicht so schlimm. Er, Schnopp, sei «der ehrlichste Treuhänder der Gesamtschweiz», und es gebe bei der Comdesign Textile AG absolut nichts zu verbergen.
Kopelke will Schweizer werden
Der Wirtschaftsprüfer sagt, Kopelke habe sich in Deutschland nicht mehr frei gefühlt, weil die Antifa Radau gemacht habe, obwohl diese Runen, diese nordländischen Zeichen, überhaupt nichts mit Rechtsextremismus zu tun hätten. Das habe Kopelke ihm hoch und heilig versprochen.
In Merishausen habe Kopelke Land gefunden, das fast nichts koste und gleich neben der deutschen Grenze liege. Im Haus werde tatsächlich gearbeitet: Kopelke kümmere sich um die Buchhaltung, er sei aber auch selber Designer, «und zwar ein begnadeter». In Merishausen entstünden Schnittmuster, das Design der Kleider sei «der heutigen Mode angepasst». Produziert würden sie in Asien und in der Türkei.
Ich höre dem Wirtschaftsprüfer zu, der mir Geschichten erzählt wie ein Grossvater seinem Enkel. Doch warum tut er das? Warum hilft er mir, ein Bild von seinem Mandanten zu bekommen, der genau das seit Jahren tunlichst verhindern will? Führt mich dieser Bernhard Schnopp aufs Glatteis? Doch warum passen seine Erzählungen denn so gut zu dem, was ich sonst über Kopelke recherchieren konnte?
Die Produktion der Kleider sei «einträglich», wenn auch kein Riesengeschäft, sagt Schnopp. Kopelke würde sich rund 10 000 Franken brutto im Monat auszahlen. Vor einem Jahr habe er mit der Firma Comdesign gut gearbeitet, da habe er sich erstmals einen Bonus auszahlen können. Doch überbewerten dürfe man das nicht: «Wenn man den Kopelke umdreht, dann kommt kein Geld raus.»
Die Comdesign beliefere zu einem grossen Teil die deutsche Firma Mediatex mit Kleidern, die Axel Kopelke dereinst gegründet hatte und die heute von einem Mann namens Martin Kopelke geführt wird. Gemäss Schnopp könnte es sich dabei um Axel Kopelkes Vater handeln.
Schnopp bestätigt also: Axel Kopelke ist nach wie vor der starke Mann hinter der wichtigsten Neonazi-Kleidermarke Europas.
Und offenbar nimmt er seine Rolle nicht auf die leichte Schulter. Sein Mandant sei manchmal etwas paranoid, sagt Schnopp. Er selber dürfe Kopelke nie anrufen, es laufe immer umgekehrt ab. Und wenn Kopelke zu einer Besprechung in Schnopps Büro käme, lasse er das Handy jeweils im Auto liegen und schalte es aus. «Er hat das Gefühl, er werde abgehört.»
Ausserdem wolle Kopelke Schweizer werden, er stecke derzeit im Einbürgerungsprozess. Deshalb habe er in Schaffhausen auch keine Kinderzulagen beantragt. Er glaube, das könne sich negativ auf den Entscheid auswirken.
Dann erzählt Bernhard Schnopp von der Affäre mit den Arabern – und ich glaube, langsam zu verstehen, warum er so offen redet: Der Treuhänder des Chefdesigners der Neonazis hat wohl ganz einfach ein ziemlich ausgeprägtes Berufsethos.
Der Araber-Deal und die Sache mit den Steuern
2009, zwei Jahre nachdem Axel Kopelke offiziell ausgestiegen war, wurde die deutsche Firma Mediatex GmbH von arabischen Investoren übernommen. Doch diese mussten sich ein Jahr später wieder zurückziehen, da die Neonazi-Kundschaft offenbar keine Freude daran hatte, dass Moslems ihre Kleider produzieren.
Gemäss Schnopp gab es bei dem Deal auch eine Verbindung zu Kopelkes neuer Schweizer Firma Comdesign. Die Araber hätten Kopelke nach dem Deal jedenfalls Geld geschuldet, das er, Bernhard Schnopp, hätte eintreiben sollen.
Kopelke habe in dieser Sache dubiose Treffen in Schnopps Büro abgehalten, da sei es ihm «schon etwas gschmuch» geworden, erinnert sich der Wirtschaftsprüfer. Er habe Kopelke jedenfalls nicht abgenommen, dass irgendjemand diese Kleider jemals im arabischen Raum habe verkaufen wollen. «Ich dachte: Die wollen sicher bei den Steuern bescheissen.» Er habe Kopelke dann zurechtgewiesen. «Krumme Geschäfte habe ich nicht nötig!»
Es sei klar, dass Kopelke «etwas andere Ansichten» vertrete als er, sagt Schnopp, er könne sich aber nicht vorstellen, dass sich der Geschäftsmann mit AfD-Leuten wie Jörg Meuthen herumtreibe: «Kopelke ist kein Rechtsextremer.»
Was aber hatte Axel Kopelke dann auf dem Hambacher Schloss zu suchen? Und wieso durfte er seinen schwarzen Mercedes direkt neben Meuthens VW parkieren?
Das wird wohl unklar bleiben. Gerne hätte ich erfahren, was Axel Kopelke zu den Geschichten sagt, die Schnopp über ihn erzählt. Wie die Briefe blieb jedoch auch eine E-Mail, die Schnopp für mich an seinen Mandanten Kopelke weiterleitete, unbeantwortet.
Es würde mich jedoch nicht erstaunen, wenn sich der Designer in nächster Zeit einen neuen Treuhänder suchen würde.
Das Sortiment – aussen bunt, innen braun
Die Zeiten, in der Neonazis mit Glatze, Bomberjacke und Springerstiefeln auftraten, sind vorbei. Heute hüllen sie sich in der Regel in diskretere und modischere Kleidung, die Eingeweihten aber dennoch Hinweise auf die Gesinnung geben kann. Das Label Thor Steinar hat sich auf solche bewusst mehrdeutige Mode spezialisiert. Das Design von Axel Kopelkes Marke bewegt sich dabei in einer rechtlichen Grauzone. Die Recherchegruppe Investigate Thor Steinar setzte sich bereits 2008 intensiv mit der Marke auseinander und stellte fest, dass sich ideologische Anlehnungen an Nationalsozialismus, Kolonialismus, völkische Mythologie sowie Gewaltdarstellungen durch nahezu das gesamte Sortiment ziehen. Das Label würde diese jedoch mit aktuellen Modetrends verschleiern und so versuchen, die Marke im Mainstream zu positionieren. Ein umfangreiches Recherche-Dossier aus dem Jahr 2018 kann unter investigatethorsteinar.blogsport.de heruntergeladen werden.
Nachdem sich Thor Steinar durch explizite Bezüge in der Anfangszeit regelmässig mit juristischen Problemen konfrontiert sah, setzten die Designer bald auf geblümte Muster und bunte Farben, statt auf die anfangs populären Fleckentarnmuster, wie sie Einheiten der Waffen-SS trugen. Und auch die Symbole wurden immer universeller.
Einige Beispiele:
Den Aufdruck einer Palme (erste Illustration oben) mit dem Slogan «Ein Platz an der Sonne» assoziiert man auf den ersten Blick mit Urlaub und Spass. Das Zitat ist jedoch dem deutschen Reichskanzler Bernhard von Bülow entlehnt, der 1897 im Zusammenhang der deutschen Kolonialpolitik in Afrika sagte: «Wir wollen niemanden in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.» Der Slogan «Sölden – Ski Heil!» soll vorgeblich Wintersport symbolisieren, steht aber natürlich für die in Deutschland unter Strafe stehende Parole «Sieg Heil!».
Raubtiere wie Wolf, Adler oder Bär (zweite und dritte Illustration) sollen Freiheit, Stärke und die Überlegenheit gegenüber anderen Arten symbolisieren.
Die Zeckenzange (vierte Illustration) mit dem Slogan «Zeckenfrei und Spass dabei» steht nicht nur für ein medizinisches Werkzeug, sondern vor allem für die Bekämpfung von politisch links stehenden Menschen, die man in der rechten Szene gerne als «Zecke» bezeichnet.
Die Illustratorin Sanna Aellig hat die täuschenden Symbole von Thor Steinar für uns optisch in klassische NS-Ästhetik zurückübersetzt – wie sie eigentlich auch gemeint sind.