Bieler Tagblatt: Rechtsextremismus Das Seeland und die Stadt Biel sind für die extreme Rechte ein hartes Pflaster. Trotzdem versucht die nationalistische Pnos hier vermehrt Fuss zu fassen. Auch mit ihrem Sicherheitsdienst «Ahnensturm».
So aktiv wie im Oberaargau sind die Rechtsextremen im Seeland nicht. Aber die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) hat in letzter Zeit mit verschiedenen Aktionen versucht, in der Region Aufsehen zu erregen und Mitglieder zu werben. So propagierte die Seeländer Sektion der Pnos auf ihrer Website einen zwar fiktiven, aber dennoch rassistisch gefärbten Kalender, der «den afrikanischen Dealern in Biel gewidmet» war (das BT berichtete).
In den letzten Monaten organisierte die nationalistische Partei im Seeland und Umgebung gemäss eigenen Angaben vier Aktionen. Nach Grenchen, Lyss und Nidau suchten ihre Mitglieder Ipsach heim, wo sie am 17. Januar den «Schweizer Pass der Pnos» verteilten. Diese Aktionen beflügelten offensichtlich die Fantasie der Pnos Seeland, behauptete sie doch auf ihrer Website, dass die Aktionen «bei vielen Seeländern gut ankommen» seien.Unter dem Titel «Das Berner Seeland erhält Verstärkung» schrieb die Pnos bereits am 29. Oktober, dass sie im Seeland «auf dem Vormarsch» sei. Sie habe nun einen offiziellen Vertreter in der Region. Es handelt sich dabei um Cedric Stoller, der als in der Region wohnhafter Leiter des Infoportals Seeland bezeichnet wird.
Fragen bleiben unbeantwortet
Im Seeland will es die Pnos offenbar nicht bloss bei harmlosen Verteilaktionen bewenden lassen. Es sei genug geredet worden, jetzt werde gehandelt, heisst es zu einer Aktion, die im Oktober in Nidau durchgeführt wurde. Was ist damit gemeint? Das ist schwer zu sagen, denn die schriftlichen Anfragen des BT beantwortete die Pnos nicht. Sicher ist, dass die Nationalisten im Januar einen eigenen Sicherheitsdienst ankündigten: den «Ahnensturm» (AS). Dieser Name erinnert an die Sturmabteilung (SA) der Nazis, die als Kampforganisation der NSDAP nicht bloss für den Schutz der Nazi-Versammlungen zuständig war, sondern auch tätlich gegen Antifaschisten vorging.
Für den AS macht sich insbesondere der Seeländer Pnos-Vertreter Stoller stark. In einem Artikel der linken Berliner Wochenzeitung «Jungle World» wird er folgendermassen zitiert: «Hinter ‹Ahnensturm› stehen Parteimitglieder, die ihre Arbeit mit vollem Einsatz erledigen.» Dass der AS mehr sein soll, als bloss ein Sicherheitsdienst, der bei Veranstaltungen der Pnos für Ruhe sorgt, steht freimütig auf der entsprechenden Website: Der AS werde auch Überlebens- oder Kampfsportkurse organisieren. Auf Facebook wird aktuell für eine «Infoveranstaltung» des AS geworben, die Ende Februar im Oberaargau stattfinden soll.
Existenz als grösster Erfolg
Für die Antifaschisten der Antifa Bern haben die Aktivitäten der Pnos im Seeland im letzten Jahr offensichtlich zugenommen. Diese würden sich jedoch immer noch in einem bescheidenen Rahmen bewegen, sagt Lorenz Roth von der Antifa. Das Seeland gehöre nicht zu den «Hot Spots» der Schweizer Neonazi-Szene, sagt Roth. Gemäss Antifa besteht der grösste Erfolg der Pnos darin, dass es sie noch gebe. Die Pnos sei weit davon entfernt, eine ernst zu nehmende politische Kraft zu sein. Dennoch: «Die Partei ist klar rechtsextrem und fremdenfeindlich und unterhält enge Kontakte zu gleichgesinnten Organisationen im Ausland», sagt Roth. Die Antifa geht davon aus, dass es die Pnos mit dem AS ernst meint. Dass der AS an die 1930er-Jahre erinnere, wecke ungute Gefühle, sagt Roth. Die Pnos schaffe sich damit einen gewaltbereiten Arm.
Der Verein Multimondo betreibt in Biel die Ansprechstelle Integration, die im Auftrag des Kantons für Biel, das Seeland und den Berner Jura Beratungen zu Fragen rund um Rassismus und Diskriminierung anbietet. Der Pnos-Kalender über vermeintliche Drogendealer in Biel hat auch sie aufgeschreckt: «Wir standen diesbezüglich mit der eidgenössischen Kommission gegen Rassismus in Kontakt», sagt Monia Aebersold, Leiterin der Ansprechstelle. Sonst erhielt Aebersold im letzten Jahr keine Meldungen, welche die Pnos betrafen. Es meldete sich niemand, der im öffentlichen Raum aus rassistischen Gründen angegangen wurde.
«Kein guter Boden für Extreme»
Vom AS habe er aus der Zeitung erfahren, sagt André Glauser, Delegierter für Sicherheit der Stadt Biel. Das Risiko, dass die Pnos Seeland den AS benütze, um in Biel gegen politische Gegner vorzugehen, beurteilt er «als gering». Zumal er in den letzten Monaten in Biel keine rechtsextremen Vorkommnisse festgestellt hat. «Biel ist erfahrungsgemäss kein guter Nährboden für extreme Positionen. In Biel wird miteinander gesprochen und der Dialog gelebt», sagt Glauser.
Bei der Berner Kantonspolizei ist die Website des AS bekannt. «Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten beobachten wir die diesbezügliche Entwicklung», sagt Mediensprecher Christoph Gnägi. Bisher lägen jedoch keine strafbaren Handlungen vor. Auch seien im Seeland in den letzten Monaten keine Vorkommnisse aus der rechtsextremen Szene bekannt, meint Gnägi weiter.
Ein Mittel gegen den Rechtsextremismus ist die Aufklärung. So unterhalten die Gemeinden der Regionalkonferenz Bern-Mittelland die Informations- und Beratungsstelle gegen Gewalt und Rassismus GGGFON. Mit Kursen über Gewalt, Rassismus oder Zivilcourage wendet sich GGGFON an Betroffene, Behörden oder Schulklassen.
Ein Pendant zum GGGFON sei im Seeland nicht geplant, sagt Ruedi Hartmann, Geschäftsleiter des Vereins seeland.biel/bienne. Dieser nimmt Aufgaben der Regionalkonferenz wahr. Eine Beteiligung an GGGFON stand bisher ebenfalls nicht zur Debatte. Rassismus und Gewalt seien in den Konferenzen Soziales und Gesundheit und Bildung «noch nie vertieft behandelt worden», sagt Hartmann.
Die Pnos ist eine rechtsextreme Partei
• Die Partei National Orientierter Schweizer (Pnos) gibt es seit 15 Jahren. Als Ziel gibt sie an, die «Überfremdung der Schweiz» zu bekämpfen. Dazu fordert sie «die Rückführung aller kulturfremden Ausländer in ihre Heimatländer». Es gebe nur einen Weg, um das «Volk vor dem Untergang zu bewahren» und das «öffentliche Leben nach einem völkisch begründeten Verständnis» zu gestalten. Das sei «der Weg des Widerstandes».
• Die Pnos hat nach eigenen Angaben acht Sektionen. Vier sind im Kanton Bern aktiv: im Oberaargau, im Oberland, im Emmental und im Seeland. • Die Pnos bezeichnet ihre Ausrichtung als «eidgenössisch-sozialistisch». Das Bundesamt für Polizei stufte die Partei im Jahr 2001 als rechtsextreme Organisation ein.