Facts Nummer: 21
Neonazis haben eine eigene Partei gegründet. Die bisher unbekannte Nationale Initiative Schweiz (NIS) will sogar an Wahlen teilnehmen.
Autor: Von Hans Stutz
Nur der beherzte Griff einer Frau in Christoph Blochers Kitteltasche hat die vierte Nummer von «Der Morgenstern», Organ der Nationalen Initiative Schweiz (NIS), der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Kurzhaarige Männer hatten die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift der bis anhin unbekannten Deutschschweizer Neonazigruppe Mitte März in der Stadthalle Bülach verkauft, als Blocher auf Einladung der Jungen SVP des Kantons Zürich Fragen von Jugendlichen beantwortete. Entrüstete Besucher konfrontierten Redner Blocher mit dem braunen Heftinhalt. Blocher steckte das Heft wortlos in die Kitteltasche – worauf es die empörte Frau umgehend zurückfischte.
Wer steckt hinter der Nationalen Initiative Schweiz? Präsident der Partei, die ihren offiziellen Sitz in Hombrechtikon hat, ist Mario Rigoni aus Wettingen. Gemäss Telefonbuch ist er «Versicherungsberater Zürich-Versicherungen».
Rigoni war im Wahlherbst 1995 selbst für die Schweizer Demokraten zu rassistisch. Der Versicherungberater hatte in einem Leserbrief, den die Zeitungen nicht druckten, verlauten lassen: Man brauche «kein Rassist zu sein», um die «negativen Folgen einer multikulturellen Gesellschaft» zu erkennen. Denn «nur Heimatmüde und Nationalmasochisten» setzten sich «für eine multikulturelle Gesellschaft» ein. Er «als Schweizer Demokrat» werde «mit allen legalen Mitteln gegen den «Multi-Kulti-Wahn» kämpfen». Der Versuch einiger Mitglieder, Rigoni als Präsidenten der Jungen Schweizer Demokraten (JSD), Sektion Mittelland, einzusetzen, scheiterte am Einspruch der Mutterpartei.
Rigoni scheut das Gespräch mit den Medien, obwohl seine Organisation gemäss den Mitte April 1996 in Zürich verabschiedeten Statuten öffentliche Veranstaltungen durchführen und an Wahlen teilnehmen will. «Schreiben Sie an unser Postfach», meint er und hängt den Hörer auf.
Kommunikationfreudiger sind Rigoni und seine «Kameraden» im NIS-Organ «Der Morgenstern». Einen Besuch bei den Rechtsaussen des «Deutschen Freundeskreises Ludwigsburg» schildert Rigoni selber. Nach einem Vertreter des Front National, der «die Wichtigkeit des gemeinsamen Kampfes aller europäischen Nationalisten gegen den Multi-Kulti-Wahn» betont habe, «durfte ich vor den versammelten Kameraden noch eine kurze Rede halten». Zudem habe man «Handzettel» verteilt, die für das NIS-Organ werben. Im «Morgenstern» sind denn auch zwei lobende Leserbriefe aus Deutschland abgedruckt.
Politisch brisanter ist der Bericht eines unbekannten NIS-Mitgliedes. Am 18. Januar 1997 habe Rigoni an der Reichsgründungsfeier der Jungen Nationaldemokraten Baden-Württemberg gesprochen. «Grosses Interesse» will der Schreiber «an unserer geplanten Demonstration gegen den hundertsten Jahrestag des ersten Zionistenkongresses in Basel» beobachtet haben. Die Demonstration ist unter den Rechtsextremen umstritten. Es gebe «immer wieder «Weicheier», die lieber konspirativ tätig sind (…), als auf die Strasse zu gehen und unsere Meinung zu demonstrieren», schreibt «Der Morgenstern». Die NIS gehört damit zu jenen Rechtsextremen, die seit Monaten gegen die Jubiläumsfeiern zum Zionistenkongress mobilisieren.
Den guten Beziehungen der NIS nach Deutschland folgen Taten. An der grössten Neonazidemo seit Ende des Zweiten Weltkrieges, der Kundgebung gegen die Ausstellung «Verbrechen der Wehrmacht» vom 1. März 1997, marschierte auch eine NIS-Abordnung. Auf ihrem Plakat gedachte sie ihrer rechtsextremen Ahnen, die in der Waffen-SS gedient hatten: «Auch unsere 800 Kriegsfreiwilligen sind keine Verbrecher.» Ein geschichtsklitternder Slogan.
Das «politische Schwerpunktprogramm» ist eine Zusammenfassung einschlägiger Postulate unter dem Motto «Wir zuerst». Ausländer sollen Ausländer bleiben, denn die NIS fordert nicht nur den sofortigen Einwanderungsstopp, sondern auch einen Einbürgerungsstopp.
Die braunen Kameraden versuchen, sich dafür ein grünes Mäntelchen umzuhängen: «Umweltschutz durch Verringerung der (ausländischen) Überbevölkerung» lautet eine Forderung. Der rechte Kampf geht auch gegen alles, was links erscheint. Der Staat soll geschützt werden «vor Ideologien und Lehren, die geeignet sind, unser Volk zu spalten und zu demoralisieren, wie zum Beispiel Kommunismus, Feminismus, Homosexualität und so weiter».
Die Antirassismus-Strafnorm sowie «andere verfassungswidrige Gesetze» will die NIS aufheben – auch zum eigenen Schutz. Ihre Forderung «Keine Stipendien für Ausländer» könnte nämlich unter das Diskriminierungsverbot fallen, «da kein sachlich gerechtfertigter Grund besteht, die Stipendienberechtigung an der Nationalität festzumachen». Dies die Einschätzung der Zürcher Anwältin Regula Bähler, Mitglied der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus.
Ein Hinweis auf die Grösse der Nationalen Initiative Schweiz gibt der «Morgenstern»-Artikel «Die NIS macht Geschichte!»: Eine «erfreulich grosse Schar von NIS-Mitgliedern und Sympathisanten» habe am 9. Februar 1997 an einer Führung im Schweizer Landesmuseum teilgenommen. Eine zufällig anwesende Landesmuseumsbesucherin berichtet, sie habe knapp zwanzig Teilnehmer beobachtet, fast durchwegs Männer. Zwei oder drei seien «Skins» gewesen.
In der Glatzen-Szene hat die Gruppierung bereits Beachtung gefunden. In der neusten Ausgabe von «Hammer – Patriotische Zeitschrift der Schweizer Hammerskins» wird «Mario und die NIS» gegrüsst. Und über die NIS-Postfächer in Wettingen und Vaduz kann man einen rassistischen Kleber beziehen, den Ostschweizer Glatzen herstellen.
«WIR ZUERST!»: In ihrer Zeitschrift «Der Morgenstern» schürt die Nationale Initiative Schweiz auch antijüdische Gefühle.
EWIGGESTRIGE: Gegen die Wehrmachtausstellung in Deutschland marschierte auch eine NIS-Abordnung.
Die rechtsextreme Szene
Hammer-Skinheads sind neu strukturiert
Im rechtsextremen Spektrum ist die Nationale Initiative Schweiz (NIS) die erste Neugründung seit 1989. Neu ist der Wille, dass sie sich am politischen Leben und an den Wahlen beteiligen will. Bemerkenswert sind die guten Beziehungen zu deutschen Rechtsextremen. Nicht in der Tagespolitik mitmachen wollen sich die verschiedenen Grüppchen der Schweizer Skinhead-Szene.
Die Schweizer Hammer-Skinheads, die nach dem Überfall auf eine antifaschistische Musikveranstaltung in Hochdorf LU in eine organisatorische Krise gerieten, meldeten bereits vor Monaten den Abschluss einer Neustrukturierung.
Ein eher verborgenes Dasein führt die Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der Zeitgeschichte (AEZ), der Zusammenschluss der Schweizer Holocaust-Leugner. Sie verbreiten die Zeitschrift «Aurora», und ihre bekanntesten Exponenten müssen in naher Zukunft wegen Widerhandlung gegen die Antirassismus-Strafnorm vor den Richtern erscheinen.