Nazi-Aufmarsch in Wien Juli 2024

Erneut treffen sich Rechtsextreme aus dem Umfeld der gesamteuropäischen Identitären Bewegung in Wien. Die Junge Tat aus der Schweiz nimmt dabei eine aktive Rolle ein: Sie betätigten sich als Sicherheitspersonal, Fahnen- und Transparent-Träger, Fotografen, Redner und Mitorganisatoren.
Doch nicht nur die Leute der Jungen Tat reisen aus der Schweiz an. Mit dabei sind auch Mitglieder von politischen Parteien wie EDU, SVP und Massvoll.

Am Tag der Kundgebung publiziert der offizielle Massvoll-Account auf Telegram ein Bild mit dem Text: «Selbstverständlich war MASS-VOLL! heute an der #Remigrationsdemo in Wien». Auf dem Bild zu sehen sind drei Personen, davon zwei unkenntlich gemacht.

Nico Bramato, Nicolas Meyer, Unbekannt.
Nico Bramato, Nicolas Meyer, Unbekannt.

Nicolas Meyer – Vogelliebhaber und rechtsextrem

In der Mitte des Bildes ist Nicolas Meyer zu sehen. Der Foto-Nerd betreibt eine eigene Webseite, auf der er Bilder seiner Reisen zum Besten gibt. Meistens sind es Vogelbilder. Auch auf anderen Foren tauscht er sich über Vogel-Fotografie aus.
Ein anderes Interesse Meyers ist offenbar die Armee. Im Jahr 2019 hat er ein Probejahr bei den «Schweizer Armee Freunden» angefangen – ob dieses erfolgreich war, bleibt unbekannt.

Bekannt ist aber, dass Nicolas Meyer dieses Jahr schon einmal im rechtsextremen Kontext unterwegs war: Im März 2024, als Martin Sellner im Aargau einen Vortrag halten wollte und verhaftet wurde, schoss Nicolas Meyer mit seiner Kamera mehrere Porträts von ebendiesem. Die Fotos sind auf dem «Flickr»-Account von Martin Sellner zu finden.1

Nicolas Meyer von Massvoll
Nicolas Meyer zusammen mit Manuel Corchia von der Jungen Tat
Nicolas Meyer (hellblaues Hemd), Jonas Streule (grünes Poloshirt),
Junge Tat (die beiden in weiss mit Hut)

In Wien lehnt Meyer seine riesige, mehrere Tausend Franken teure Kamera bereitwillig an Manuel Corchia, Anführer der Jungen Tat, aus. Und auch sonst wird schnell klar, dass sich Meyer nicht nur mit Massvoll vor Ort aufhält, sondern auch mit der Jungen Tat verbunden ist. So ist er immer wieder im Gespräch mit den Mitgliedern der Jungen Tat zu sehen. Seine Vernetzung in dem Milieu reicht so weit, dass er sogar auf die Bühne steigen und von dort Fotos schiessen darf.

Nico Bramato – fundamentaler Christ an Nazi-Versammlung

Nico Bramato ist ein aktives Mitglied von Massvoll und hat für den Nationalrat kandidiert. Er wohnt in Schlieren ZH und arbeitet bei der Durena AG als Gebäudetechnikplaner. Bramato ist aber auch Mitglied in der Jungen EDU, kandidierte im Jahr 2023 für einen EDU-Sitz im Kantonsrat2 und hat die Corona-Politik der Partei stark mitgeprägt3. Nico Bramato ist tief gläubiger Christ – und zeigt ein grosses Interesse an rechtsextremen Themen: Auf Instagram gefällt ihm fast jeder Beitrag der Jungen Tat. Schon letztes Jahr nahm Nico Bramato an derselben Neonazi-Versammlung in Wien teil.

Nico Bramato (rechts) und der Unbekannte, hier noch ohne Massvoll-Shirt.

Massvoll zeigt damit einmal mehr, dass sie sich längst vom «Bürgerrechtler-Image» gelöst haben und zu einer der extremsten am rechten Rand politisierenden Kräften geworden sind. Schon letztes Jahr nahmen zahlreiche Mitglieder von Massvoll an der Identitären Kundgebung in Wien teil, an der sich vom hart gesottenen Neonazi bis zur Lifestyle-Rechtsextremen alle tummeln. Die Kontakte zur Jungen Tat sind beständig und als Martin Sellner, eine der führenden Persönlichkeiten im Milieu, im März 2024 im Aargau war, fehlte auch Massvoll nicht.

In der Schweiz wird der Anlass der Neonazis in Wien währenddessen mit Interesse verfolgt: Das Massvoll-Foto von der Teilnahme an der rechtsextremen Kundgebung gefällt auf Instagram nicht nur EDU-Parteikollege aus dem Bieler Seeland Simeon Vogel, sondern auch SVP-Parteimitglied Lionel Müller aus Thürnen und zahlreichen Mitgliedern von Mass voll.

Jonas Streule – ein SVPler der mit Nazis kuschelt

Mitglieder der SVP liken nicht nur Posts der Kundgebung, sondern sind mit Jonas Streule aus Eggersriet gleich selbst vor Ort. Streule wurde wegen seinem rechtsextremen Aktionismus im Mai 2024 aus der SVP Säntis ausgeschlossen4. Laut seinem Instagram-Profil ist er zurzeit noch Mitglied in der SVP Stadt St. Gallen.

Jonas Streule (grünes Polo) mit zwei JT-Aktivisten (weisse Shirts).
Jonas Streule (grünes Polo) als Fahnenträger bei der IB Demo in Wien

Obwohl Streule an der Kundgebung in Wien die meiste Zeit eher schüchtern herum steht, nimmt auch er später eine aktivere Rolle ein: als die Kundgebung los läuft, wird er zum Fahnenträger und am Abend posiert er auf Fotos, die in engerem Kreis aufgenommen wurden.

Grosse Vernetzung trotz kleiner Veranstaltung

Im Netz feiern die Rechtsextremen die Kundgebung als grossen Erfolg. Zahlreiche vor Pathos triefende Videos und Bilder kursieren, welche die Stärke der Bewegung zeigen sollen. Betrachtet man es nüchtern, war die Veranstaltung jedoch eher ein Reinfall. Im Vorfeld wurde schon seit langer Zeit auf diesen Tag mobilisiert – europaweit. Tatsächlich reisten aus zahlreichen Ländern Aktivist*innen an: Frankreich, Schweiz, Deutschland, Portugal, Rumänien um nur einige zu nennen. Doch dafür, dass es sich nicht um eine von vielen, sondern DIE Kundgebung handelte, erschienen mit 300 Personen ziemlich wenig Leute auf dem Helmut-Zilk-Platz in der Wiener Innenstadt.

Das Beunruhigende ist, dass sich hier rechtsextreme Aktivist*innen nicht isoliert unter sich trafen. Aus Österreich nahmen Funktionäre der FPÖ an der Kundgebung teil, aus Deutschland Leute aus der AfD-Jugend und aus der Schweiz Mitglieder aus EDU, SVP und Massvoll. Die Teilnahme von Kräften aus dem parlamentarischen Umfeld zeigt, dass die Strategie des «politischen Vorfelds» der Rechtsextremen zumindest teilweise funktioniert. Hierbei werden kontroverse ideologische Positionen vom Vorfeld (z.B. der Identitären Bewegung oder der Jungen Tat) in die Gesellschaft getragen und mit Begriffen versehen. Rechtsradikale Politiker*innen, welche ihre Gesinnung in der Öffentlichkeit nicht offen zeigen dürfen, können den so vorbereiteten Diskurs nutzen, um trotz ihrem radikalen Gedankengut gemässigt zu erscheinen. Es ist so auch gar nicht nötig, dass Politgrössen aus diesen Parteien an einer Kundgebung der Neonazis erscheinen. Den Kontakt knüpfen die Jungen oder weniger wichtigen Personen, bei denen man die Teilnahme als «Jugendsünde» oder «Unwissen» verkaufen kann. Die mächtigen Politiker*innen können dann nur noch abschöpfen.

  1. https://www.flickr.com/photos/199910616@N03/53595258296/in/photostream/
    https://www.flickr.com/photos/199910616@N03/53595708320/in/photostream/
    https://www.flickr.com/photos/199910616@N03/53595465163 ↩︎
  2. https://www.instagram.com/p/CoK9EAbNYAqmB46fBC2enRsfNRi_pkXLDIriQc0/ ↩︎
  3. https://www.edu-schweiz.ch/aktuelles/neuigkeiten/parolen-der-jedu-schweiz/ ↩︎
  4. https://www.republik.ch/2024/06/21/wie-rechtsextreme-in-die-svp-draengen ↩︎